Die AbL demonstrierte für das Agrarstrukturgesetz, während im Landtag die Sachverständigenanhörung stattfand. (c) AbL Mitteldeutschland

Agrarstrukturgesetz in Sachsen: Ein Entwurf mit Für und Wider

Mit einer Anhörung im Agrarausschuss fiel der Startschuss: Im Landtag hat die parlamentarische Diskussion über den Entwurf des Agrarstrukturgesetzes begonnen. Das Vorhaben bleibt umstritten.

Von Karsten Bär

Bei der Anhörung zum Entwurf des sächsischen Agrarstrukturgesetzes im Landtag haben Sachverständige von vier landwirtschaftlichen Verbänden erhebliche Einwände gegen das Vorhaben formuliert. Doch auch Zustimmung bekamen die Mitglieder des Ausschusses für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft zu hören. Und dies sowohl von Rechts- und Verwaltungsexperten als auch von Landwirten. In den Stellungnahmen aus den Fraktionen spiegelten sich im Nachgang im Wesentlichen die Haltungen wider, die bereits zuvor vorherrschten.

Marco Birnstengel, Geschäftsführer der Landbewirtschaftung Wesenitztal GmbH und Mitglied von Land schafft Verbindung Sachsen, kritisierte es als „Doppelzüngigkeit“, wenn in der Landwirtschaft laut dem Gesetz Obergrenzen gelten sollen. Für die Hersteller von Autos oder Kraftstoff oder im Lebensmitteleinzelhandel würden hingegen keine solchen Einschränkungen gelten.

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Agrarstrukturgesetz in Sachsen: Eingriff ins Eigentum

Dr. Andreas Eisen, Bereichsleiter im Genossenschaftsverband, erklärte, das Gesetz behindere die Entwicklung des landwirtschaftlichen Mittelstands, gehe an der Realität der Agrarstruktur vorbei und ignoriere, wie kapitalintensiv die Branche sei.

Als aussichtslosen Versuch, mit ordnungspolitischen Mitteln die Zinspolitik der EZB zu korrigieren, bezeichnete Dr. Hartwig Kübler, Vorsitzender des Verbandes der Familienbetriebe Land und Forst Sachsen und Thüringen, den Gesetzentwurf. Es sei ironisch, dass ausgerechnet nach der Zinswende ein Agrarstrukturgesetz eingeführt werden soll, wenn die Landwirtschaft keine attraktive Anlageoption mehr sei.

Gesetz: Ängste werden geschürt

Henryk Schultz, Vorstand der Agrargenossenschaft „Oberes Elbtal“ Reinhardtsdorf und Vertreter des Sächsischen Landesbauernverbandes (SLB), meinte, das Gesetz schüre unbegründet Ängste und wecke Hoffnungen, die es nicht erfüllen kann.

Die vier Verbandsvertreter bemängelten, dass die vorgesehene Obergrenze Entwicklungsmöglichkeiten von Betrieben hemmen würde. Die Begrenzung der Handelbarkeit von Boden sei ein Eingriff ins Eigentum. Andreas Eisen verwies auf die Einschätzung von Banken, dass dies auch die Neubewertung von bestehenden Krediten nach sich ziehen würde. Nicht zuletzt befürchten die Kritiker ein weiteres Anschwellen der Bürokratie.

Die bestehenden Regelungen für den Bodenmarkt führten schon jetzt zu langen Verfahren, so Marco Birnstengel. Die Notwendigkeit, gesetzliche Einschränkungen einzuführen, sehe er nicht, erklärte Henryk Schultz. Pacht- und Bodenpreise in Sachsen lägen weit unter dem Bundesdurchschnitt. Die Zahl der Betriebe sei in den vergangenen zwölf Jahren gewachsen, die Betriebsgröße habe sich verringert.

Entwurf: Schutz vor ortsfremden Investoren

Patrick Rückert, Geschäftsführer der Großdrebnitzer Agrarbetriebsgesellschaft, befürwortet das Agrarstrukturgesetz hingegen. Es stärke ortsansässige Landwirte und halte durch Preisobergrenzen den Zugriff ortsfremder Investoren fern. Die Flächenkonzentrationsgrenze von 2.500 ha hält Rückert, dessen Betrieb 3.300 ha bewirtschaftet, für vertretbar. Die Stärkung der Sächsischen Landsiedlung sei zu begrüßen, müsse jedoch finanziell untersetzt sein. Sicherstellen müsse der Freistaat, dass die den Landwirten beim Bodenkauf gleichgestellten gemeinnützigen Körperschaften ihre Flächen an regionale Landwirte verpachten und nicht renaturieren oder aufforsten.

Vor allem das Problem sogenannter Share Deals, also der Verkauf von Unternehmensanteilen an Investoren, rief Reiko Wöllert, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft in Thüringen, ins Bewusstsein. Aufgekaufte Agrarbetriebe zahlten ihre Steuern am Ort der Konzernzentrale und nicht im ländlichen Raum. Leitungsjobs fielen in der Region weg, Tierhaltung werde abgeschafft. Die Dynamik, die inzwischen entstanden sei, ließe sich nur durch ein Agrarstrukturgesetz stoppen.

Obergrenze rechtens

Als notwendige Anpassung der Gesetzeslage an die aktuellen Bedingungen sieht Jobst Jungehülsing, bis 2023 Ministerialrat im Bundeslandwirtschaftsministerium, die Verabschiedung eines Agrarstrukturgesetzes. Durch Obergrenzen könne die erwünschte breite Eigentumsstreuung von Landwirtschaftsflächen erhalten bleiben. Dies sei rechtskonform und werde in anderen europäischen Ländern auch angewandt.

Hinweise auf juristischen Nachbesserungsbedarf in Details des Gesetzes gab Prof. Dr. Antje Tölle von der Gesellschaft für Agrarrecht. Es sei begrüßenswert, wenn das Gesetz die Gründe aufzähle, warum jemandem der Landkauf versagt werden kann, jedoch müsse dies dann vollständig sei. Für problematisch hält sie es, wenn Nichtlandwirten der Landkauf versagt wird, dann aber eine Ausnahme gemacht werde, indem bestimmte Körperschaften Landwirten gleichgestellt werden.

Kauf und Pacht für Landwirte aus der Region leichter

Die Notwendigkeit eines Agrarstrukturgesetzes sieht nach der Anhörung Volkmar Zschocke, agrarpolitischer Sprecher der Grünen, bestätigt. Es erleichtere regionalen Landwirten Kauf und Pacht und erschwere Großinvestoren den Zugriff. Die Ablehnung des SLB sei unverständlich.

Für ihn bleibe das Gesetz weiter umstritten, sagte Georg-Ludwig von Breitenbuch (CDU). „Die Fragen der Bodenmarktpolitik sind wichtig, doch der gewählte Weg falsch.“ Es bedürfe in jedem Fall noch intensiver Diskussionen.

Jörg Dornau, Agrarsprecher der AfD, machte sich Argumente sowohl von Gegnern als auch Befürwortern des Entwurfs zu eigen. Er monierte, das Gesetz schaffe mehr Bürokratie und halte zugleich die Tür für einen „Raubzug“ großer Konzerne offen.

Ein „wirksames Agrarstrukturgesetz“ befürwortet Antonia Mertsching (Die Linke). Um Bodenspekulationen von Investoren zurückzudrängen, müsse der Bodenmarkt stärker reguliert werden.

Zwei Gesetze im Agrarstrukturpaket

Mit einem „Agrarstrukturpaket“ will das Landwirtschaftsministerium die sächsische Agrarstruktur erhalten und Konzentrationsprozesse beim Bodeneigentum verhindern. Dazu zählt das Höfe-Gesetz, das die Fortführung eines landwirtschaftlichen Betriebes im Erbfall regelt. Es orientiert sich an der norddeutschen Höfe-Ordnung und ist unstrittig. Das Agrarstrukturgesetz soll das landwirtschaftliche Bodenrecht neu normieren und regionale Landwirte bei Kauf und Pacht von Boden privilegieren und vor überzogenen Preisen schützen. Es sieht eine Höchstpreisgrenze für Kauf und Pacht vor, ebenso eine „Flächenkonzentrationsgrenze“ von 2.500 Hektar Eigentums- oder Pachtland. Der Kauf von Agrarbetrieben oder Anteilen an ihnen soll anzeige- und genehmigungspflichtig werden.

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