Berufswettbewerb 2019 in Seelow. Wie hier ist es ein Ziel des neuen Rahmenlehrplans, anwendungsbereites Wissen vermitteln. (c) Heike Mildner

Neuer Rahmenlehrplan für Brandenburger Landwirtschafts-Azubis

Den Schulterschluss zur Praxis sucht der neue Rahmenlehrplan für Landwirtschafts-Azubis. Er wird ab August 2022 in Brandenburg eingeführt und orientiert sich am Lernfeldkonzept. Das Konzept verlangt ein völlig neues Herangehen an die Vermittlung der Inhalte. Die Feinabstimmung läuft.

Von Heike Mildner

Über die Diskussion zu Lehren aus den Corona-Lockdowns berichteten wir in der vergangenen Woche. Zweites großes Thema des 2. Märkischen Ausbildertages am 18. August in Kemlitz war die Vorstellung des neuen Rahmenlehrplans für Landwirte. Er soll ab Ausbildungsjahr 2022/23 in Kraft treten und zunächst für das erste Ausbildungsjahr gelten. Derzeit läuft die Feinabstimmung der Inhalte.

Hintergrund der Initiative des Brandenburgischen Bildungsministeriums ist die längst überfällige Anpassung an einen Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK). Er besagt, man möge für die duale Berufsausbildung Rahmenlehrpläne nach dem Lernfeldkonzept entwickeln. In den meisten Handwerksberufen ist das bereits Gang und Gäbe.

Überfällige Anpassung an KMK-Beschluss

„Endlich wird der Rahmenlehrplan, der bisher nach Fächern aufgeteilt ist, überarbeitet“, begrüßt Sabine Baum (Agrarministerium) die Initiative aus dem Bildungsministerium. Und anders als bei den Gärtnern, lasse man sich bei den Landwirten mehr Zeit für die Abstimmung. Berufsstand und Lehrerschaft seien von Anfang an mit im Boot. Im März habe man vom Bildungsministerium einen ersten Entwurf bekommen. Dazu habe es von Bauernverband, Ausbildungsnetzwerken und überbetrieblichen Ausbildungsstätten konstruktive Hinweise gegeben. Sie habe zudem erreicht, dass der neue Plan erst ab August 2022 gelten wird. „So haben alle Zeit, sich darauf einzustellen“, begründet Sabine Baum.

Sandra Engels, im Brandenburgischen Bildungsministerium für den Entwurf des Rahmenlehrplanes zuständig, war verhindert. Darum stellte ihn Berufsschullehrerin Andrea Präger, die in der Arbeitsgruppe dabei war, in Kemlitz vor.  Auf Bundesebene habe es seit dem Beschluss der Ausbildungsverordnung für Landwirte von 1995 keine gesetzliche Änderung mehr gegeben. Die 26 Jahre alte Verordnung sei bindend: „Wir konnten keine komplett neuen Inhalte einbinden und keine alten rausschmeißen“, so Präger. „Wir haben versucht, einen Brandenburger Weg zu finden, um die bundesweite Verordnung für uns gangbar zu machen.“


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Lernfeldkonzept fordert komplettes Umdenken

Deutlich wurde: Die Umsetzung des Lernfeldkonzepts fordert ein komplettes Umdenken an den Berufsschulen. Grundlage des neuen Herangehens ist eine Erkenntnis: Auszubildende erlangen ihre berufliche Handlungsfähigkeit am besten über die Lösungsfindung für bestimmte Probleme. Schubladen mit Faktenwissen haben ausgedient. Vielmehr sollen sich die Fachinhalte in Handlungsfeldern wiederfinden, die die Berufsschüler im Idealfall schon aus dem Ausbildungsbetrieb kennen. Voraussetzung dafür sind eine engere Zusammenarbeit der Berufsschulen mit den Ausbildungsbetrieben und fächerübergreifendes Agieren der Berufsschullehrer.

Autorin eines interessanten, wenn auch schon zehn Jahre alten Beitrags zur Einführung des Lernfeldkonzepts bei der Fachkraft Agrarservice ist Dr. Ilona Paul-Pollack, heute Leiterin des Landesamtes für ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Flurneuordnung (LELF). Sie beschreibt darin u. a. die Konsequenz des Lernfeldkonzepts für Schüler und Lehrer. „Die Erarbeitung anwendungsbereiten Wissens ist im Wesentlichen gekennzeichnet durch ein gedankliches Nachvollziehen berufstypischer Handlungsabläufe, die in praxisrelevante Problemsituationen eingebettet werden. Ein weiteres Merkmal … besteht in der zunehmend selbstständigen Steuerung der Lernprozesse durch die Schüler“, so Paul-Pollack in ihrem Beitrag und nennt Informieren, Planen, Entscheiden, Durchführen, Kontrollieren und Auswerten als Phasen dieses neuen, handlungsbezogenen Lernens.

LEHRER WERDEN ZU BEGLEITERN DER LERNPROZESSE

„Die Lehrkräfte müssen sich bei der Ausgestaltung des Unterrichts einerseits an konkreten beruflichen Handlungen orientieren und andererseits dem Schüler genügend Raum zum selbst gesteuerten Planen, Nachvollziehen und Reflektieren geben“, so Paul-Pollack. Die Lehrenden würden zu Gestaltern und Begleitern der Lernprozesse.

Viele Fragen zur Umsetzung des Lernfeldkonzepts in der Landwirtsausbildung über den neuen Rahmenlehrplan werden noch vor Ort in den Oberstufenzentren zu klären sein, denn Fakt ist: Statt Fächern werden 17 Lernfelder den Unterricht strukturieren:


1. Lehrjahr:

neuen Mitarbeiter einführen (40 h), Tiere halten und produzieren (60 h), Tiere füttern (40 h), Pflanzen erzeugen (60 h), Bodenfruchtbarkeit erhalten (60 h, siehe Kasten), Geräte, Maschinen und Anlagen (60 h).

2. Lehrjahr:

einen Betrieb ökologisch bewirtschaften (50 h), Kälber und Jungrinder erzeugen und aufziehen (80 h), Ferkel erzeugne und aufziehen (60 h),  Grundfutter erzeugen und konservieren (60 h), Hackfrüchte anbauen und ernten (30 h).

3. Lehrjahr:

Pflanzen gesund erhalten (40 h), Schlachtrinder und Milch produzieren (60 h), Schweine füttern und gesund erhalten (40 h), Getreide anbauen und ernten (60 h), Öl- und Eiweißpflanzen anbauen und ernten (40 h), Betriebsmittel einkaufen und Produkte vermarkten (40 h).


Beispiel: Lernfeld 5 – Bodenfruchtbarkeit erhöhen

Im ersten Ausbildungsjahr sind 60 Stunden dem Lernfeld 5, „Bodenfruchtbarkeit erhöhen“, gewidmet. Zu den Kompetenzen, die die Berufsschüler in diesem Lernfeld erwerben sollen, heißt es: „Die Schülerinnen und Schüler unterscheiden Böden, fördern ihre nachhaltige Ertragsfähigkeit und düngen die angebauten Pflanzen bedarfsgerecht unter Berücksichtigung der rechtlichen Rahmenbedingungen und des Umweltschutzes.“

– Schüler und Schülerinnen untersuchen die Entstehung von Böden, machen sich mit der Einteilung der Bodenarten vertraut; sie untersuchen die Bodenbestandteile und ihre Bedeutung für die landwirtschaftliche Produktion; bestimmen Bodenarten, bewerten Böden, planen Maßnahmen, die Bodenschäden verhindern helfen;

– sie charakterisieren und vergleichen Bodenbearbeitungssysteme, wählen Bearbeitungsgeräte nach Bodenzustand und Kulturanforderungen; benennen mögliche Einstellungen an den Arbeitsgeräten, beurteilen ökologische und ökonomische Auswirkungen verschiedener Bodenbearbeitungssysteme;

– Schüler und Schülerinnen ermitteln den Nährstoffentzug durch die Landwirtschaft in natürlichen Stoffkreisläufen; sie denken über Düngung nach, machen sich diesbezüglich mit Möglichkeiten und Wirkungen vertraut;

– Schüler und Schülerinnen planen Dünge- und Bodenverbesserungsmaßnahmen; sie planen die Düngerausbringung u. a. auch nach rechtlichen Vorgaben; sie beschäftigen sich mit ökologischen, ökonomischen und rechtlichen Konsequenzen einer Fehlversorgung.

Quelle: Kemlitzer Handout zum Entwurf des Rahmenlehrplanes, teils gekürzt

In Kemlitz traf das neue Konzept auf offene Ohren. Mario Schwarze (Ausbilder Agrargenossenschaft Goßmar) hofft auf eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Schule und Betrieb, Dr. Gernot Bilke (Zuständige Stelle beim LELF) erinnerte an die bereits jetzt sehr komplexen Themen bei der Prüfungsgestaltung. Und Dieter Heyde (Ausbildungsnetzwerk Elbe-Elster) empfahl, Praktiker in die Berufsschulen einzuladen. Inwieweit die Umsetzung des Lernfeldkonzepts bei der Ausbildung zur Fachkraft Agrarservice bereits gelungen ist, wäre ein anderes Thema.

Hast du als Fachkraft Agrarservice bereits Erfahrungen mit dem Lernfeldkonzept in der Berufsschule gemacht?
Hast du Anregungen dazu?
Schreib an brandenburg@bauernzeitung.de oder ruf uns an: (03 34 70) 40 00 95.
Wir sind gespannt, was da aus eurer Sicht besser gehen könnte. Danke!