Seit den frühen Morgenstunden wird vor dem Bundesratsgebäude in Berlin für den Erhalt des Agrardiesels demonstriert. © Philipp Weiser/DBV

Bundesrat beschließt Abschaffung der Agrardiesel-Beihilfe

UPDATE 22.03.: Der Bundesrat hat am Freitag grünes Licht für das Haushaltsfinanzierungsgesetz 2024 gegeben. Damit ist auch das Aus beim Agrardiesel endgültig beschlossene Sache. Vor dem Bundesrat in Berlin laufen die Protest-Aktionen der Landwirte in Deutschland.

Von der Redaktion der Bauernzeitung

Der Bundesrat stimmt am Freitag über die Streichung des Agrardiesels ab. Schon vor der eigentlichen Abstimmung über das Zweite Haushaltsfinanzierungsgesetz wurde die von der Bundesregierung geplante Steuererhöhung indirekt besiegelt. Denn gleich zu Beginn der Sitzung stimmte die Länderkammer dem Wachstumschancengesetz zu. Die unionsgeführten Länder hatten ursprünglich ihre Ja-Stimmen mit der Rücknahme der Agrardieselstreichung verbunden. Kurz vor Sitzungsbeginn legte die Bundesregierung darum eine Protokollerklärung nach, in der sie zehn Maßnahmen zur Entlastung der Landwirtschaft ankündigte. Daraufhin bröckelte der Widerstand.

Protokollerklärung der Bundesregierung zum Zweiten Haushaltsfinanzierungsgesetz

Mit Wachstumschancengesetz ist faktisch Streichung beim Agrardiesel beschlossen

Der Chef der bayerischen Staatskanzlei, Florian Herrmann, sprach im Plenum jedoch von einer „Mogelpackung“ und einer „echten Unverschämtheit“. „Die Streichung beim Agrardiesel bedeutet für die Landwirtschaft eine Belastung von 500 Millionen Euro, auf der anderen Seite stehen ganze zehn Prozent Entlastung“, argumentierte der CSU-Politiker. Ein Teil der zugesagten Maßnahmen seien zudem bereits geplant gewesen und stellten daher kein neues Angebot dar. Dennoch stimmte der Bundesrat dem Wachstumschancengesetz am Ende deutlich zu.

Damit war im weiteren Verlauf der Sitzung auch die Streichung der Dieselrückerstattung zu erwarten. Dazu kam es dann: Der Antrag, das Zweite Haushaltsfinanzierungsgesetz 2024 in den Vermittlungsausschuss zu überweisen, fand keine Mehrheit. Damit ist die schrittweise Absenkung der Steuerbegünstigung von Dieselkraftstoff für Betriebe der Land- und Fortwirtschaft und ihr vollständiger Wegfall ab 2026 beschlossene Sache.

Bauernverband: Politik hat die Wichtigkeit nicht erkannt

Der Deutsche Bauernverband (DBV) äußerte sich enttäuscht zu den Abstimmungen. „Weder der Bundestag noch der Bundesrat haben erkannt, wie wichtig die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft ist und welche Bedeutung sie für die Stabilität der ländlichen Räume hat“, sagte DBV-Präsident Joachim Rukwied unmittelbar nach der Sitzung vor Journalisten.

Die zehn Punkte der Bundesregierung in der Protokollerklärung reichen dem Verband nicht aus. „Die versprochene Möglichkeit zur Gewinnglättung ist nicht genug, wir brauchen auch Steuerentlastungen für andere Rechtsformen“, erklärte Rukwied unter Hinweis auf die gefordert Risikoausgleichsrücklage. „Alles andere sind Absichtserklärungen und Prüfaufträge, das reicht nicht.“

Agrardiesel wird Thema im Bundestagswahlkampf

Rukwied kündigte an, der Berufsstand werde das Thema Agrardiesel nicht von der Tagesordnung nehmen. „Es ist nur verschoben“, so Rukwied. „Ich freue mich darauf, die Agrardieseldebatte auch im Wahlkampf für die Bundestagswahl im nächsten Jahr zu platzieren.“ Aber auch bis dahin will der Verband das Thema öffentlich im Gespräch halten. „Unser Ziel ist es, dass die Steuerbelastung auf unseren Diesel maximal im EU-Durchschnitt liegt.“

Freie Bauern: Union hat Zusagen nicht eingehalten

Auch die Freien Bauern haben mit Enttäuschung auf die Bundesratsentscheidung reagiert, das Wachstumschancengesetz zu beschließen, ohne dass die Bundesregierung die Streichung der Steuerrückvergütung beim Agrardiesel zurückgenommen hätte. „Nach den größten Bauernprotesten in der Geschichte der Bundesrepublik und einer noch nie dagewesenen Unterstützung in der Bevölkerung gab es eine eindeutige Zusage von Friedrich Merz und Markus Söder, die Zustimmung zum Wachstumschancengesetz im Bundesrat an den Erhalt des Agrardiesels zu koppeln. Diese Zusage wurde nicht eingehalten“, stellte Bundessprecher Alfons Wolff in einer Erklärung der Organisation fest.

Wolff warf dem Deutschen Bauernverband vor, mit Signalen zu möglicher Kompromissbereitschaft zur dafür mitverantwortlich zu sein. Zugleich räumte er ein, die Freien Bauern selbst „hätten sich nie am Agrardiesel festgebissen, aber während der gesamten Proteste klare Forderungen an die Bundesregierung gestellt, die nach wie vor Gültigkeit haben.“

Haftpflicht für selbstfahrende Arbeitsmaschinen

Endgültig gescheitert ist der Versuch der Bundesregierung, eine Haftpflichtversicherung für selbstfahrende Arbeitsmaschinen bis 20 km/h einzuführen. Sachsens Ministerpräsident, Michael Kretzschmer (CDU), berichtete der Länderkammer, dass sich der Vermittlungsausschuss darauf verständigt habe, die geplante Versicherungspflicht nicht umzusetzen. Die EU-Richtlinie 2118, die mit dem Gesetz umgesetzt werden sollte, sieht Ausnahmen für solche Maschinen vor. Die Bundesregierung nimmt diese Möglichkeit nun nach dem Einspruch der Länder doch noch wahr.  

In Hinblick auf selbstfahrende landwirtschaftliche Arbeitsmaschinen wie Lader oder Stapler hatte selbst die deutsche Versicherungswirtschaft eine Versicherungspflicht für überflüssig erklärt. Der Bundesrat nahm des Ergebnis des Vermittlungsausschusses an. 

Bundesweite Aktionen zur Sitzung des Bundesrates

Die Initiative Land schafft Verbindung (LSV Deutschland) hatte schon vor der Sitzung des Bundesrates zu deutschlandweiten Protestaktionen vom 20. bis 22. März aufgerufen, um gegen die geplante Abschaffung bzw. stufenweise Reduzierung der Dieselrückvergütung zu protestieren. Dabei stand die heutige Bundesratssitzung im Fokus der Bauernproteste.

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Seit den frühen Morgenstunden Proteste in Berlin

Der Landesbauernverband Brandenburg rief seine Mitglieder kurzfristig auf, dem Aufruf des Deutschen Bauernverbandes (DBV) zu folgen. Seit den frühen Morgenstunden wird vor dem Bundesratsgebäude in Berlin für den Erhalt des Agrardiesels demonstriert. Eine Teilnahme an der Protest-Aktion ist ausschließlich zu Fuß möglich. Der Bauernverband wolle diesen Tag nutzen und sprichwörtlich mit den Füßen abstimmen. Die Landwirtinnen und Landwirte aus Brandenburg, dem Bundesland, das der Hauptstadt am nächsten liegt, sind aufgerufen, die zahlreichen bundesweiten Aktionen auch am Ort der Entscheidung zu begleiten.

Treffpunkt: Leipziger Straße 3-4 10117 Berlin, vor dem Bundesratsgebäude

Henrik Wendorff, LBV-Präsident Brandenburg, und Benjamin Walker, Referent Agrarpolitik, politische Kommunikation beim Deutschen Bauernverband, sind bei den Protest-Aktionen in Berlin dabei. Im Hintergrund sind Demonstrationsplakate zu sehen.
Henrik Wendorff, LBV-Präsident Brandenburg, und Benjamin Walker, Referent Agrarpolitik, politische Kommunikation beim Deutschen Bauernverband, sind bei den Protest-Aktionen in Berlin dabei. © Ulrich Böhm/LBV
Thomas Kläber von der Agrargenossenschaft Ranzig hält ein Protestplakat in die Höhe anlässlich der Protest-Aktionen der Landwirte zur Bundesratssitzung am 22. März 2024.
„Raus aus dem Bürokratiewahn“ fordert Thomas Kläber von der Agrargenossenschaft Ranzig. Der Pflanzenbauleiter ist bei den Protest-Aktionen vor dem Bundesratsgebäude in Berlin dabei. © Ulrich Böhm/LBV

Protest-Aktion: Blockierte Autobahnbrücken in Sachsen am Donnerstag

Am 21. März rief der LSV Sachsen gemeinsam mit dem Sächsischen Landesbauernverband und der Interessenvertretung „Familienbetriebe Land und Forst Sachsen und Thüringen“ zu einer gemeinsamen Aktion auf. Von 19 bis 20 Uhr blockierten die Landwirte und Landwirtinnen die Autobahnbrücken in Sachsen. Konkret waren Protestaktionen an den Autobahnen A4, A9, A13, A14 und A17 in den Landkreisen Görlitz, Bautzen, Meißen, West- und Nordsachsen geplant. Unter dem Motto „Dein Signal, dein Protest nach Berlin!“ machten die Rundumleuchten der Landmaschinen den Protest weithin sichtbar.

LSV Deutschland: Das sind die Forderungen

Der LSV Deutschland fordert, dass die Diesel-Entlastung für die Agrarbranche erhalten bleibt, solange keine adäquaten Alternativen zur Verfügung stehen, oder weitreichende Besserstellung in der Wertschöpfungskette sichergestellt werden, welche die entstehenden Einbußen der Landwirte kompensieren können. Die Wiedereinführung von ausgelaufenen Angeboten wie die Risikoausgleichsrücklage oder die Gewinnglättung könne dies allein nicht kompensieren. Dabei solle eine Weiterführung von wirksamen Angeboten laut LSV Deutschland selbstverständlich sein und durch zusätzliche Maßnahmen ergänzt werden, um den Landwirten in dieser schwierigen Situation zu helfen.

Echter Agrardiesel gefordert

Zudem fordert der LSV Deutschland die Einführung eines echten Agrardiesels mit festem Steuersatz nach 2027, der eine langfristige Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft innerhalb des EU-Binnenmarktes sicherstellt.

Darüber hinaus zählt zu den Forderungen eine Anpassung der gemeinsamen Agrarmarktordnung, die faire Bedingungen für die Landwirte gewährleistet, darunter Verträge vor der Produktion, gleiche Standards bei Importwaren und faire Handelspraktiken.

Nähere Informationen zu den Protest-Aktionen werden über die WhatsApp-Gruppen der Landesvereine und Regionalgruppen von LSV Deutschland verbreitet.

Video: Neue Protest-Aktionen in Deutschland – LSV Deutschland e.V. mobilisiert

So schließt sich „Der Bauer aus der Mark“ – Thomas Essig vom LsV Brandenburg e.V. – dem Aufruf an. Er betont, dass Rettungsgassen freigehalten werden sollen.

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