Zur Artenvielfalt des Grünlandes im Thüringer Wald gehören auch Raritäten wie Arnica montana. © Elisabet Hochberg

Das Grünland ist bunter!

Der Deutsche Grünlandverband übt (Fach-)Kritik am Ende Mai vorgelegten „Bericht zur Lage der Natur“. Gefordert wird unter anderem eine Differenzierung bei der Bewertung des Artenrückgangs auf dem Grünland.

Von Frank Hartmann

Den jüngst vorgelegten „Bericht zur Lage der Natur“ von Bundesumweltministerium (BMU) und Bundesamt für Naturschutz (BfN) kann der Deutsche Grünlandverband nicht nachvollziehen. In einem Exklusivbeitrag für die Bauernzeitung kritisiert der Fachverband, dass weder differenziert auf die regional extrem unterschiedlichen Verhältnisse noch auf die Potenziale eingegangen werde. Stattdessen richte sich der Fokus ausschließlich auf die höchst intensive Grünlandwirtschaft, die jedoch nur in einzelnen Regionen der Republik stattfindet. Zudem mache das BfN einen ungebrochenen Trend im Artenrückgang auf dem artenreichen Grünland aus, ohne auch hier eine regionale Differenzierung vorzunehmen. Der Bericht hatte Ende Mai Proteste von Landwirten provoziert, was bis zu Rücktrittforderungen an die Bundesumweltministerin reichte.

Ohne Weidetiere dramatischer Artenverlust

Der Grünlandverband stellt klar, dass es in Deutschland Regionen gebe, die zu wenig Raufutterfresser haben, und solche mit einem zur Fläche passenden Tierbesatz. Allerdings fänden sich auch große Grünlandgebiete, in denen das Verhältnis zwischen nährstoffaufnehmender Fläche und Nutztierzahl unausgewogen sei. Aus Sicht des Deutschen Grünlandverbandes sei das EU-Erhaltungsgebot für das Grünland „nur mit ausreichend Raufutterfressern zu realisieren“. Die einzelnen Grünlandtypen lieferten stark voneinander abweichende Futterqualitäten. Um diese mit ihrer jeweils spezifischen Artenzusammensetzung zu erhalten bzw. wieder zu entwickeln, bräuchte man Milchrinder für das produktive Grünland, Mutterkühe und Pferde für das artenreiche Extensivgrünland sowie Schafe, Ziegen und die anderen kleinen Wiederkäuer für das Biotopgrünland. „So ließe sich das Grünland zielführend erhalten, die Artenvielfalt schützen und die Biomasse verwerten. Ohne ausreichend Raufutterfresser gibt es keinen Grünlanderhalt und einen dramatischen Artenverlust“, mahnt der Grünlandverband.

Niveau von vor 1950

So zeige etwa eine Langzeituntersuchung in Thüringen (landesweites Grünlandmonitoring seit 1998) mit bis zu 1.900 Praxisflächen, dass mit dem Zusammenbruch der Rinder- und Schafhaltung in den 1990er Jahren eine bemerkenswerte Anpassung der Pflanzenbestände an die Standort- und Bewirtschaftungsbedingungen stattgefunden habe (Abbildung 1). „Diese für Deutschland einzigartige, positive Entwicklung ist darauf zurückzuführen, dass die N-Düngung weit unter dem ernährungsphysiologischem Bedarf erfolgt, die Grunddüngung extrem vernachlässigt und das Grünland nur ein- bis zweimal jährlich genutzt worden ist. Das Niveau liegt heute unter dem der 1950er Jahre.“

Völlig ausgehagertes Biotop-Grünland

Pflanzenbestandsaufnahmen auf 1.124 Feldblöcken im Naturraum Thüringer Wald (27.500 ha Grünland, FFH-Flächen inklusive) im Rahmen eines BLE-Projektes (Optigreen) zeigten, „dass unter langjähriger Extensivierung auf Bergstandorten der Standorteinfluss hinsichtlich Artenreichtum und Vielfalt der Grünlandtypen stärker und differenzierender wieder hervortritt“ (Abbildung 2). Das artenreiche Extensivgrünland sei aufgrund der „besseren Erfüllung seiner Bewirtschaftungsansprüche artenreicher als das meist vorgabenbedingte, völlig ausgehagerte und viel zu spät genutzte Biotopgrünland“, so die Fakten.

Forschen und Beweidung fördern

Artenreiches Grünland im Thüringer Wald. (c) Elisabet Hochberg

Der Deutsche Grünlandverband fordert, dass dem fortschreitenden Artenverlust „in der gesamten Kulturlandschaft und nicht nur auf den FFH-/SPA-Flächen begegnet“ werden müsse. Dringend notwendig sei eine belastbare Ursachenanalyse über die gesamte Kulturlandschaft hinweg „mit ehrlicher Beurteilung der Zielkonflikte“. Die komplexen Ursachen des Artenverlustes im öffentlichen Raum (Versiegelung, Landnutzung, Landschaftspflege) erforderten ein gemeinsames Vorgehen, von der Kommune über die Straßendienste bis zum Bürger. Ohne Kenntnis der Anpassungsfähigkeit des Grünlandes sei eine zielführende Bewirtschaftung nachhaltig nicht möglich. Es bestehe daher dringender Forschungsbedarf! Anerkannt werden müsse, dass eine Übernutzung wie auch eine Unternutzung des Grünlandes zu massivem Artenverlust führten. Die „zielführende Grünlandbewirtschaftung mit Raufutterfressern ist wirtschaftlich nicht machbar und deshalb auf ausreichende Beihilfen angewiesen“. Der Grünlandverband appelliert: „Nur wenn alle Akteure an einem Strang ziehen, kann es gelingen!“ red

Der ausführliche Beitrag findet sich in der aktuellen Bauernzeitung 30/2020.