30 Jahre lang hat Klaus Hildebrandt in Brandenburg Zuckerrüben angebaut, doch damit ist jetzt Schluss. © Sabine Rübensaat

Zuckerrüben in Brandenburg: Rübe runter

Das Ende einer Ära: Klaus Hildebrandt aus Brandenburg, berichtet über seine Entscheidung, nach 30 Jahren den Zuckerrübenanbau zu beenden. Warum erklärt der ehemalige Praxispartner aus Brandenburg im Interview mit der Bauernzeitung.

Das Gespräch führte Heike Mildner

Seine ersten 400 Tonnen Zuckerrüben hat Klaus Hildebrandt noch selbst mit zwei HW 80 die elf Kilometer zur Zuckerfabrik Thöringswerder gefahren. Das war 1992. Für die soeben beendete Rübenkampagne in Könnern waren es 3.000 Tonnen, die vom Dienstleister mit Spezialtechnik verladen zum 260 Kilometer entfernten Verarbeitungsort transportiert wurden.

Dazwischen liegen 30 Jahre Erfahrung, nicht nur auf dem Acker, sondern auch in verschiedenen Gremien des Zuckerrübenanbauerverbandes. Bis heute ist er dort Sprecher des Anbauerverbandes 6 – Brandenburg. Doch statt diesen „Staffelstab“ weiterzugeben, passt hier eher das Bild vom Brautstrauß, der geworfen wird. Gefangen hat ihn bislang noch niemand.

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Zuckerrüben in Brandenburg: Interview mit Klaus Hildebrandt

Sie waren 2019/20 Brandenburger Praxispartner der Bauernzeitung. Daher weiß ich, dass Ihnen die Rüben für die Fruchtfolge so wichtig waren, dass Sie im Zweifel sogar mit einer schwarzen Null beim Betriebsergebnis zufrieden waren. Jetzt hören sie tatsächlich auf. Wann ist die Entscheidung gefallen?

In diesem Sommer, als die Rübenblätter wieder einmal gelb zu werden begannen: der Hinweis auf SBR, das Syndrom des niedrigen Zuckergehaltes. In dem Praxispartner-Jahr trat SBR bei uns zum ersten Mal auf. Wir haben seitdem so viel gemacht: engmaschige Zusammenarbeit mit dem Pflanzenschutzdienst, eigene Sortenversuche, Pflanzenstärkung – das hat auch im letzten Anbaujahr nicht geholfen.

Von der Ernte war ich enttäuscht, wusste da aber noch nicht, dass am Ende doch noch ein Durchschnittsertrag zustande kommen wird. Hinzu kommt: Auf der Höhe gab es bessere Erträge mit höherem Zuckergehalt als bei uns im Bruch und keine Probleme mit SBR. Die Schilfglasflügelzikade muss sich also im Kessel halten. Das ist nicht gerade motivierend. Ich habe Pfeifer und Langen darum gebeten, mich aus dem Vertrag für 2024, den ich schon abgeschlossen hatte, zu entbinden.

Zuckerrüben in Könnern
Klaus Hildebrandt inspiziert im Herbst 2019 seine Zuckerrüben. Da hatte er es im zweiten Anbaujahr mit den Folgen der Schilfglasflügelzikade zu tun. © Heike Mildner

Eine Entscheidung, die Ihnen vermutlich weh tut.
Für mich ist das so, wie wenn ein Betrieb mit der Viehhaltung aufhört. Als würden die Kühe vom Hof gehen: Man könnte zwar irgendwann zurück, aber, ob dann die Technik noch da ist, die Rodegemeinschaft wieder zustande kommt etc. ist doch sehr fraglich. Als Sprecher der Anbauregion hab ich ja versucht, bis zuletzt durchzuhalten. Aber bis es SBR-tolerante Sorten gibt, dauert es vielleicht noch zehn Jahre, so lange kann ich die Ertragsunsicherheit, vor allem durch SBR, nicht hinnehmen. In diesem Jahr kam noch Stolbur, ein Bakterium, das die Rüben faulen lässt, hinzu.

Zuckergehalt durch Zikade gesenkt

Auf wie viel Hektar hatten Sie Zuckerrüben stehen, wie lief die Saison bei Ihnen und in der Region?
Wir hatten im Betrieb 30 Hektar: späte Aussaat, trockener Mai. Im Sommer konnten die Pflanzen wegen der Niederschläge gut wachsen. Zweimal mussten wir die Schwarze Bohnenlaus bekämpfen, die Rübenmotte hielt sich durch den Regen auf niedrigem Niveau. Dann kam die Zikade. Zum Ende hin hatte ich 60 Tonnen je Hektar mit einem durchschnittlichen Zuckergehalt von 16,1. Der Durchschnitt in der Anbauregion lag bei 61 Tonnen bei einem Zuckergehalt von 15,9. Die Ernte war anspruchsvoll: Regen, die Frostphase Ende November. Da waren noch Rüben im Boden, die entsprechend geschädigt waren.

Was ist mit der Fruchtfolge?
Die anderen Kulturen werden die Lücke füllen. Dann haben wir nicht mehr sieben, sondern nur noch sechs.

Zuckerrüben in Brandenburg: Pokern um Transport-Kosten

Sind Sie der Einzige, der jetzt in dieser Region aufgegeben hat?
Ich weiß nicht, wie sich andere Betriebe entschieden haben. Aus unserem Anbaugebiet ist nach Quotenende 2017 die Liefermenge auf 60.000 Tonnen begrenzt. Die Rübe soll ja eher in Fabriknähe angebaut werden. Pfeifer & Langen wollte nach Quotenende einen harten Einschnitt in den entfernteren Regionen vermeiden. Aber der Trend zur Fabriknähe begann schon 2006 mit der ersten Transportkostenbeteiligung.

Die fabriknahen Betriebe zahlten 80 Cent pro Tonne, wir hier im Oderbruch 4,50 Euro. Das haben wir zurückverhandeln können. Aber klar ist: Die realen Transportkosten liegen jetzt bei 21 Euro je Tonne, die irgend jemand bezahlen muss. Der Transport spielt bei den Vertragsverhandlungen immer eine Rolle. Wir konnten uns einigen, waren und sind aber immer schlechter gestellt als die fabriknahen Anbauer.

Warum kam es 2006 überhaupt zu dieser Transportkostenbeteiligung?
Es ging damals noch um Quoten. Pfeiffer und Langen sollte eine Fabrik stilllegen und komplett recyceln, damit sie nirgend woanders mehr Rüben verarbeitet. Am Ende war es eine Fabrik im Rheinland, aber auch Könnern war da im Gespräch: eine 1992 neu gebaute Fabrik!

Die Verhandlung in Dahlem mit dem Anbauerverband war knallhart: Entweder Transportkostenbeteiligung – eben die 4,50 Euro im Oderbruch – oder Könnern steht insgesamt zur Disposition. Die Fabrik, in Modulbauweise errichtet, hätte leicht ab- und woanders wieder aufgebaut werden können. Damit zu drohen, gehörte zum Verhandlungsgebaren. Auf beiden Seiten wurde lange und hoch gepokert …

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Frage an die Politik: Welchen Stellenwert hat die Landwirtschaft in Brandenburg?

Die Marktmacht hat die Muskeln spielen lassen … Was folgt aus dem wirtschaftlichen Zentralisierungsprozess für Landwirte und Verarbeiter in Brandenburg?
Geringere wirtschaftliche Diversität, geringere Diversität in der Fruchtfolge, Rückgang von Know-how und Technik und eine geringere Wertschöpfung. Die Politik muss sich fragen lassen, wie sie mit den Landwirten und anderen Gewerken in dieser Zeit umgegangen ist. Das betrifft ja nicht nur die Zuckerrüben, sondern auch Schlachthöfe, Molkereien etc. Die Frage stellt sich: Welchen Stellenwert hatte und hat die Landwirtschaft in Brandenburg? Die Fürsorgepflicht, den Schwächsten in der Kette zu schützen, wird von der Politik nicht übernommen. Ich habe im Gegenteil das Gefühl, die Politik arbeitet gegen uns.

Womit wir bei den Protesten der letzten Wochen sind, aber bleiben wir beim Zucker …
Auch eine Zuckerfabrik braucht Planungssicherheit. Wenn die EU kommt und sagt: Die auf dem Weltmarkt tätigen Zuckerbauunternehmen haben erfolgreich geklagt, wir müssen die Rübenanbaumengen zurückfahren, dann muss nach langfristigen Lösungen gesucht werden. In Brasilien wird zum Beispiel, wenn der Weltmarktzuckerpreis nicht passt, Bioethanol hergestellt. Die fahren
E 100! Bei uns ist offenbar schon E5 und E10 ein Problem.

Anbauregion 6 – Wie geht es weiter?

Was sind Ihre letzten Amtshandlungen im Verband?
Als Vorsitzender der Laborkommission unterschreibe ich im April die sogenannte Hoftorbilanz. Bei der wird der Zuckergehalt in Melasse und Rübenschnitzeln vom reinen Zuckergehalt abgezogen. Dann danke ich ab – im wahrsten Wortsinn: Ich bedanke mich hiermit bei allen, mit denen ich in all den Jahren zusammengearbeitet habe.

Wer vertritt jetzt die Anbauregion 6 im Vorstand?
Da entsteht erstmal eine Lücke, das muss sich finden. Die drei Stunden Fahrt nach Könnern sind nicht nur für die Rüben eine lange Strecke.

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