Schwäne auf Rapsfeld c) Heike Mildner

Wildschäden: Mein lieber Schwan!

Milde Winter, wenig Feinde, von Landwirten unfreiwillig ernährt: Wildvögel vermehren sich vor allem in wasserreichen Regionen prächtig. Parallel wachsen auch die Schäden in den Kulturen. Wir haben mit einem betroffenen Landwirt nachgerechnet …

Von Heike Mildner

„Nun sei bedankt, mein lieber Schwan!“ sagt Wagners Lohengrin zum Schwan, der ihn im Boot übers Wasser gezogen hat. Und irgendwie wurde der Satz zum geflügelten Wort. Angesichts von Hunderten Schwänen auf Brandenburger Rapsfeldern kommt er einem in diesem „Winter“ häufiger in den Sinn. Allerdings mit einem bitteren Beigeschmack. Und sind es nicht die Schwäne, dann Kraniche oder Wildgänse. Was das Herz des Naturfreundes höher schlagen lässt, geht dem Landwirt ans Portemonnaie, denn er bleibt allein auf diesem speziellen Wildschaden sitzen.

Falkenhagen am Rande des Oderbruchs darf sich über sieben Seen freuen. Bei Hubert Werkmeister, Geschäftsführer der Agrarproduktion Falkenhagen GmbH ist die Freude geteilt. Auf 500 der insgesamt etwa 3.000 ha, deren Bewirtschaftung er verantwortet, ist Raps gedrillt worden. Nach der Trockenheit im Spätsommer sind die Bestände doch noch ganz gut in den Winter gekommen. Das freut allerdings auch große Gruppen von Höckerschwänen, denen sich einige Singschwäne zugesellt haben.

Schäden unübersehbar

Da die Autorin des Beitrags quasi vom Redaktionsbüro über einen der betroffenen Schläge schaut, hat sie sie fast täglich im Blick: 90 bis 120 Tiere sitzen dort und fressen von etwa zwei Stunden nach Sonnenaufgang bis zum Einbruch der Dunkelheit. Die Schäden sind unübersehbar.

Beim Abfahren der Bestände hat Werkmeister etwa 30 ha ausgemacht, die gerade nach und nach von den Schwänen abgefressen werden.

Ab und an bekommen sie Unterstützung durch Wildgänse und -enten. Und auch die Kraniche waren kaum fort in diesem Winter. Sollten die Wildvögel auch die jungen Rapstriebe abfressen, die vermutlich bald geschoben werden, könnte es zu größeren Ausfällen kommen. Bei 500 € pro Hektar wäre man bei 15.000 € Verlust – allein beim Raps.

Wildvögel habe es hier schon immer gegeben, sagt Werkmeister, der hier seit 15 Jahren in Falkenhagen tätig ist. Aber so viele wie in den vergangenen zwei Jahren waren es noch nie. Außerdem: Als es noch Schnee gab, konnte der den Kulturen noch etwas Schutz bieten. Der Raps übt offenbar eine magische Anziehungskraft auf die Schwäne aus. Er habe in Gewässernähe zur Ablenkung auch schon eine Zwischenfrucht mit Klee angeboten. Die Schwäne ließ das kalt und sie zogen zum Raps weiter.

Schäden am Raps.
Schäden am Raps. Hier sind die Schwäne durch. (c) Heike Mildner

Kraniche lieben Mais

Gehen die Wildgänse lieber an die zarten Halme der Wintergetreide, werden die Kraniche für den Mais gefährlich, wenn er gerade gelegt wurde. Sie gehen die Reihen ab und picken ihn Korn für Korn wieder heraus. Vor vier Jahren habe er 70 ha Mais nachdrillen müssen, im vergangenen Jahr seien es fünf Hektar gewesen, so Werkmeister. Das Nachdrillen koste ungefähr 120 €/ha – Kosten, die allein der Betrieb trage. Einen Entschädigungstopf – für Werkmeister der Idealfall – gebe es ebenso wenig wie eine Versicherung. Und als Wildschäden können die Wildvogelfolgen auch nicht geltend gemacht werden. „Die Höckerschwäne unterliegen nicht der Wildschadensersatzpflicht, denn diese gilt gemäß § 29 Abs. 1 des Bundesjagdgesetzes nur für Schalenwild, Wildkaninchen und Fasanen“, teilt die Obere Jagdbehörde der Bauernzeitung mit.

Dürfen darf der Jäger, nur wollen will er meist nicht

Dürfen darf der Jäger, nur wollen will er meist nicht: Höckerschwäne dürfen vom 1. November bis zum 20. Februar bejagt werden (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 2 des Bundesjagdgesetzes). Zwingen kann die Jäger dazu aber niemand. Und sich wegen eines Vogels, der kaum zu verwerten ist, öffentlicher Kritik auszusetzen, riskiert kaum ein Jäger. Im vergangenen Jagdjahr wurde laut Jagdstatistikauswertung in Brandenburg kein einziger Höckerschwan bejagt und erlegt. Das Verhältnis der Deutschen zu Schwänen ist eben vor allem romantisch (siehe Lohengrin) und nicht kulinarisch geprägt. Hinzu kommt die Verwechslungsgefahr: Es könnte sich auch um Sing- oder Zwergschwäne handeln. Und die unterliegen nicht dem Jagdrecht.

Kraniche auf dem Acker.
Kraniche auf dem Acker. (c) Heike Mildner

Vonseiten des Landwirtschaftsministeriums heißt es zu diesen speziellen Vögeln: „Sing- und Zwergschwäne dürfen von Ackerflächen, die von ihnen nur zur Nahrungssuche aufgesucht werden, vergrämt werden, um Schäden zu verhindern.“ Allerdings führt ständiges Vertreiben der Vögel zu einem höheren Energieverbrauch und damit einem erhöhten Nahrungsbedarf. Häufiges Vertreiben kann daher zu mehr statt weniger Schäden führen. „Außerdem führt der Koteintrag zu einer kostenlosen zusätzlichen Düngung der Felder“, schreibt das Landwirtschaftsministerium.

Fragwürdige Düngung

Hubert Werkmeister wird diese zusätzliche Düngung nicht erfreuen – egal von welchem Vogel. Teils sind diese Flächen als rotes Gebiet ausgewiesen. Der Faktor Vogelkot wird bei der Düngebilanz schwer zu vermitteln sein. Die Angelegenheit ist komplex. Dabei hat Werkmeister noch Glück mit seinen Höckerschwänen: Wären es Sing- oder Zwergschwäne, die „ganztägig auf Ackerflächen anwesend sind und dort auch nachts ruhen und schlafen“, gelte die betreffende Fläche als gesetzlich geschützte Ruhestätte, schreibt das Landwirtschaftsministerium. Nun sei bedankt, mein lieber Schwan.

Mit den Jagdpächtern in seinem Beritt hat Werkmeister schon gesprochen. Aber die betroffenen Rapsflächen liegen in Sichtweite der Bundesstraße – einsehbar und gefährlich, da wolle man besser nicht. Dafür hat der Agraringenieur Verständnis, was ihm aber nichts bringt. Im vergangenen Jahr habe es eine Veranstaltung des Landesbauernverbandes zum Thema Wildvögel auf Agrarflächen gegeben, so Werkmeister. Die Problematik sei bekannt, aber in der Öffentlichkeit dennoch kein Thema.