Nutzhanf anbauen: Pflanze mit Potenzial
Rund um Anbau, Ernte und Vermarktung von Hanf ging es bei einer Konferenz im MAFZ Erlebnispark in Paaren. Noch fristet die universell einsatzbare Faserpflanze ein Nischendasein. Doch das soll sich ändern.
Von Wolfgang Herklotz
Der Hanf an sich ist eine anspruchslose Pflanze, sofern man keine Ansprüche an sie hat! Ein humorvolles, wenngleich stark verkürztes Fazit, das Antonia Schlichter, Anbauleiterin der Felde Fibres GmbH, am Ende der Hanfkonferenz am 14. November im MAFZ Erlebnispark Paaren zog. „Politik trifft Nutzhanf“, so lautete das Motto der von der im niedersächsischen Dahlenburg ansässigen GmbH veranstalteten Tagung, an der neben Politikern, Beratern und Vertretern verschiedener Verbände auch Landwirte teilnahmen.
Ziel war es, Erfahrungen bei Anbau, Ernte und Vermarktung zu vermitteln und dazu beizutragen, dass der Hanf sein Nischendasein überwindet. Denn im Vorjahr wurde die Faserpflanze deutschlandweit auf gerade mal 7.000 ha angebaut. Dies hat nicht nur mit bürokratischen Hürden und mangelhaften Rahmenbedingungen, sondern auch mit vielen Bedenken auch bei den Praktikern selbst zu tun.
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Hanf: Betriebswirtschaftlich und ökologisch interessant
Dabei hat Hanf als Tiefwurzler/ Pfahlwurzler viele Vorzüge. Er ist äußerst resistent und wachstumsfreudig, muss nicht vor Insekten geschützt werden und lockert den Boden auf. Zudem trägt er überdurchschnittlich viel Organika ein und trägt dazu bei, die Nitratwerte im Boden zu reduzieren.
Hanf ist somit eine Kultur, die betriebswirtschaftlich wie ökologisch zu punkten vermag. Der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung ist allerdings nicht klar, wofür Hanf alles genutzt werden kann. Doch es gibt einiges zu beachten. Zunächst muss zwischen dem Sommerhanf als Hauptkultur und dem Winterhanf als Zwischen- oder Zweitfrucht unterschieden werden. Welche Herausforderungen speziell mit dem Sommerhanf verbunden sind, machte Christoph Röling-Müller deutlich. Er betreibt ein Agrar- und Serviceunternehmen in Niedersachsen, bietet Beratungs- und weitere Dienstleistungen an, so bei der mechanischen Unkrautregulierung und bei der Hanfernte, vom Mähen und Dreschen über das Wenden und Schwaden bis zum Pressen und Transport.
„Die Aussaat erfolgt ab Ende März, gedüngt wird nur verhalten und zwar teils organisch, teils mineralisch.“ Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sei tabu, geerntet werde ab Anfang August. Allerdings müsse sich der Landwirt auf eine schlechte Bestandsetablierung bei ungünstiger Witterung und auf Wildschäden einstellen, ebenso auf mindere Erträge bei einem verfehlten Erntebeginn. „Bei guter Kulturführung und optimalem Wetter sind aber Hektarerträge von bis zu zwölf Tonnen Stroh und bis zu 1,6 Tonnen Nüsse möglich“, betonte Röling-Müller.
Absatzwege sichern
Als Lösungsansätze für die Zukunft benannte er die Entwicklung von Anbauleitfäden und staatliche sowie private Versuche zu Sorten, Düngung und Anbauverfahren. Zugleich gelte es, Beratungsringe zu etablieren und sichere sowie rentable Absatzwege aufzubauen. Nicht zuletzt müssten „besorgte Bürger“ aufgeklärt werden, die hinter dem Hanfanbau schon mal die Produktion von Marihuana vermuteten.
Für Aufklärung der anderen Art sorgt das Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie e.V. (ATB) in Potsdam-Bornim, das neben grundlagenorientierten Arbeiten auch für eine angewandte Forschung steht. Eine Arbeitsgruppe beschäftigt sich hier speziell mit Naturfasertechnologien. Im Fokus stehen Rohstoff- und Materialeigenschaften und die Entwicklung von neuen Methoden sowie Geräten für das Qualitätsmanagement. „Ein wichtiges Anliegen ist es, die Verfahren zu vereinfachen, so bei der Strohaufbereitung und beim Reinigen der Schäben“, erklärte Dr. Hans-Jörg Gusovius.
Das Institut verfüge über entsprechende Labor- und Technikkapazitäten für die Aufbereitung von Faserpflanzen und die Analytik vom Rohstoff bis zu Produkten. Zugleich kooperiert das ATB mit weiteren Forschungseinrichtungen sowie Landwirtschafts- und Industrieunternehmen und betreut verschiedene Projekte sowie Graduierungsarbeiten von Studierenden und Doktoranden.
Besseres Umfeld nötig
Von einem regelrechten „Teufelskreis der Hanfökonomie“ sprach Buchautor Jonas Westphal. Als Beispiele dafür führte er die Einbettung von Nutzhanf in ein internationales Drogen-Kontroll-System und die damit verbundenen Auflagen an. Wegen hoher Kosten für Transport und Saatgut stehe nur eine finanziell geringe Rendite in Aussicht, Investoren und Banken übten Zurückhaltung, und auch der Forschungsstand lasse zu wünschen übrig. „Auf der anderen Seite hat Hanf aber ein großes Potenzial, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.“
So könne die Faserpflanze dazu beitragen, das Grundwasser und die Meere zu schützen, indem der Wasserverbrauch reduziert wird und ebenso der Stickstoffeintrag. Hanffasern seien recycelbar und CO2-neutral, sorgten als Dämmung für einen geringeren Energieverbrauch in Gebäuden. Gerade in der langfristigen CO2-Bindung liegt eine große Chance für ein nachhaltiges und regionales Bauen. Nicht zuletzt gibt es vielfältige Einsatzmöglichkeiten im Bereich der Medizin, Ernährung und Tierfütterung, so Westphal.
Um Faserhanf als nachhaltiges und wirtschaftliches Produkt zu fördern, ist die politische Unterstützung zur Förderung eines günstigeren regulatorischen Umfelds und die Unterstützung der Produktionskapazitäten und Infrastruktur unverzichtbar. „Notwendig sind zugleich Bildungsinitiativen, um eine wachsende Nachfrage und Akzeptanz von Faserhanfprodukten zu sichern.“
Für ein gesellschaftliches Umdenken sprach sich auch Martin Brassel von der Hanffaser Uckermark eG aus. Diese arbeitet eng mit Anbauern zusammen, sorgt für Saatgut und Beratung sowie Betreuung bei der Anbaumeldung von Sommerhanf. Das Zeitfenster zwischen der geforderten Blühmeldung und der Ernte sei sehr eng. „Wir empfehlen den Landwirten, schon die ersten Hanfblüten anzuzeigen, um noch einen Puffer für die ebenfalls erforderliche Erntefreigabe zu haben.“ Die Genossenschaft verarbeitet Hanfstroh, das auf 60 bis 100 cm Länge geschnitten, auf Schwad gelegt und dann der sogenannten Feldröste unterzogen wird. Daraus werden verschiedene Dämmstoffe hergestellt.
Nachhaltigkeit und Schutz für den Boden
Wie Brassel betonte, beschattet der Hanf in den Sommermonaten den Boden und schützt diesen vor Überhitzung und Austrocknung. „Somit ein wichtiger Beitrag auch zum lokalen Klima.“ Weitere Vorträge beschäftigten sich mit der Zukunft der deutschen Naturfaserindustrie sowie mit Hanfbaustoffen und der CO2-Bindung. Hervorgehoben wurde, dass die Zertifizierung von Kohlendioxid eine große Chance bietet, die Nachhaltigkeitsziele der EU noch zu übertreffen.
Über Winterhanf für die textile Nutzung und bürokratische Herausforderungen sprach Ulrik Schiötz, Geschäftsführer der Felde Fibres GmbH. Das vor zwölf Jahren gegründete Unternehmen stellt hochwertige, verspinnbare Textilfasern aus Brennnessel, Leinen und Hanf her. Im kommenden Jahr soll im Temnitzpark in Ostprignitz-Ruppin eine zweite Anlage in Betrieb gehen, die jährlich bis zu 20.000 t Hanfstroh zu 6.000 t Textilfasern verarbeitet.
Schiötz: „Wir suchen noch Landwirte, die den Hanf als Zwischen- beziehungsweise Zweitfrucht anbauen.“ Diese wird in der zweiten Julihälfte bis spätestens Anfang August ausgesät und ab Mitte Januar bis spätestens Mitte März geerntet. Das Stroh wird mit bis zu 300 €/t vergütet, durch Boni sind zusätzliche 60 €/t möglich.
Politik gefordert
Felde Fibres unterstützt die Landwirte nach eigenen Angaben nicht nur den gesamten Anbau über, sondern entschädigt sie auch bei Ernteausfällen. Als Grundlage für die Zusammenarbeit wird eine enge und vor allem langfristige Kooperation gewünscht. Die Hanfkonferenz gab nach Einschätzung des Veranstalters einen tiefen Einblick in die Branche, von der Wissenschaft über die praxisnahe technische Entwicklung bis hin zu Anbau, Ernte und Verarbeitung.
Aufgezeigt wurde die vielseitige Nutzbarkeit und die damit einhergehende Unabhängigkeit, die Deutschland mit dieser Pflanze erreichen kann, erklärte Antonia Schlichter. „Nun ist es an der Politik, die Weichen zu stellen, damit die Nische zu einem etablierten Markt wachsen kann.“ Es liege auch in der Hand der Landwirte, ihre Fruchtfolge zu er[1]weitern, um die Verarbeiter mit Rohstoffen zu versorgen. „Nur so kann ein Markt langfristig Bestand haben.“
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