Gong-Schläge für den Frieden: 87 Stunden Gedenken an Schlacht um die Seelower Höhen
Mit einer besonderen Erinnerung haben mehr als 200 Menschen der rund 45.000 Toten in der Schlacht um die Seelower Höhen in Brandenburg gedacht.
Vom Krugberg in Werbig bei Seelow schaut man auf das Oderbruch wie auf eine Miniaturlandschaft. Die Stille des Friedens nach der Schlacht um die Seelower Höhen ist hier auch in diesem Frühling, 80 Jahre danach, noch gegenwärtig.
Vom 16. April, um 3 Uhr in der Nacht, bis zum Abend des 19. April 1945 starben vor der Hügelkette, zu der der Krugberg gehört, in vier Tagen und Nächten 45.000 Menschen: Russen, Ukrainer, Polen, Deutsche. Die Idee der besonderen Gedenkveranstaltung in Seelow war, so lange, wie die Schlacht dauerte, einen Gong anzuschlagen – Tag und Nacht, 87 Stunden, eine akustische Kette aus Gongschlägen, ausgeführt von vielen verschiedenen Menschen, „die an das Grauen vor 80 Jahren erinnern und den Geist eines friedlichen Miteinanders in Europa stärken möchten“, wie es in der Einladung hieß.

Das Gong-Projekt: Die Vorbereitung
Im Vorfeld der Gedenkveranstaltung in Seelow meldeten sich so viele, um sich ihre Zeit am Gong zu reservieren, dass eine Umsetzung der Idee immer realer erschien. Einige boten sich an, mehr Verantwortung zu übernehmen, über längere Zeiträume dabeizusein. Peu à peu wurde die Umsetzung greifbar. Die Veranstaltungsanmeldung übernahm der Krugbergverein Werbig 1981, der eigentlich damit zu tun hatte, sein alljährliches Osterfeuer vorzubereiten. Der Verein stellte sogar ein Zelt auf und stellte seine Hütte auf dem Nachbarhügel zur Verfügung, um Tee kochen oder sich aufwärmen zu können.

Persönliche Geschichten und das Echo der Vergangenheit
Die erste Viertelstunde, am 16.4. ab 3 Uhr, schlägt Erika Stürmer-Alex den Gong. Sie ist eine Brandenburger Künstlerin, die als Kind das Kriegsende im Oderbruch erlebte. Ihr folgen in den nächsten Tagen etwa 200 Männer, Frauen und Kinder, die jeweils den Schlägel an den Nächsten weiterreichen. Jeder Gongschlag steht – je nach Intensität des Anschlags und Klangdauer – symbolisch für ein bis fünf in dieser Schlacht getötete Menschen.
Vögel singen, Bienen summen in den blühenden Bäumen, ansonsten ist es still. Viele verbinden mit dem Erinnern eine persönliche Geschichte. So wie die Familie aus Fürstenwalde, die mit vier Generationen auf den Krugberg kommt. Der Uropa der Jüngsten, heute 92, hat als Kind vom knapp 40 km entfernten Fürstenwalde aus den roten Himmel über Seelow gesehen.
Manche schreiben, was ihnen beim Gongschlagen durch den Kopf gegangen ist, hinterher in ein ausliegendes Buch. Einige müssen erst mal ein paar Schritte spazieren gehen. Manche fragen, ob sie noch einmal kommen können.
Nächtliches Gedenken: Stille auf den Seelower Höhen
In der nächtlichen Dunkelheit auf dem Krugberg zu sitzen und den Gong anzuschlagen, ist besonders intensiv. Jetzt sind die Zeitfenster größer, teilt man sich stundenweise die Nacht. Ein paar Hunde schlagen an, ansonsten ist es still, und man ist mit seinen Gedanken allein.
Die letzte Viertelstunde
Niemand der Akteure dieser Gedenkveranstaltung in Seelow bekommt Geld. Auch nicht der Profimusiker Hermann Naehring. Als Wehrdienstverweigerer ist es ihm eine Herzenssache, die Aktion am Freitag mit einer rhythmischen Intervention zu unterstützen. In der letzten Nacht kommt Regen auf. Die Landschaft hat ihn dringend nötig.
Die „Nachtschicht“ ist aus Berlin und Kolkwitz angereist. Der letzte Tag des Erinnerungsmarathons endet gegen Abend mit einer letzten Runde der fünf Frauen, die sich in diesen Tagen als der „harte Kern“ der Unternehmung entpuppt haben: Ute Bürger, Katrin Schwingel, Sabine Grauel, Dorothea Giese und Heike Mildner.

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