Bauern-Proteste: Gespräch mit Bundeskanzler Scholz unter acht Augen
Update 18.30 Uhr: Die Bauern-Proteste gegen die Streichung der Agrardiesel-Beihilfe gehen weiter. Am Donnerstag, 11.1., fanden sie einen Höhepunkt mit einer Kundgebung in Cottbus. Dort wurde auch Bundeskanzler Scholz erwartet. Am Ende traf er Bauernpräsident Henrik Wendorff. Das wurde besprochen.
Es war ein aufregender Tag für die Landwirte in Brandenburg. Kurzfristig hatten sie sich entschlossen, mit einer Kundgebung in Cottbus auf sich aufmerksam zu machen. Dort wurde am Donnerstag, 11.1. das neue ICE-Bahnwerk eröffnet.
Bauern-Proteste: Bundeskanzler Scholz wurde erwartet
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wurde zur Eröffnung des neuen ICE-Instandhaltungswerks erwartet. Begleitet wurde der Besuch von Protesten von Landwirten, die sich vor den Produktionshallen versammelt haben. Der Kanzler wurde mit Hupen und Trillerpfeifen begrüßt. Der Kreisverband Spree-Neiße des Bauernverbandes hatte zu der Protestkundgebung aufgerufen. Wie Vorstandsmitglied Bernd Starick dem rbb vorab mitteilte, waren 500 Fahrzeuge angemeldet, die die Zufahrt zum Bahnwerk blockieren sollten.
Bauern-Proteste: Pfiffe und Hupen begleiten den Bundeskanzler
Das ständige Hupen von Autos und Traktoren sei auch in den Hallen zu hören gewesen, in denen der Bundeskanzler mit den Mitarbeitern des Werkes ins Gespräch kam.
Nach Angaben der Bild-Zeitung hatte Scholz eine direkte Konfrontation mit den Landwirten abgelehnt.
Aber mit dem brandenburgischen Bauernpräsidenten Henrik Wendorff hat sich Scholz am Rande der Werkseröffnung getroffen. Wie der Bauernverband am Abend mitteilte, kam es zu einem Acht-Augen-Gespräch. In dem 45-minütigen Austausch, bei dem neben Henrik Wendorff auch der Ministerpräsident des Landes Brandenburg, Dietmar Woidke (SPD), sowie der Geschäftsführer des Berliner und Brandenburger Verkehrsgewerbes (LBBV), Eberhard Tief, zugegen gewesen sei, habe der Kanzler die Position der Bundesregierung hinter den geplanten Sparmaßnahmen erklärt.
Kanzler Scholz will nach Entlastungen für die Landwirtschaft suchen
Auf die Forderung der Landwirtinnen und Landwirte, nach der Korrektur bei der KFZ-Steuer für landwirtschaftliche und Forstfahrzeuge auch von der geplanten schrittweisen Abschaffung des vergünstigten Agrardiesels abzusehen, sei der Bundeskanzler zunächst nicht eingegangen, hieß es vom Bauernverband. Stattdessen habe er zugesichert, verstärkt nach Möglichkeiten wirksamer Entlastungen für die Landwirtschaft zu suchen.
Wendorff hätte im Gespräch deutlich machen können, dass der Berufsstand nach wie vor an der Rücknahme der Sparpläne beim Agrardiesel festhält und dass eine Lösung nur in tragfähigen Angeboten für eine zukunftsfeste Landwirtschaft auszumachen sei. Themen wie die Stilllegungspflicht von vier Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche oder die bürokratische und kostenintensive Doppelbelastung bei der Stoffstrombilanzierung lieferten gute Ausgangspunkte.
Woidke lädt Vertreter des Landesbauerverbandes zu Gespräch ein
Dies brauche jedoch eine nötige Vorlaufzeit, so Wendorff. Gleichzeitig müsse verstärkt in die Etablierung alternativer Antriebe und Kraftstoffe in der Landwirtschaft investiert werden. Dietmar Woidke hätte dies sofort aufgenommen und das Präsidium des Landesbauernverbands kurzfristig zu einer gemeinsamen Sitzung in die Staatskanzlei eingeladen, um aktuelle agrarpolitische Themen auch der Landesebene zu diskutieren.
Dietmar Woidke stellte sich den Bauern vor dem Werk. Er sagte, er sei überzeugt, dass die Kürzungen komplett zurückgezogen werden sollten, um einen Dialogbasis mit dem Berufsstand zu machen. Dafür bekam der Ministerpräsident viel Beifall.
„Die Bundesregierung muss ihren Kurs ihrer Agrarpolitik überdenken und anpassen“, erklärte Henrik Wendorff. „Dabei muss sie die Bauernverbände, die Landwirtinnen und Landwirte mitnehmen. Sie muss verlässlich werden, da Unsicherheit kein guter Berater für Innovationen ist. Einen Überraschungscoup wie im vergangenen Dezember darf es nicht wieder geben.“
Präsident des Bauernbundes Sachsen-Anhalt nennt Verhalten „taktlos“
Mit Unverständnis reagiert der Bauernbund Sachsen-Anhalt e.V. auf das Verhalten der Bundesregierung, die sich von den Protesten der Bäuerinnen und Bauern eher unbeeindruckt zeigt. Der Präsident des Bauernbundes Martin Dippe nennt es „taktlos“.
Es sei ein Affront gegen den gesamten Berufsstand, wenn ausgerechnet am ersten angekündigten bundesweiten Protesttag das Bundeskabinett grünes Licht für seine weiteren Sparvorhaben zur Entlastung des Bundeshaushaltes 2024 gibt. Dazu gehöre auch das Auslaufen der Steuerbegünstigung für Agrardiesel.
Deutsche Landwirte leiden unter Wettbewerbsnachteil
Abgesehen davon, dass das Vorgehen der politischen Akteure einem Affront gegen die gesamte Branche gleichkomme, ist eine sachliche Begründung für die Streichung beim Agrardiesel aufgrund des zunehmenden Wettbewerbsnachteils der deutschen Landwirte, fehlender Alternativen für die notwendige Prozessenergie in einer systemrelevanten Landwirtschaft sowie einer weitgehend zweckfremden Steuer schlichtweg nicht gegeben.
Zudem sei die aktuelle „Agrardieseldiskussion“ nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Für die gesamte Branche gehe es um noch sehr viel mehr: Kostenbelastungen, die im Laufe der Jahre enorm angestiegen sind und von den Bäuerinnen und Bauern nicht mehr weitergegeben bzw. aufgefangen werden können, haben in den letzten Jahren zu einer deutlichen Verschlechterung der Wirtschaftlichkeit der Betriebe geführt.
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