Illegale Preisabsprachen

Agravis zahlt hohes Bußgeld ans Kartellamt

Die Agravis-Zentrale in Münster mit dem Futtermittelwerk am Dortmund-Ems-Kanal. (c) Agravis/Hendrik Greskamp
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Händler von Pflanzenschutzmitteln sprachen in früheren Jahren Preise ab. Das war illegal, stellte das Bundeskartellamt nach vierjährigen Ermittlungen fest. Nach der Münchener BayWa akzeptiert jetzt auch Agravis eine zweistellige Millionenstrafe.

Von Ralf Stephan

Ob es illegale Preisabsprachen zwischen Groß- und Zwischenhändlern von Pflanzenschutzmitteln gab, untersucht das Bundeskartellamt seit dem Jahr 2015. Nach einer anonymen Anzeige gab es Hausdurchsuchungen und Vernehmungen. Betroffen sind mehr als Dutzend Unternehmen, darunter die Agravis Raiffeisen AG in Münster. Jetzt gibt es ein Ergebnis: Um das Verfahren zu beenden und eine langwierige gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden, werde man die von der Behörde verhängte Strafe akzeptieren, teilte das Unternehmen am Mittwoch mit.

Agravis verständigt sich auf „Settlement“ mit Kartellamt

Das Landhandelsunternehmen verständigte sich in einer „Settlement“ genannten Vereinbarung mit dem Kartellamt auf die Zahlung eines Bußgeldes in Höhe von 43,7 Mio. Euro. „Wir haben akzeptiert, dass nach Auffassung des Bundeskartellamtes gegen Wettbewerbsregeln verstoßen hat“, sagte Vorstandsvorsitzender Dr. Dirk Köckler einen Tag später vor Fachjournalisten in Münster. „Gleichzeitig konnten wir durch das Settlement aber weitere Nachteile vom Unternehmen abwenden, weil wir ein langwieriges Gerichtsverfahren, das über Jahre erhebliche finanzielle und personelle Ressourcen erfordert hätte, vermeiden.“


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Im Verfahren hat das Bundeskartellamt vor allem die sogenannte grüne Liste beanstandet. In dieser offiziell als „Produktliste Pflanzenschutz“ verbreiteten Aufstellung wurden seinerzeit für die jeweils aktuelle Saison Preisempfehlungen ausgesprochen, die Vertreter genossenschaftlicher wie auch privater Handelsunternehmen zuvor abgesprochen haben. „Das war damals in unserer Branche nicht ungewöhnlich, aber illegal“, räumt Köckler rückblickend ein. Daher könne man nun nicht einzelne Mitarbeiter in die Verantwortung nehmen, sondern müsse als Unternehmen dafür geradestehen.

„Grüne Liste“ war für jedermann offen zugänglich

Die Frage, ob dadurch Marktpartnern – also zum Beispiel Landwirten – beim Einkauf Schaden entstanden sei, verneinte Köckler. Würde das Kartellamt davon ausgehen, hätte es eine Gewinnabschöpfung angeordnet, sagte er. Das blieb jedoch aus. Die „grüne Liste“ sei für jedermann offen zugänglich gewesen und von der ganzen Branche sowie von Behörden als gemeinsames Informationsdokument genutzt worden. Landwirtschaftliche Fachzeitschriften hätten sie sogar veröffentlicht. „Auf dieser Basis wurden dann die tatsächlichen Verkaufspreise bei Pflanzenschutzmitteln direkt zwischen Käufer und Verkäufer verhandelt“, sagte der Agravis-Chef. „Allerdings sind nach den heute gültigen Auslegungen des Kartellrechts weder die darin früher enthaltenen Angaben zu Preisen noch Absprachen überhaupt nicht erlaubt. Diesen Regelverstoß haben wir in der rückblickenden Beurteilung der Sachlage erkannt.“

Die Höhe des Bußgeldes war angesichts der geringen Margen im Landhandel ein Schock, berichtete Köckler. Die Summe von knapp 44 Millionen Euro werde komplett in das Jahresergebnis 2019 einfließen. Nachdem im Jahr zuvor noch ein Gewinn von 30 Millionen Euro zu Buche stand, plante das Unternehmen für das abgeschlossenen Jahr mit einem Überschuss von zehn Millionen Euro. Das ist nun nicht mehr möglich. „Wir werden somit 2019 mit einem Verlust abschließen“, kündigte Köckler an. Die für allgemeine unternehmerische Risiken gebildeten Rücklagen würden die Strafzahlung zwar abpuffern, aber nicht völlig auffangen können. Die Aktionäre müssen in diesem Jahr auf eine Dividende verzichten.

Agravis erwartet positives Unternehmensergebnis 2020

Auf das laufende Wirtschaftsjahr erwartet Agravis keine Nachwirkungen. „Vorbehaltlich der üblichen unternehmerischen Risiken planen wir, Ende 2020 wieder ein Unternehmensergebnis von 30 Millionen Euro vor Steuern ausweisen zu können“, teilte Köckler mit. Auf die Aktie habe die Strafzahlung ebenso keine negativen Auswirkungen wie auf die Beschäftigten. Liquidität für die weitere Unternehmensentwicklung sei ebenfalls vorhanden. „Allerdings werden wir nicht wachsen um des Wachsens willen“, sagte Köckler. Im Fokus stehe, sich noch stärker auf sein Kerngeschäft zu konzentrieren. „Dabei setzen wir auf den Verbund mit den Primärgenossenschaften in unseren Kernregionen im Norden, Westen und Osten.“

Wenige Tage zuvor hatte auch die BayWa AG den Abschluss eines Settlements mit dem Bundeskartellamt bekanntgegeben. Der Münchener Agrarkonzern nahm ein Bußgeld in Höhe von 68,6 Millionen Euro an. Der Vorstand kündigte an, die zusätzliche Belastung werde durch Sondererträge aus Beteiligungsverkäufen vollständig ausgeglichen.

Auch gegen den Deutschen Raiffeisenverband (DRV) hat das Bundeskartellamt in diesem Zusammenhang ermittelt. Die Ermittlungen wurden jedoch ohne weitere Auflagen eingestellt, teilte der DRV am Freitag mit. „Damit sehen wir uns in unserer Auffassung bestätigt, dass Gremienarbeit ein wesentlicher Bestandteil der Verbandsarbeit ist. Das betrifft auch den allgemeinen Austausch über die Analyse von Marktdaten aus der Vergangenheit“, erklärte Hauptgeschäftsführer Dr. Henning Ehlers dazu.