Präsident des Landesbauernverbandes Brandenburg, Henrik Wendorff. (c) IMAGO/Photothek

Henrik Wendorff im Interview: Geduld und Lagerplatz

Die schwierigen Erntebedingungen haben auch den Ökosektor getroffen. Im Interview erklärt Henrik Wendorff, wie er mit den Bedingungen umgeht und was er umstellungswilligen Betrieben in der aktuellen Situation rät.

Das Gespräch führte Erik Pilgermann

Herr Wendorff, dieses Jahr hat gezeigt, wie wichtig die Halm-und Fallzahlstabilität sind. Vielerorts wurden erntereife Bestände von Unkraut überwachsen. Zusätzlich fanden Schadpilze perfekte Bedingungen vor. Können Sie abschätzen, welchen Einfluss das auf die inländische Bioware hat?

Derzeit sind meine Berufskollegen damit beschäftigt, in ihren Lagerhallen zu sortieren und zu erfassen. Das ist in diesem Jahr aber besonders komplex. Lagerhalter wissen aus Erfahrung genau, dass die Qualitätsbestimmung nach der Ernte nicht mit dem identisch ist, was im nächsten Dreivierteljahr während der Einlagerung passiert.

Besonders ist in diesem Jahr die Tatsache, dass die Betriebe, die bei der Sortenwahl neben dem Ertrag auf ein ausgewogenes Spektrum aus Qualität, Resistenzen und Robustheit gesetzt haben, augenscheinlich besser mit den widrigen Erntebedingungen zurechtgekommen sind.

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Henrik Wendorff im Interview

Wie sahen die Erträge und Qualitäten in Ihrem Betrieb aus? Konnten Sie alles beernten?

Henrik Wendorffist Ökolandwirt
Henrik Wendorff ist Ökolandwirt und Präsident des LBV Brandenburg. (c) Erik Pilgermann

Wenn ich den ersten, trockenen Teil der Ernte betrachte, war es eine durchschnittliche Ernte. Der zweite Teil hat in der Summe den Ertrag abfallen lassen. Besonders bei den Sommerkulturen hat der Unkrautbesatz mit jedem feuchten Sommertag zugenommen und zu starken Beeinträchtigungen beim Dreschen geführt. Bei der einen oder anderen Partie aus dem zweiten Teil der Ernte habe ich noch etwas Hoffnung, dass trotzdem Backqualitäten erreicht werden.

Bei den Körnerleguminosen konnten wir nur einen Teil unserer Fläche vollständig beernten. Dass es schwierig werden könnte, war klar, aber dass es so schlimm wird, hat uns überrascht.

Schlussendlich sind wir aber froh, dass die Ernte vorbei ist und die Ware im Lager liegt. Lagern zu können, ist für uns eine Grundvoraussetzung. Wir können Besatz rausreinigen und lager- und handelsfähige Ware erzeugen, die wir über einen Zeitraum von manchmal bis zu zwölf Monate an überregionale Händler vermarkten.

Bio-Getreide: Lagerbestände sorgen für schlechte Preise

Das viele Futtergetreide hat im konventionellen Sektor dazu geführt, dass die Preise für Futterware sanken und gleichzeitig die Preise für Qualitätsware stiegen. Warum hat das im Biosektor so nicht stattgefunden?

Dass wir aktuell die genauen Auswirkungen der geernteten Partien und Qualitäten noch nicht ganz spüren, hängt damit zusammen, dass in den Lagern noch Überschüsse aus der Ernte 2022 liegen. Erfahrungsgemäß gewinnen die Diskussionen um die Abfuhr aus der Ernte 2023 erst rund um Weihnachten richtig an Fahrt. Bis dahin sind die Mühlen in der Regel mit Ware abgedeckt.

Natürlich sucht der Handel schon jetzt nach Qualitätspartien, denn die könnten knapp werden. So paradox es klingt, hat die geringere Ernte 2023 zu einer Entspannung der vollen Lager beigetragen. Die Erträge waren besonders bei den Sommerkulturen so unterdurchschnittlich, dass ich hier sogar noch von einem Anziehen der Preise ausgehe.

Es wird viel über Erträge und Qualitäten geredet. In der Folge ist aber auch die Saatgutsituation zumindest angespannt. Wie sieht es bei Ökosaatgut aus? Sind ausreichende und bezahlbare Mengen verfügbar?

Bei der einen oder anderen Sorte der Winterkulturen wird es vielleicht Engpässe geben. Hier muss man überlegen, ob man auf andere Sorten umschwenken kann. Die eingeschränkte Verfügbarkeit ist aber nicht völlig unlösbar. Die meisten Probleme werden im kommenden Frühjahr auftreten, wenn es um die Anerkennung der Partien der Sommersaaten geht, weil die im Ökobereich schon beim Konsumgetreide knapp sind. Dies wird sich auch beim Saatgut widerspiegeln.

2023 macht deutlich, bei der Auswahl der Kriterien der einzelnen Sorten und der Stärke und Schwächen auf einen ausgewogenen Durchschnitt zu achten. Man sollte eine mittelfristige Strategie bei der Sortenwahl auch über das Jahr 23 hinaus fahren. Außerdem sollte man zeitig reagieren. Wir werden als Betrieb versuchen, eine gute Mischung aus Z-Saatgut und eigenem Nachbau zu finden.

Umstieg auf Öko-Anbau: Alle Parameter bedenken

Die Biobranche ist unter Druck. Warum wird vonseiten großer Anbauverbände trotzdem gefordert, den Anteil der Bioproduktion weiter auszubauen?

Man darf die Förderung des Ökolandbaus nicht losgelöst von der Marktentwicklung sehen. Angebot und Nachfrage müssen beide im Auge behalten werden. Die letzten zwei Jahre haben gezeigt, dass sich mancher Konsument vom Biomarkt wegorientiert oder innerhalb des Biomarktes in Richtung Discounter umorientiert hat.

Das Geld ist knapp und die Überhitzung des Biomarktes muss sorgfältig beobachtet werden. Wir setzten auf mehr Gespräche zwischen Handel und uns Produzenten. Wichtiger sind für uns zeitige Kontrakte. In der letzten Zeit sind uns da einige Regeln abhandengekommen. Klar schaut nicht jeder auf Kontinuität und Verlässlichkeit, wenn die Wachstumszahlen gut sind, sondern will teilhaben am Wachstum.

Spätestens jetzt ist aber der Punkt erreicht, wieder Kontinuität in Vertragsbeziehungen zu erreichen. Wir brauchen einen stabilen Markt, sodass sich auch Ökobetriebe daran entwickeln können.

Mit mehr als zwei Jahrzehnten Erfahrung als Biolandwirt und angesichts der aktuellen Entwicklungen rund um den Agrarsektor: Was empfehlen Sie interessierten Betrieben? Sollten sie in dieser Phase umstellen?

Die Entscheidung, in den Ökolandbau einzusteigen, trifft man nicht von heut auf morgen. Dazu sollte man vorbereitet sein und zum Beispiel notwendige Investitionen benennen. Decken sich eigene Erwartungen mit der Realität? Entscheidend ist, dass sich Anbaumethoden ändern werden.

Besitze ich dafür die nötigen Betriebsmittel und ausreichend Personal? Sind Flächen sicher gebunden, um über fünf Jahre eine Ökoförderung zu erhalten? Der Ökomarkt hat Potenzial, aber man muss sehr viele Parameter bedenken.

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