Wölfe in Ostdeutschland: Der Streit im Umgang mit dem Wolf geht weiter.(c) IMAGO / Sylvio Dittrich

Bundeszentrum Weidetiere und Wolf: Anzeichen für Scheitern mehren sich

Der Streit im Umgang mit dem Wolf geht weiter. Auch wenn der Abschuss von Wölfen künftig leichter gehen soll, haben gleich mehrere Verbände die Zusammenarbeit mit dem Weidetier-Wolf-Zentrum aufgekündigt. Das kommentiert Ralf Stephan.

Von Ralf Stephan

Der Kragen geplatzt ist jetzt den Verbänden der Landnutzer beim Thema Wolf. Wieder einmal, muss man angesichts ihrer immer wieder vorgetragenen Kritik an der politischen Geringschätzung ihrer Interessen sagen. Jetzt ziehen sie tatsächlich Konsequenzen: Bauernverband, Landesschafzuchtverbände, Deutscher Jagdverband, Reiterliche Vereinigung, der Bundesverband Rind und Schwein, die Wildtierhalter und die Ziegenzüchter beenden die Zusammenarbeit mit dem Bundeszentrum für Weidetiere und Wolf (BZWW). Sie begründen den Schritt damit, dass die im Frühjahr 2021 eingerichtete Plattform von Anfang nicht ihrem Auftrag gerecht geworden sei, den Konflikt zwischen Weidetierhaltung und Wolf zu entschärfen.

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Wölfe in Ostdeutschland: Weidetier-Wolf-Zentrum Eklat

Ahnungslos gibt sich das Bundeslandwirtschaftsministerium. Dort ist man der Überzeugung, dass die Arbeit des BZWW „bislang gut angenommen und umgesetzt worden“ sei, wie es in der offiziellen Reaktion auf die Kündigung hieß. Wird möglicherweise im Hause Özdemir die Eingangspost nicht gründlich gelesen? Denn die beteiligten Weidetierhalterverbände hatten dem Minister ihre Kritik schon vor über einem Jahr schriftlich mitgeteilt und ihre weitere Mitarbeit infrage gestellt. Das BMEL weicht aus und behauptet, das geforderte Bestandsmanagement sei grundsätzlich unvereinbar mit der europäischen Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH). Es könne daher gar nicht Gegenstand der BZWW-Arbeit sein.

Umgang mit dem Wolf: Viele Fragen offen

Auf ihrer Webseite zählt die Plattform „die Herangehensweisen zum Umgang mit dem Wolf, die in anderen EU-Mitgliedsstaaten angewendet werden“ jedoch ausdrücklich zu ihren Diskussionsthemen – was nebenbei belegt, dass diese angebliche Unvereinbarkeit mit der FFH-Richtlinie nicht in allen Mitgliedstaaten so gesehen wird. Abgesehen davon ließ das BZWW aber auch eine ganze Reihe anderer wichtiger Themen liegen, die noch vor einem Bestandsmanagement zu regeln wären. So hatten die Verbände darauf gedrängt, die Rissbegutachtungsverfahren zu harmonisieren und nicht zäunbare Gebiete mit hohem Grünlandanteil und hoher Weidetierdichte festzulegen. Beides blieb ohne konkretes Ergebnis.

Umgang mit Wölfen: Zu viel Bürokratie bei Regeln

Darauf aber geht das Ministerium nicht ein, findet stattdessen salbungsvolle Worte. Man setze „auf Kommunikation statt auf Konfrontation und sehe auch in Zukunft einer konstruktiven und lösungsorientierten Zusammenarbeit mit den Weidetierhaltern entgegen“. Reden ist das neue Handeln – an diesem Grundsatz scheint das BMEL festhalten und damit das Schicksal der Weidetierhaltung weiter dem Bundesumweltministerium nebst dessen Behörden überlassen zu wollen. Die jetzt von der Umweltministerkonferenz bestätigten Möglichkeiten der erleichterten Entnahme werden trotz anderslautenden Bekundungen die Weiden kaum sicherer machen. Dafür sind die Regeln immer noch zu bürokratisch und verkopft. Das Leben da draußen ist so anders, dass politische Kosmetik nicht mehr hilft.

Protest zu Politik zum Wolf

Wenn aus Protest gegen die Wolfspolitik in diesem Land wieder ein Wolfsberater zurücktritt, dann ist das kaum noch eine Meldung wert. Wenn aber – wie im niedersächsischen Rotenburg – Vorstände des Grünen-Kreisverbandes ihr vollstes Verständnis für den Schritt ausdrücken und sich der Kritik anschließen, dann sollte das aufhorchen lassen. Die Anzeichen dafür, dass diese Politik immer mehr den Rückhalt verliert, könnten kaum deutlicher sein.

Hintergrund zum Kommentar

Die Umweltminister der Länder haben die Vorschläge von Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) für eine unbürokratische Entnahme von Problemwölfen am Freitag, 1. Dezember, einstimmig angenommen. Laut den von Lemke im Oktober vorgelegten Vorschlägen dürfen Wölfe, die Weidetiere gerissen haben, innerhalb von 21 Tagen ohne genetischen Nachweis im Umfeld von 1 Kilometer um die betroffene Weide geschossen werden. Dabei kann es sich auch um den ersten Übergriff des Wolfs auf Nutztiere handeln.

Zuvor hatten acht Verbände mitgeteilt, dass sie künftig nicht mehr mit dem Bundeszentrum für Weidetiere und Wolf (BZWW) zusammenarbeiten wollen. Wie der Deutsche Bauernverband (DBV) mitteilte, wird das Bündnis aus Landwirtschafts-, Jagd- und Weidetierhalterverbänden die Mitarbeit im Gremium einstellen. Den Angaben zufolge haben die Verbände die Staatssekretäre im Bundeslandwirtschafts- und im Bundesumweltministerium, Silvia Bender und Stefan Tidow, in einem gemeinsamen Brief über ihre Entscheidung informiert. Die Verbände werfen der Bundesregierung vor, sie habe nicht auf ihre Kritik an der Arbeit des Bundeszentrums reagiert.

Kommentar aus der Ausgabe 49/2023

Ausgabe 49/23
Bauernzeitung 49_2023

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