Die Redaktionskonferenz, auf der einmal im Monat mit allen neue Themen geplant und erschienene Ausgaben der Blattkritik unterzogen wurden, gibt es in dieser Form derzeit nicht. Sie findet in Coronazeiten als Videokonferenz statt – aber dafür nun wöchentlich. Im Bild (v. l.): David Benzin, Karsten Bär, Heike Mildner, Ralf Stephan, Jörg Möbius, Monika Stohf, Bettina Karl, Frank Hartmann, Detlef Finger, Hilmar Baumgarten, Klaus Meyer, Ute Janke, Bärbel Arlt. An diesem Tag nicht dabei: Christoph Feyer und Gerd Rinas. (c) Sabine Rübensaat

60 Jahre Bauernzeitung: Ihr Ratgeber und Wegbegleiter

Halb und halb, aber immer ganz bei ihren Lesern: Vor 60 Jahren erschien die erste Bauernzeitung. Gemeinsam blicken wir auf zweimal drei sehr unterschiedliche Jahrzehnte zurück.

Von Ralf Stephan

Dieser runde Geburtstag ist für die Bauernzeitung ein besonderer: Die 60 Jahre, die seit dem erstmaligen Erscheinen am 4. November 1960 vergingen, erlebte sie in zwei sehr unterschiedlichen Hälften – jeweils 30 Jahre in zwei Gesellschaftssystemen, in zwei Staaten, unter jeweils extrem verschiedenen Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft wie für Journalisten.

Um sich damit zurechtzufinden, braucht es Halt. Und den gab sich die Redaktion mit einem sehr einleuchtenden Grundsatz: „Die Bauernzeitung gehört ihren Leserinnen und Lesern!“ Dieses Credo beanwortete viele Fragen, gerade in den stürmischem ersten Jahren nach 1989. Wie damals viele auf den Dörfern, fragte sich die Redaktion: Wie soll es weitergehen?

Umbruch mit dem mauerfall

Auch ihre Antwort fiel ähnlich aus. Wie auf dem Land kam bei uns der Umbruch mit dem Mauerfall in Gang. Warten auf weitere Weisungen von oben? Oder auf jene, die vielleicht bald dort sitzen werden? Weder das eine noch das andere konnte oder wollte man. Und legte los. Mit Ausgabe 49 ihres 30. Jahrgangs erklärte sich die „Neue Deutsche Bauernzeitung“ für unabhängig von ihrem bisherigen Herausgeber, dem SED-Zentralkomitee. „Die einzige Bindung, die wir verstärken wollen, ist die an unsere Leserschaft“, wandte sich die Zeitung auf Seite eins an ihre Bezieher. „Ihre Interessen, Sorgen und Nöte, Ihr Bedürfnis nach gediegener fachlicher Information, Rechtsauskunft und niveauvoller Unterhaltung werden mehr als bisher das Profil der Zeitung prägen.“ Ein wenig bange war uns dennoch, wie man auf der Titelseite erkennt: „Schafe finden immer Futter“ – mit dieser unumstößlichen Erkenntnis aus der Praxis sprachen wir uns Mut zu.

Nicht alles, so ehrlich muss man sein, konnten wir eins zu eins einlösen. Die Rechtsauskunft, bis dahin fast 30 Jahre lang eines unserer gefragtesten Angebote, ist Zeitungen nach bundesdeutschem Recht untersagt. Was für Unternehmer und Privatleute auf dem Land juristisch wichtig ist, vermitteln wir aber weiterhin, wenn auch auf weniger direktem Weg mit unseren Beiträgen in eigener Rubrik. Die Unabhängigkeitserklärung war die erste in den DDR-Medien. Die „Thüringer Allgemeine“ vollzog den Schritt ein Vierteljahr später im Februar 1990 und nimmt in Anspruch, damit die erste Zeitung gewesen zu sein. Auch das ist richtig. Denn obwohl die Bauernzeitung das Wort im Namen trägt, ist sie keine (täglich erscheinende) Zeitung, sondern gehört der Gattung der Zeitschriften an – ein Unterschied, der mit den redaktionellen Angeboten im Internet zunehmend verschwimmt.

Dieses klare Layout setzte in puncto Modernität damals Maßstäbe für Fachzeitschriften im Agrarbereich (2009).
Dieses klare Layout setzte in puncto Modernität damals Maßstäbe für Fachzeitschriften im Agrarbereich (2009).

Tradition geht viel weiter zurück

Obwohl die Bauernzeitung in diesen Tagen ihren 60. Geburtstag begeht, reicht ihre Tradition viel weiter zurück. Vor zehn Jahren, zum „50.“, gingen wir der Sache genauer nach: 1883 gab es schon einmal eine „Deutsche BauernZeitung“. Sie war das Vereinsblatt des Allgemeinen Deutschen Bauern-Vereins“. Unsere Geschichte aber begann mit dem Beschluss der SED-Führung, das für DDR-Verhältnisse fast schon vielfältige Informationsangebot für Bauern zentraler zu fassen. Mit dem Erscheinen der „Neuen Deutschen Bauernzeitung“ – meist als DBZ abgekürzt – stellten gleich drei Titel ihr Erscheinen ein: „Die Landjugend“ und „Der Genossenschaftsbauer“ warteten ohnehin noch immer auf ihren Durchbruch, und „Der Freie Bauer“ verlor mit dem Fortschreiten der Vergenossenschaftlichung seine Zielgruppe.

Dass die „DBZ“ das Ende des freien Bauern in der DDR mit sich brachte, war ein redaktionsinternes Witzchen, im Grunde aber zugleich Ansporn und sogar offizieller Auftrag. Schließlich ging es darum, einen möglichst großen Teil der gesamten Landbevölkerung zu erreichen.

Was dank eines durchdachten, aufwendigen Redaktionskonzeptes durchaus gelang. 1988 umfasste die Redaktion etwa 35 Redakteure und fast 30 technische Mitarbeiter, die jede Woche 32 Seiten im halben Prawda-Format – also ziemlich groß – produzierten. Vor allem ging es darum darzustellen, was sich die Kollektive in den LPG und VEG alles einfallen lassen mussten, um trotz fehlender materiell-technischer Basis den Plan möglichst überzuerfüllen. Die Gründe für die Schwierigkeiten durften dabei nicht analysiert werden, trotzdem sollten sich die Beiträge flüssig und überzeugend lesen. Somit bestand die journalistische Herausforderung weniger in tiefgründiger Recherche als im geschickten Formulieren.

Aus erkennbaren Gründen nicht auf dem großen Bild, sondern wie gewohnt hinter der Kamera: Sabine Rübensaat, seit 1994 Bildredakteurin.
Aus erkennbaren Gründen nicht auf dem großen Bild, sondern wie gewohnt hinter der Kamera: Sabine Rübensaat, seit 1994 Bildredakteurin.

Viel Nützliches fanden Nutzer eines damals nur mit Wartezeit erhältlichen Abonnements im Dorf und-Familie-Teil. Ob Kleintierhaltung, Tipps zum Gemüseanbau im eigenen Garten oder Hinweise, wie sich die Unterbrecher an der Trabi-Zündung zu Hause in der Garage selbst einstellen lassen – als Ratgeber im oft mühsamen Alltag findiger DDR-Bürger hatte sich die „DBZette“ einen festen Platz erobert. Mehr als 220.000 Abonnenten zählte sie Ende 1989. Und es hätten mehr sein können, wäre nicht selbst für ein Blatt der allmächtigen Partei das Druckpapier kontingentiert gewesen.

landwirtschaftliches Wochenblatt für die neuen Bundesländer

Zum Geburtstag wünschen wir uns, was Sie sich wünschen – warum nicht auch das?
Zum Geburtstag wünschen wir uns, was Sie sich wünschen – warum nicht auch das?

In den Wendewirren kämpfte die Chefredaktion gegen Pläne, das Blatt nach dem Ende der SED-Herausgeberschaft nun der Bauernorganisation VdgB zuzuschlagen. Dort wäre es vermutlich auf Nimmerwiedersehen im beschlagnahmten Vermögen von Parteien und Massenorganisationen verschwunden. So aber gelang der Wechsel zum Deutschen Bauernverlag, der – inzwischen vom VEB zur GmbH gewandelt – von der Treuhand verwaltet wird, Druckpapier und Beschäftigte bezahlt und in Computer investiert. 1991 erfolgte die Privatisierung, ein Konsortium aus vier Agrarverlagen aus Münster, München, Hannover und Oldenburg übernahm den Bauernverlag.

Die Bauernzeitung bekam ihren heutigen Namen, auch die internen Auseinandersetzungen um ihr künftiges Profil sind beendet: Sie wird das landwirtschaftliche Wochenblatt für die neuen Bundesländer. Obwohl sich nun auch ihr Format an westdeutsche Wochenblätter anlehnt, unterscheidet sich das Konzept deutlich: Die Bauernzeitung wird eine regionale Fachzeitschrift nicht nur für ein, sondern für fünf Bundesländer, wo wir Landesredaktionen einrichten. Es ist die Region mit der sich am dynamischsten entwickelnden Landwirtschaft Europas. Ein guter Grund, trotz vieler Sorgen, die wir spüren, zuversichtlich auf die nächsten Jahre zu blicken. Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, von Herzen Dank für Ihre Treue!


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