Initialzündung für einen Neuanfang?

Die Landwirte haben sich in den vergangenen Wochen Gehör verschafft. Der Druck war enorm, die Begeisterung auf den Demonstrationen mit Händen greifbar. Diese Energie sollte die Branche nutzen.

Ein Kommentar von Detlef Finger

Die Ereignisse der letzten Wochen haben gezeigt, dass Bauern etwas bewegen können, wenn sie zusammenstehen. Ob stiller Protest mittels grüner Kreuze auf ihren Feldern oder machtvolle Demons­trationen mit Traktoren – die Landwirte haben sich Gehör verschafft, ihre Existenzängste öffentlich gemacht und zugleich Gesprächsbereitschaft signalisiert. Der Druck war enorm, der Frust musste raus. Das Agrarpaket wurde zur Initialzündung für ihr Aufbegehren. Das Echo in Politik, Medien und Gesellschaft war fast durchweg positiv. Konkret erreicht ist aber noch nichts.

Gefühl der Gemeinsamkeit

Detlef Finger, Landesredakteur Sachsen-Anhalt
Detlef Finger, Landesredakteur Sachsen-Anhalt (c) Sabine Rübensaat

Neu ist, dass sich die gemeinsamen Kampagnen von unten, von der Basis her, entwickelten. Möglich machen das die sozialen Netzwerke. Wohl kein berufsständischer Verband hätte es vermocht, binnen kürzester Zeit derart kraftvolle Aktionen zu organisieren und so viele Mitstreiter zu mobilisieren. Die Begeisterung der teilnehmenden Landwirte war mit Händen greifbar. Seit langer Zeit erlebten sie wieder das positive Gefühl der Gemeinsamkeit, Gänsehaut pur eben. So etwas schweißt zusammen.

Dies sollte aber nicht dazu verleiten, zu glauben, dass der Berufsstand in Zukunft ohne seine etablierten Verbände und deren Fachleute auskommen kann. Diese beackern im Alltag eine Vielzahl von Themen für ihre Mitglieder. Davon profitieren auch nicht organisierte Berufskollegen. Zudem sind die Verbände Dienstleister, etwa in sozialen Fragen, bei Steuern, Versicherungen oder Rechtsberatungen.

Erlaubt sein muss aber die Frage, ob es angesichts von immer weniger Betrieben und Beschäftigten im Agrarsektor derart vieler Interessenvertretungen bedarf oder ob nicht eine Bündelung der Kräfte sinnvoller wäre – trotz gewachsener Spezialisierung. So gibt es neben den auf politischer Ebene agierenden Organisationen Wirtschafts-, Zucht- und Fachverbände für praktisch jede Nutztierart, ebenso Zusammenschlüsse für nahezu alle Acker-, Sonder- und Dauerkulturen. Selbst einzelne Rechts- oder Betriebsformen wie Genossenschaften, Nebenerwerbslandwirte oder Milchviehhalter haben spezielle Vertretungen. Und nicht zuletzt leistet sich der Ökolandbau allein gut ein Dutzend Verbünde.

Neue Wege der Kommunikation

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Darum sind wir hier: Niklas Probst und Heiko Terno 

Den Generationenwechsel auf den Höfen und zunehmend auch in den Ehrenämtern vor Augen, sollte darüber hinaus hinterfragt werden, ob die klassischen Wege der Kommunikation mit den Mitgliedern noch zeitgemäß sind. Die Basis will angehört, einbezogen und mitgenommen werden. Das haben die jüngsten Proteste ganz deutlich gezeigt. Die sozialen Medien mit ihren enormen Reichweitenpotenzialen bieten hierfür neue Möglichkeiten, die genutzt werden sollten. Um meinungsbildend wirken zu können und politisch erfolgreich zu sein, bedarf es mehr denn je funktionierender Netzwerke.

Die Landwirtschaft ist gerade dabei, in einem Meer immer neuer Anforderungen zu versinken und zunehmend zum Spielfeld von Politik, Nichtregierungsorganisa­tionen und gesellschaftlichen Strömungen zu werden. Will die Branche dem begegnen, muss sie sich schnellstens aktiv in die Debatten über die Zukunft der Agrarwirtschaft einbringen. Dazu gehört es, sich den Fragen der Zeit zu stellen, diese an der Basis intensiv zu diskutieren, um hiernach eigene Vorschläge zur Lösung bestehender Probleme anzubieten. Von immenser Bedeutung wird dabei sein, Zusammenhalt zu leben, mit einer Sprache zu sprechen und Gemeinsamkeiten herauszustellen, statt Einzelinteressen zu betonen oder innerhalb des eigenen Berufsstandes sogar Zwietracht zu säen.