Das Aktionsprogramm Insektenschutz präsentierten die Ministerinnen Klöckner (l.) und Schulze im November 2019 gemeinsam vor der Bundespressekonferenz. Doch es gibt Differenzen. (c) Imago Images/Metodi Popow

Einig in keinem Punkt

Wer Pflanzenschutzmittel einsetzt, soll zusätzliche Schutzmaßnahmen umsetzen, will das Bundesumweltministerium. Das ist Unrecht, urteilte ein Gericht. Dagegen sollte die Agrarministerin Widerspruch einlegen.

Die Schlappe war deutlich:  Mit gleich drei Urteilen hatte das Braunschweiger Verwaltungsgericht (VG) im September deutschen Behörden das Recht abgesprochen, die Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf die Umwelt vollumfänglich zu bewerten und Schutzmaßnahmen für die biologische Vielfalt und das Grundwasser vorzuschreiben. Im Klartext: Die Pläne des Bundesumweltministeriums, Landwirte beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu sogenannten Biodiversitätsmaßnahmen bis hin zur Flächenstilllegung zu verpflichten, sind Unrecht.

Nicht vermittelbar

Umweltministerin Svenja Schulze kam damit plötzlich eines ihrer wichtigsten Ziele abhanden, das sie bis dahin gegen jeden Widerstand aus den Fachabteilungen des Bundeslandwirtschaftsministeriums durchgeboxt hatte. Die SPD-Politikerin bat daher mit Unterstützung des Umweltbundesamtes (UBA) Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner, fristgerecht bis zum 28. Oktober Berufung gegen die Urteile einzulegen. Die CDU-Politikerin allerdings lehnte dies am Montag vergangener Woche unter Hinweis auf mögliche Wettbewerbsnachteile für die heimischen Landwirte ab. Sie könne den deutschen Bauern nicht vermitteln, warum das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL)  „eine faktische Enteignung in Höhe von mindestens zehn Prozent ihrer Äcker betreiben sollten, wenn das für ihre Kollegen im Rest der EU nicht gilt“, erklärte Klöckner. Eine Berufung ist nach ihrer Einschätzung auch aussichtslos und würde zu anhaltender Rechtsunsicherheit führen. 

Zwischenzeitlich hatte der Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Jochen Flasbarth, in einem Brief an das Berliner Agrarressort nochmals vor möglichen negativen Folgen für die Artenvielfalt und den Verbraucherschutz gewarnt, sollte das Agrarressort keine Berufung einlegen. Flasbarths Amtskollege im Bundeslandwirtschaftsministerium, Dr. Hermann Onko Aeikens, widersprach dieser Einschätzung aber in seiner Antwort.

Klöckner hatte zur Begründung darauf hingewiesen, dass ihre Entscheidung gegen eine Berufung den Gepflogenheiten der Regierungskoalition entspreche, da in dem Punkt keine Einigkeit zwischen den zuständigen Bundesressorts bestehe. Eine weitere Überlegung Klöckners: Legt sie Widerspruch ein, würde das Umweltbundesamt künftig in weiteren Fällen von Wirkstoffzulassungen sein Einvernehmen an die Erteilung von Biodiversitätsauflagen knüpfen, da es die VG-Urteile als noch nicht rechtskräftig ansähe. Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) wäre erst in mehreren Jahren zu erwarten. Bis dahin müssten nach Einschätzung des Agrarressorts mittel­fristig viele, eventuell sogar die meisten deutschen Landwirte ­Teile ­ihrer Ackerflächen entschädigungslos wie auch ohne Ge­setzesgrundlage stilllegen und als Biodiversitätsfläche pflegen. Denn im BMEL geht man davon aus, dass auf kurz oder lang alle Zulassungen mit solchen Anwendungsbestimmungen versehen würden.

Ausreichend geprüft

In seinem Brief an das Berliner Agrarressort warnte Flasbarth, dass ohne ein Berufungsverfahren Schäden an der biologischen Vielfalt und insbesondere bei Insekten, womöglich aber auch negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, „sehenden Auges“ hingenommen würden. Aeikens widersprach. In den Urteilen sei es lediglich darum gegangen, ob jetzt „mittelbare Auswirkungen“ auf die Biodiversität berücksichtigt werden könnten. Sämtliche Risiken für Mensch, Tier und Umwelt sowie alle unvertretbaren Risiken durch „unmittelbare Auswirkungen“ auf die Umwelt würden weiterhin bei jeder Zulassung ausgiebig geprüft und bewertet. AgE/red