Weinanbau in Bestensee: Reben erleben …

… ist das Motto des Weinbauvereins in Bestensee (Brandenburg). Dort wachsen auf knapp einem Hektar fünf Rebsorten, und die Lese der diesjährigen Trauben steht in den Startlöchern – mit Verspätung.

Von Bärbel Arlt
Fotos: Thomas Uhlemann

So muss es sein! Herbert Krenz schaut überaus zufrieden durch das Refraktometer, das den Zuckergehalt des Weins misst. 100 Grad Öchsle zeigt die Skala bei der Weißweinsorte Solaris an. Die anderen Rebsorten halten sich allerdings noch zurück. Mit Werten zwischen 70 und 85 brauchen sie noch ein bisschen.

„Mit Solaris werden wir also endlich loslegen“, sagt Herbert Krenz. Endlich? „Ja, wir sind in diesem Jahr bei der Lese rund vier Wochen im Verzug“, erzählt er. Grund dafür seien nicht Trockenheit und Hitze. „Damit kommt unser Wein gut zurecht, aber nicht mit Frost.“ Und der hat die Rebstöcke Anfang Mai kalt erwischt. Damit war ein Großteil der Triebe hinüber und neue mussten wachsen. Hat das auch Einfluss auf den Ertrag? Krenz schaut sich die Trauben an. Saftvoll und kraftvoll hängen sie an den Rebstöcken. „Ich rechne durchaus mit Verlusten. 3.500 Flaschen wie in den vergangenen Jahren werden wir nicht erreichen“, erklärt der Hobbywinzer.

Auf dem Weinberg in Bestensee reifen die Trauben an 3.200 Rebstöcken. Herbert Krenz, Vorsit- zender des Weinbauvereins, misst den Öchselgrad. Die roten Kletterrosen zeigen den Befall von echtem und falschen Mehltau an und tragen ein Keramikherz mit einem weiblichen Vornamen – sozusagen ein Liebesbeweis des Rosensponsors für die Liebste und damit auch für den Weinberg.
Weinberg Bestensee

Wobei Hobbywinzer wohl nicht wirklich die richtige Wertschätzung ist, denn seit zehn Jahren ist Herbert Krenz leidenschaftlicher Weinbauer und führt den Weinbauverein in Bestensee, einer Gemeinde südlich von Berlin. Ein Ort, der für den Weinanbau nicht unbedingt bekannt ist. „Mit unserem knappen Hektar können wir mit den großen Weinbaugebieten natürlich nicht mithalten und das wollen wir auch gar nicht“, sagt Krenz, während er die Reihen abschreitet und immer mal wieder eine Traube auf den Öchslegrad prüft. Aber ein Schattendasein fristet der kleine Weinberg trotzdem nicht. Denn er ist in den vergangenen Jahren zu einem beliebten Anziehungspunkt in der Region geworden. Jeder, der möchte, kann durchspazieren, an den Wochenenden wird Wein ausgeschenkt, und auch so einige Feste werden das Jahr über gefeiert.

Doch in den vergangenen Monaten gab es das alles aufgrund von Corona nicht. Schmerzlich nicht nur fürs Herz, sondern auch für die Vereinskasse. Denn der Verein, dem inzwischen 34 Mitglieder angehören, finanziert sich aus Mitgliedsbeiträgen und Weinverkauf – und der erfolgt bei vielen Festen sowie in einem Bestenseer Supermarkt, in der Weinscheune und einer Apotheke. „Schließlich ist Wein – in Maßen getrunken – gesund. Er macht fröhlich, ist gut für Herz und Kreislauf“, so Krenz und scherzt: „Ich habe nur noch keinen Arzt gefunden, der ihn auf Rezept verschreibt.

Rebe

Solaris

Rebe

Pinotin

Johanniter

Cabernet Cortis

Cabernet Blanc

Historische Wurzeln für Den Weinanbau in Bestensee

Doch ein Weinberg in Bestensee, außergewöhnlich ist das schon, oder? Für Herbert Krenz nicht, denn der Weinanbau soll hier bis ins 14. Jahrhundert zurückreichen. Und der nördlichste in Europa ist er auch nicht. „Weinanbau gibt es sogar in Schweden“, weiß der bekennende Liebhaber Skandinaviens. Alte Rebstöcke habe man allerdings nicht gefunden. Dafür aber wurden 3.200 neue gepflanzt. Das war vor zehn Jahren. Doch wie nahm alles seinen Anfang? Der Vereinsvorsitzende blickt die Rebstöcke entlang, deren Trauben und Laub in der Herbstsonne funkeln. „Dieser Mühlenberg – mit seinen 34 Metern Höhe übrigens die höchste Erhebung in der Gegend – war eine ungenutzte Unkrautfläche, ein unschöner Flecken gleich neben unserem schönen Generationenwald. Und da hatte der Bürgermeister die Idee, dort einen Weinberg anzulegen“, erzählt er. Als frisch gebackener Rentner hatte er damals „gerade Luft“ und war wie auch andere Bestenseer von der Idee begeistert.

Dann nahmen die Dinge ihren Lauf. Ein Verein wurde gegründet und es wurde losgelegt. Hilfe kam von der Agrargenossenschaft Mittenwalde, die die Fläche pflügte. Dann wurden unter anderem Stickel gesetzt, Drähte gespannt, Rebstöcke in die Erde gebracht, eine Tröpfchenbewässerung installiert. Und von Stund an wurde und wird der Weinberg liebevoll von den Vereinsmitgliedern gehegt und gepflegt. Besonders stolz sind sie über ihren Traktor, den sie sich im vergangenen Jahr leisten konnten und der ihnen vorallem mühevolle Mäh- und Sprüharbeiten abnimmt. Dennoch bleibt natürlich viel Handarbeit. Da müssen unter anderem regelmäßig das Blattwerk entfernt werden und vor allem auch Triebe, die sich jetzt in den letzten Tagen vor der Lese immer noch einschleichen. „Die können wir aber nicht gebrauchen“, sagt Krenz. Sie nehmen den reifen Trauben die Kraft und müssen weg. Auch auf andere „Feinde“ ist er nicht gut zu sprechen.

Dazu gehören Wildschweine, die immer mal vorbeischauen, Rehe, die an den Stämmen knabbern, und Stare, für die so ein Weinberg ein lecker gedeckter Tisch ist. Um sie abzuschrecken, stehen zwischen den Rebstöcken Ansitze für Greifvögel. „Ansonsten hilft lautes Klatschen“. Auch eine Nisthilfe für Störche gibt es auf dem Weinberg. „Die wurde aber leider bisher nicht angenommen. Denn auch ein Storch, und diese Erfahrung musste ich machen, will sich heutzutage ins gemachte Nest setzen und hat keine Lust, sich sein Heim selbst zu bauen“, so Krenz und meint schelmisch: „Also bauen wir ihm ein Nest und legen noch die Frösche mit rein.“

Weinanbau in Bestensee: Die Guten in die Butte

Und gleich neben dem Weinberg gibt es einen Generationenwald. Dort kann seit 2006 jeder, der möchte, einen Baum pflanzen, was gern zu feierlichen Anlässen wie Geburtstag, Hochzeit, Konfirmation, Jugendweihe oder Taufe gemacht wird. Mittendrin stehen hölzerne Ureinwohner von Bestensee – die sogenannten Bestwaner, sowie die Schneekönigin und ihr Gefährte der Falkner, die einst im nahegelegenen Sutschketal in Höhlen gelebt haben sollen. So zumindest wird es in den Bestenseer Märchen erzählt. Herbert Krenz ist übrigens kein „Ureinwohner“ von Bestensee. „Er ist auf Rügen geboren und aufgewachsen, hat Rinderzucht gelernt und studiert, in der Tierzuchtinspektion in Rostock gearbeitet und die künstliche Besamung von Schafen mit eingeführt. Nach der Wende hat er sich dem Kaffeegeschäft verschrieben, und seit dem Rentenalter ist der Weinberg, den der 70-Jährige jetzt täglich inspziert, um den richtigen Zeitpunkt für die Lese nicht zu verpassen, seine Leidenschaft.


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Gelesen werden Solaris, Cabernet Cortis, Pinotin, Johanniter und Cabernet Blanc. Allerdings kommen nur die Guten ins Körbchen bzw. in die Butte, wie der Winzer sagt. Und fleißige Helfer sind natürlich willkommen. Der Wein vom Mühlenberg wird dann in Jessen in Sachsen-Anhalt im Weingut Hanke zu „Brandenburger Landwein“ ausgebaut – so die offizielle Bezeichnung entsprechend dem europäischen Rebrecht. „Das hat aber überhaupt nichts mit weniger Qualität zu tun“, betont Krenz. Und die, so hofft der Bestenseer Weinbauverein, stimmt auch 2020. Mit seinen 100 Öchsle, hat der Solaris schon mal gut vorgelegt, was auch den aus Holz geschnitzten Bacchus freut, der Tag und Nacht über dem Weinberg wacht.