„Hier kriegt mich keiner weg“

Von Ribbeck nach Ribbeckshorst: Mit Landwirt Robert Jäkel sprachen wir über die Lust am Musizieren und die Band PlattenCrash, über lehrreiche Jahre auf dem Havellandhof und die Faszination Natur.

Das Gespräch führte Wolfgang Herklotz
Fotos von Sabine Rübensaat

Auf gehts. Der Bassist lässt die Saiten vibrieren, was anfangs wie ein Grummeln aus dem Töne-Keller klingt. Doch dann entlädt sich ein akkustisches Feuerwerk auf der Bühne, entzündet vom Lead-Gitarristen und von gleißendem Licht begleitet. Die Musik ist kaum einzuordnen. Sie klingt ein bisschen nach U2 und Nirvana, ein bisschen nach den Toten Hosen. Vor der Bühne bewegen sich die Zuhörer im Takt, nicht allzu viele, aber begeistert. Und Robert Jäkel am Bass zupft leidenschaftlich mit …

Ortswechsel: Flirrende Hitze vor wenigen Wochen über dem Schlag am Rande von Ribbeckshorst. Die kürzlich gemähten Gräser duften würzig. Doch sie müssen vom Feld, weil in der kommenden Nacht Regenschauer drohen. Die Stille wird nur von ein paar Kranichen unterbrochen, die sich langsam für die Reise gen Süden rüsten. Robert Jäkel quittiert die Trompetenrufe mit einem Lächeln und nimmt einen tiefen Schluck aus der Wasserflasche, bevor er die Graspresse erneut startet. Auf geht’s …

Denken Sie nicht mit viel Wehmut an jene Zeit zurück, als Sie mit Ihrer Band PlattenCrash auf der Bühne standen?
Ja, es war eine tolle Zeit, die ich nicht missen möchte. Aber das heißt nicht, dass ich sie mir sehnlichst zurückwünsche.

Warum nicht?
Wir, also mein Bruder Tim und ich, sowie die anderen Bandmitglieder hatten unseren Spaß. Wir konnten uns ausprobieren. Das war uns wichtiger als der Erfolg.
Wenn man auf den angewiesen ist, um weiterzukommen, ist der Spaß vorbei. Wir hatten eine gute Zeit. Und ich bin froh darüber, wie es jetzt so ist, auch wenn ich kaum noch dazu komme, die Gitarre in die Hand zu nehmen.

Wer Sie auf der Bühne erlebt und dann erfahren hat, dass Sie Landwirt sind, dürfte das kaum geglaubt haben.
Warum eigentlich? Lust auf Musik und Freude an einem ganz anderen Beruf schließen sich doch nicht aus. Am Abend auf der Bühne zu stehen und am nächsten Morgen auf dem Trecker zu sitzen, ist doch kein Widerspruch. Hauptsache, es macht Laune. Natürlich muss man das auch zeitlich auf die Reihe kriegen (lacht) …

Sie sind in Nauen geboren und aufgewachsen, also ein Stadtkind. Wie kam es, dass Sie sich trotz Musikunterricht nicht für eine musikalische Laufbahn, sondern für eine landwirtschaftliche Ausbildung entschieden haben?
Ich bin schon als kleiner Junge gern auf dem Mähdrescher mitgefahren. Später dann, in der siebten Klasse war es wohl, habe ich Kumpels kennengelernt, die vom Bauernhof kamen. Und fand es spannend, zusammen mit ihnen den Kuhstall zu erkunden. Irgendwann dann stand fest: Das isses!

Sie haben Ihre Ausbildung auf dem Havellandhof in Ribbeck absolviert und dort zehn Jahre gearbeitet. Was bedeuten Ihnen diese Jahre?
Sehr viel. Peter Kaim, Leiter dieses Betriebes, hat eine tolle Art, gerade mit jungen Leuten umzugehen. Er hat Urvertrauen, hält keine großen Vorträge, sondern lässt einen machen. Vom ersten Tage an war ich willkommen, durfte gleich ran. In Ribbeck habe ich vor allem gelernt, selbstständig zu arbeiten. Fasziniert hat mich nicht nur der Teamgeist auf dem Hof, sondern auch das nachhaltige Wirtschaften dort.

Der Havellandhof war lange Zeit Praxispartner der Bauernzeitung. Es gab eine Menge über bodenschonende Bewirtschaftung, über den Anbau von Zwischenfrüchten und die Verwertung von Gülle und Gräsern in der Biogasanlage zu berichten …
… und noch eine ganze Menge mehr, wobei Peter Kaim immer großen Wert auf die Lebewesen im Boden gelegt hat. Er musste regelmäßig kontrollieren, ob ja genügend Regenwürmer im Einsatz sind. Für ihn wichtige Mitarbeiter, wie er mal scherzhaft sagte.

Dennoch haben Sie sich vor zwei Jahren entschieden, den Betrieb zu verlassen. Warum?
Ich hörte von einem Bekannten, dass in Ribbeckshorst ein Betriebsleiter gesucht wird. Den Gedanken fand ich verlockend, zumal ich dort schon im Einsatz war. Der Havellandhof bietet ja auch Bestell- und Erntearbeiten als Dienstleistung an. Aber mir war gleichzeitig klar, was ich aufgebe, wenn ich kündige. Also keine leichte Entscheidung!

Wie hat Peter Kaim reagiert?
Voller Verständnis, weil ich ihn nicht vor vollendete Tatsachen gestellt, sondern vorher um seine Meinung gebeten hatte. Er riet mir daraufhin, mir noch einmal alles in Ruhe durch den Kopf gehen zu lassen. Und von meiner Familie gab es den Tipp, eine Pro-Contra-Liste aufzustellen. Also aufzuschreiben, was alles dafür und was gegen eine Neuorientierung spricht. Das habe ich dann gemacht.

Was gab den Ausschlag?
Die Tatsache, dass man so ein Angebot nicht alle Tage bekommt. Und die Ahnung, dass man es Jahre später eventuell bereut, die Chance nicht genutzt zu haben. Also sagte ich zu.

Wo sind die Unterschiede zum Havellandhof?
Wir haben keine Milchviehhaltung und keine Biogasanlage, sondern sind ein Ökobetrieb mit Mutterkuhhaltung sowie Färsen- und Bullenmast. Der Schwerpunkt liegt auf dem Futteranbau für unsere Tiere. Wir produzieren hauptsächlich Heu und Grassilage, neben Ackergräsern bauen wir auch etwas Sommergerste an, aber nur auf 30 Hektar. Die Gerste wird geschrotet und unseren Krausköpfen vorgelegt, die aber auch gern die Luzernesilage annehmen. Der große Vorteil besteht darin, dass wir für die insgesamt 450 Angus ausreichend Fläche haben. Die Färsenmast erfolgt auf der Koppel, bei den Bullen ist eine Kombination aus Weide- und Stallhaltung möglich. Wir sind dabei, in Linum einen Hofladen aufbauen, um das Fleisch selbst zu vermarkten.

Wie lief die Ente dieses Jahr?
Besser als erwartet, weil es im Unterschied zu den beiden Vorjahren immer wieder geregnet hat. Wir konnten zwei ordentliche Aufwüchse vom Grünland einfahren, im Schnitt sechseinhalb Ballen pro Hektar. Bei der Sommergerste waren es 32 Doppelzentner je Hektar, auch ein sehr gutes Ergebnis für unsere sandigen Böden, wenn man bedenkt, dass wir weder mineralischen Dünger noch Pflanzenschutzmittel ausbringen dürfen. Dafür kam aber reichlich Stallmist in den Boden. Es hat sich also gelohnt, auch wenn die letzten Wochen sehr arbeitsreich waren mit einer 60-Stunden-Woche als Minimum.


Steine des Findlingshof Uhlemann.

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Keine Frage, dass man nach solchen Einsätzen geschafft ist. Aber können Sie auch in der weniger arbeitsintensiven Zeit ruhig schlafen? Immerhin tragen Sie jetzt ja eine direkte Verantwortung für den Betrieb?
Das spielt keine Rolle. Ich halte es mit dem Satz vom guten Gewissen und dem sanften Ruhekissen. Da ich mittlerweile auf dem Hof wohne, ist für mich das Geklapper der Fressgitter die beste Einschlafmelodie.

Was ist noch anders als auf dem Havellandhof?
Es macht mir jetzt riesigen Spaß, die phantastische Tierwelt ringsum zu beobachten. Hier gibt es die seltenen Braunkehlchen, hier brüten Schleiereulen und Grauammern. Unser Betrieb betreibt großflächig Buntbrache und lässt zehn Prozent der Altgrasstreifen stehen, um die Bodenbrüter zu fördern. Dank GPS lässt sich das ganz exakt ausführen, und man kann deutlich sehen, wie gern die kleinen Gesellen das annehmen. Das haben wir auch schon auf dem Havellandhof praktiziert. Aber wir lassen jetzt die Streifen länger stehen, um die Strukturen länger zu erhalten, die sich dort aufgebaut haben.

Mit anderen Worten: Sie sind längst in Ribbeckshorst angekommen.
Absolut richtig. Hier kriegt mich keiner mehr weg!

Und die Zeiten, wo Sie auf der Bühne standen, sind ein für allemal vorbei?
Man soll ja niemals nie sagen. Aber es ist doch sehr unwahrscheinlich, dass unsere Band nochmal zusammenfindet. Die Musik spielt jetzt hier!