Chancen erkennen bei der agt Trebbin

Schleppen, walzen, drillen, düngen – in der brandenburgischen Agrargenossenschaft Trebbin in Klein Schulzendorf laufen die Frühjahrsarbeiten. Und auch die Azubis packen kräftig mit an. Alles scheint wie immer zu sein. Doch ist es das auch?

Von Bärbel Arlt
(Fotos: Sabine Rübensaat)

Im Niedermoorgebiet am Rande des Naturparks Nuthe-Nieplitz im Landkreis Teltow-Fläming rollen Traktoren über die Grünflächen. Die Sonne strahlt, der Himmel ist tiefblau und ein Greifvogel zieht einsam seine Kreise. Ein frühlingshaftes Bilderbuchwetter, das sämtliche Gedanken an das über uns allen schwebende Coronavirus verdrängt und das alles ganz normal scheinen lässt.

Und so strahlend wie das Wetter klettert Marie aus ihrem 240 PS starken Traktor, der drei 4,5 Tonnen schwere Walzen im Schlepptau hat. „Damit werden die Grasnarben für besseren Bodenkontakt angedrückt, die Bestockung wird angeregt und die Samen, die sich gegen bestehende Konkurrenz bewähren müssen, unterstützt“, erklärt die 19-jährige angehende Landwirtin im ersten Lehrjahr. Für sie wird in der agt Trebbin ein Kindheitstraum wahr. „Ich wollte schon immer Landwirtin werden“, sagt sie und erzählt uns von der Landwirtschaft der Großeltern, von ihrer Leidenschaft für große und kleine Maschinen wie Traktor und Motorrad, und auch von den Diskussionen, die sie hin und wieder zum Thema Landwirtschaft führen muss und vor allem auch will. „Ich lass mir da nichts gefallen, halte dagegen“, sagt sie.



Denn der Beruf des Landwirts ist für sie nicht nur faszinierend. „Er ist einer der wichtigsten und wir sollten alle dahinterstehen, ihn verteidigen, respektieren und anerkennen.“ Und als wir uns über das Coronavirus unterhalten, weswegen auch die Berufsschule zurzeit auf Eis liegt, wird die 19-Jährige nachdenklich. Das Wichtigste sei die Gesundheit. Aber sie hoffe, dass diese schwierige Zeit die Menschen auch wachrüttelt und sie das, was Landwirte tagtäglich leisten, wieder mehr achten, wertschätzen und darüber nachdenken, was im Leben wirklich wichtig ist. Ihre Mitstreiter, die Azubis Lucas, Anke und Lars, die wir am Maissilo neben der Milchviehanlage treffen, sehen das genauso und sind stolz auf ihren künftigen Beruf als Landwirt und Fachkraft für Agrarservice.

Vertrauen ist gefragt

agt-Vorstand
Dr. Thomas Gäbert

Und während die Azubis die Silofläche für die neue Teerbeschichtung säubern, erzählt uns Dr. Thomas Gäbert, Vorstand bei der agt Trebbin, dass die Agrargenossenschaft mit Auszubildenen bis jetzt gut gesegnet ist.

„Wir sind ein breit aufgestelltes Unternehmen und haben derzeit 17 Azubis in allen Bereichen.“ Ausgebildet werden Landwirte, Tierwirte, Fachkräfte für Agrarservice, Fahrzeuglackierer, Mechatroniker für Land-, Baumaschinen- und Nutzfahrzeugtechnik, Köche und Kauffrauen für Büromanagement. „Fürs neue Lehrjahr laufen derzeit auch schon mehrere Vorstellungsgespräche“, freut er sich.

Gute Zeugnisse und Noten sind für ihn eine Seite der Medaille. „Wichtig sind aber vor allem auch Verantwortungsbewusstsein, Engagement, Verlässlichkeit und Vertrauen. Aber auch wir als Unternehmen müssen für junge Menschen attraktiv sein“, so der 37-jährige promovierte Agrarwissenschaftler mit Schwerpunkt Fruchtbarkeit sandiger Böden. Dazu gehören solche Leistungen wie Traktor-Führerschein, Teilnahme an Messen, Lehrgängen, Schulungen, Kursen, Einweisungen.


Betriebsspiegel agt Trebbin
■ Markfruchtbetrieb mit Tierhaltung 
■ Bewirtschaftung von 4.000 ha, davon 2.852 ha Ackerland (Winterweizen, Wintergerste, Winterroggen, Winter- 
tricitale, Sommerroggen, Winterraps, Mais, Luzerne) und 1.171 ha Grünland  
■ 1.913 Rinder (1.008 Milchkühe, 725 Jungrinder und Färsen, 180 Kälber) 
■ 135 Mitarbeiter inklusive 17 Auszubildende
www.agt-eg.de 


„Die Zeiten, in denen Azubis nur „Beiarbeiten“ gemacht haben, sind längst vorbei. Bei uns werden sie frühzeitig fest mit eingebunden, wird ihnen Vertrauen entgegengebracht und Verantwortung übertragen.“ Denn es sei wichtig, gute ausgebildete und motivierte Mitarbeiter zu haben, die nicht nur wissen, wie was gemacht werden muss, sondern auch, warum sie es machen. „Das macht die Zusammenarbeit um vieles einfacher, gerade in so einer besonderen Situation, wie wir sie noch nie hatten.“


Video (c) Sabine Rübensaat

Das Sorgenkind der agt Trebbin

„Noch liegen wir gut im Rennen“, sagt Dr. Gäbert, der seit 2013 im Unternehmen und seit 2017 im Vorstand der agt ist, und zeigt sich vorsichtig optimistisch: Im landwirtschaftlichen Bereich gibt es noch keine Einschränkungen. Auch nicht im Lackierzentrum und in den Werkstätten für Pkw, Nutzkraftwagen, Landtechnik und Baumaschinen. „Veränderungen bewegen sich noch im natürlichen Schwankungsbereich.“ Dennoch gibt es ein großes Sorgenkind im Unternehmen. Das Landhotel Heidepark mit Kantine, Küche, Catering und Eventservice ist innerhalb weniger Tage fast komplett zusammengebrochen. Hotelchefin Melanie Dahlke schaut in die leere Kantine. Tische und Stühle stehen gestapelt an der Seite.

Den Fußboden zieren Abstandsmarkierungen. Wo sonst ab morgens sechs Uhr die Türen offenstehen, sich Kollegen, Handwerker, Bauarbeiter und Einwohner zum Mittagessen treffen, herrscht gespenstische Stille. „Wir sind so etwas wie ein sozialer Treffpunkt, haben für gut 100 Personen Platz“, sagt Melanie Dahlke und blickt hinüber zur Küche, wo an normalen Tagen an die 240 Essen zubereitet werden – für die Kantine, für Kindergärten, Firmen, eine Tagesmutti und für viele Senioren. Doch normal ist nichts mehr. Jetzt sind es noch so an die 120 Essen. Für einen Koch und den Koch-Azubi soll – und das zum ersten Mal in der Genossenschaft überhaupt – Kurzarbeitergeld beantragt werden.



Doch es sind nicht nur die Umsatzeinbußen in der Küche, die der Hotelchefin die Sorgenfalten ins Gesicht treiben. Viel schlimmer, so sagt sie, seien Veranstaltungen wie Hochzeiten, Jugendweihen, Geburtstage und Vereinstreffen, die abgesagt werden müssen. „Ich bin mit den Stornierungen schon im Juni.“ Auch das Catering für private Veranstaltungen ist komplett eingebrochen und touristische Gäste dürfen auch nicht mehr ins Hotel mit seinen 26 Betten.

Verantwortung fürs Dorf

Dennoch wird die Flinte nicht ins Korn geworfen. Das Küchenteam steht, wenn auch reduziert, bereit. „Wir halten die Versorgung mit Mittagessen aufrecht und bieten die Möglichkeit an, sich das Essen in der Kantine abzuholen. Selbstverständlich liefern wir weiter aus – ab sofort und bis auf Weiteres auch an den Wochenenden“, sagt Küchenchef Tino Dahlke. Ein Service, den vor allem viele Senioren in Klein Schulzendorf und den umliegenden Orten zu schätzen wissen. Melanie Dahlke sieht darin auch eine Pflicht: „Als einer der größten Arbeitgeber in der Region tragen wir für die Menschen, die hier leben, auch eine Verantwortung. Wir sind für sie da und hoffen, dass sie auch uns unterstützen.“ 

Einschränkungen gibt es auch in der Tankstelle des Ortes, die von der agt betrieben wird. „Hier haben wir unsere Öffnungszeiten reduziert“, so Thomas Gäbert. Und in allen Betriebsbereichen werden die geforderten Maßnahmen umgesetzt, wobei die Gesundheit der Mitarbeiter oberste Priorität hat. So gibt es zum Beispiel auf den Maschinen keinen Wechsel und in der Milchviehanlage, wo glücklicherweise noch zwei polnische Melker zur Verfügung stehen, sollen die Schichten getrennt werden. 

„Wir dürfen uns nicht verrückt machen lassen, müssen jeden Tag neu schauen. Denn was heute gilt, kann morgen schon wieder anders sein und die Karten müssen neu gemischt werden. Was können wir machen? Wie können wir Ausfälle kompensieren, Kinderbetreuung organisieren, wie bekommen wir Unterstützung?“ Fragen über Fragen, die jetzt täglich auf das Unternehmen und seine Mitarbeiter einprasseln und auf die Antworten gefunden werden müssen. Und jeder will helfen. Gäbert meint damit auch die tägliche Flut an Mails. 

Qualität vor Quantität

Ebenso schießen Arbeitskräftebörsen wie Pilze aus dem Boden. Jeder meine es gut, wolle helfen, schicke Anträge und Vorlagen. Doch wirklich hilfreich sei das nicht. „Informationen müssen gebündelt werden und es braucht nicht viele, sondern kompetente Ansprechpartner.“ So hat er auf eine der wichtigsten Fragen noch keine Antwort: Was passiert bei Quarantäne, wie wird dann verfahren, welche Reglungen greifen?

Homeoffice für Landwirte, das gehe einfach nicht – trotz Digitalisierung auf dem Acker, im Stall, auf den Maschinen. Intern gibt es für die rund 135 Mitarbeiter, die, so Gäbert, alle sehr verantwortungsbewusst mit der aktuellen Krise umgehen, einen monatlichen Newsletter und regelmäßige Organisationsanweisungen. „Unser Unternehmen ist breit aufgestellt, da ist es wichtig, die Kollegen über den aktuellen Stand in allen Bereichen zu informieren.“

Nach vorn schauen 

In jeder Krise steckt auch eine Chance, sagt er und hofft auf ein Umdenken der Bevölkerung im Hinblick auf die leeren Regale.  „Und wir als Unternehmen müssen nach vorn schauen.“ Dazu gehöre nach wie vor, für Arbeitsplätze im ländlichen Raum zu sorgen, die Kulturlandschaft als Produktionsfaktor und Lebensraum zu erhalten und Gewinne zu erwirtschaften.

Dafür ist es auch notwendig, neue Geschäftsfelder zu erschließen. So ist u. a. geplant, auf einer Fläche von zehn Hektar Kichererbsen anzubauen, die regional verarbeitet und vermarktet werden sollen. Und sobald es wieder möglich ist, öffnet die Agrargenossenschaft wieder ihre Türen für Kitas, Schulen, Firmen – für alle, die wissen möchten, wie Landwirtschaft funktioniert und warum wir sie als Gesellschaft dringend brauchen.


Wir würden gern wissen: Wie arbeiten Landwirte und Gemeinden jetzt zusammen? Wie funktioniert das dörfliche Leben? Wer engagiert sich wie, um zu helfen? Berichten Sie uns von Ihren Erfahrungen: bauernzeitung@bauernverlag.de