Hanfpflanzen bilden schnell einen dichten Bestand. Der Boden wird beschattet, was die Verdunstung verringert – und zugleich unerwünschtem Bewuchs keine Chance lässt. (c) Karsten Bär

Hanfanbau in der Lausitz: Genügsam und robust

Auf Kippenflächen in der Lausitz lässt das Bergbauunternehmen Leag von örtlichen Landwirten Hanf anbauen und sucht nach neuen Verwertungen für die alte Kulturpflanze.

Mit dem Hanf wächst auch das Wissen. „Wir lernen als Landwirte mit“, sagt Bernd Starick und zeigt auf eine Hanfpflanze, die er aus dem staubigen Boden gezogen hat. „Die Wurzel gibt viele Antworten.“ Hanf, sagt man, komme mit wenig Wasser aus. „Die Pflanze hat eine Pfahlwurzel, bildet im oberen Bereich aber auch viele feine Wurzeln aus. Dadurch kann Hanf selbst kleine Niederschläge gut nutzen.“ Ein Vorteil für eine Pflanze, wenn sie in der Lausitz wächst, wo – wenn überhaupt – oft nur wenig Regen vom Himmel fällt, und die mageren Böden kaum Wasser speichern.

Hanfanbau in der Lausitz AUF 27 ha

Hanf hat manche Eigenschaft, die ihn für die besonderen Anforderungen in der Bergbaufolgelandschaft prädestiniert erscheinen lässt. Hier, auf den Rekultivierungsflächen des Braunkohletagebaus Jänschwalde bei Cottbus, baut Staricks Betrieb, die Bauern AG Neißetal aus Groß Gastrose, im Auftrag des Energie- und Bergbauunternehmens Leag Hanf an. Die Leag möchte herausfinden, ob und wie die alte Kulturpflanze einen Beitrag zur Rekultivierung der Kippenflächen leisten kann. Und wie sie, auch über die Wiederherstellung der Flächen hinaus, zu einer lohnenswerten Anbaualternative werden könnte. Nach dem Start des Hanfversuches im vorigen Jahr baute der Agrarbetrieb in diesem Jahr Hanf auf drei Flächen von insgesamt 27 ha für das Bergbauunternehmen an, zwei auf der Kippe und zu Vergleichszwecken eine auf gewachsenem Boden.

Genügsam und robust: Mit diesen Eigenschaften punktet der Hanf auf den Kippenflächen. Wobei er hier nach Luzerne wächst (Infokasten „Wie Kippe wieder Kulturland wird“). Dies sei, lacht Christoph Oberndorfer, fast schon Luxus. Oberndorfer ist bei der Leag Betriebsingenieur für Rekultivierung. Er erklärt, dass Hanf das Bodenleben fördert und die Bodenstruktur verbessert und erhält. „Eine rein mechanisch geschaffene Bodenstruktur birgt das Risiko, dass bei Niederschlag der Boden verschlämmt.“ Die Vorfruchtwirkung sei ähnlich wie die von Öllein. Nach der Ernte müsse der Boden kaum bearbeitet werden.

Wie Kippe wieder Kulturland wird

Wenn im Tagebau die Abraumförderbrücke weiterrückt, ist für die Leag die Arbeit nicht vorbei. Wo meterdicke Erdschichten abgetragen wurden, um den Kohlefl öz freizulegen, und zeitweilig eine Landschaft entstanden ist, die gleichermaßen verstörend wie faszinierend wirkt, soll wieder Kulturlandschaft entstehen: Gewässer, Wald und Wiese, aber auch Acker.

Ziel sei es, möglichst gute Flächen wiederherzustellen, versichert Leag-Pressesprecher Thoralf Schirmer. Die Böden werden gezielt verbessert und sollen ein möglichst hohes Potenzial entwickeln. Schon beim Abtragen der oberen Bodenschichten wird planmäßig vorgegangen, der Abraum selektiert, um ihn später gezielt wieder aufzubringen. Der Rohboden sei kulturfähig, aber mit gewachsenem Boden überhaupt nicht zu vergleichen. Einer gezielten Düngung und Kalkung folgt eine siebenjährige Rotationsfruchtfolge, die die Flächen für eine landwirtschaftliche Nutzung vorbereitet.

Ziel ist es, den Boden zu entwickeln und Organik hineinzubringen. In der Rekultivierungsfruchtfolge wird im ersten Jahr Getreide angebaut, vier Jahre Luzerne/Feldgras, wieder Getreide und im siebten Jahr Mais. Eingebunden in die Rekultivierung sind die Landwirtschaftsbetriebe, die für den Tagebau Flächen abgeben mussten. Sie bearbeiten die Flächen als Dienstleistung für die Leag und haben, wenn das Bergamt die Flächen aus dem Bergrecht entlässt, die Option, die Flächen zu pachten oder zu kaufen.

Ohne ein Gramm Pflanzenschutzmittel

Hanfpflanzen bilden schnell einen dichten Bestand. Der Boden wird beschattet, was die Verdunstung verringert – und zugleich unerwünschtem Bewuchs keine Chance lässt. „Der Bestand hier wächst ohne ein Gramm Pflanzenschutzmittel“, sagt Bernd Starick. Ein Umstand, der angesichts der Diskussionen um mehr Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft für den Vorstand der Bauern AG immer mehr an Bedeutung gewinnt.

Bernd Starick begutachtet die  Wurzel einer Pflanze.
Bernd Starick begutachtet die Wurzel einer Pflanze. (c) Karsten Bär

Der Anbau von Hanf ist einerseits recht simpel – er wird in reiner Drillsaat mit herkömmlicher Technik ausgebracht und stellt kaum Ansprüche an die Bestandespflege. Andererseits warten Unwägbarkeiten auf den Landwirt, etwa wenn es zu ernten gilt. „Die Fasern neigen dazu, sich um die Erntetechnik zu wickeln und sich zu verschlingen“, schildert Bernd Starick. Spezialtechnik für wenige Hektar anzuschaffen, sei teuer und riskant. Funktionierende und praktikable Lösungen werden daher gebraucht.

Freilich baut kein Landwirt Hanf zum Selbstzweck an. Und an der Verwertung scheiterten in der Vergangenheit bereits Versuche, den Hanf wieder als Nutzpflanze zu etablieren. Hierfür neue Wege zu eröffnen und Wertschöpfungsketten zu initiieren, ist Teil des Vorhabens der Leag. Das ergebnisoffene Projekt soll auch Impulse für den Strukturwandel in der Lausitz geben, wenn in absehbarer Zukunft die Braunkohle als Quelle für die Wertschöpfung in der Region entfällt.

Hanfanbau in der Lausitz: regionale Hanf-Spezialitäten

Faserhanf wächst hoch hinaus,  zeigt Christoph Oberndorfer.
Faserhanf wächst hoch hinaus, zeigt Christoph Oberndorfer. (c) Karsten Bär

Potenziale hat der Hanf. Und die gehen noch weit über die Nutzung hinaus, die die Leag im ersten Schritt etabliert hat. Unter der Markenbezeichnung „Lusitia sativa“ – ein Wortspiel aus den lateinischen Bezeichnungen für Lausitz und Nutzhanf (Cannabis sativa) – vermarktet das Energieunternehmen unter anderem Hanföl, das man in der Kanow-Mühle im Spreewald pressen lässt, und andere Spezialitäten aus Hanf. Das regional erzeugte Hanföl habe es bereits bis in Feinschmeckerläden nach Dresden geschafft, sagt Leag-Pressesprecher Thoralf Schirmer.

Doch dies ist nur Anfang. Ziel sei, nicht nur die Körner, sondern auch die Fasern zu nutzen, so Schirmer. Neben der Körnersorte Finola wuchsen daher in diesem Jahr auch vier Fasersorten auf den Hanfversuchsflächen auf der Kippe. Gemeinsam mit Einrichtungen wie dem Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie ATB Potsdam und dem Forschungsinstitut für Bergbaufolgelandschaften (FIB) sollen Möglichkeiten der Verwertung für den Hanfanbau in der Lausitz gefunden werden.

Wertschöpfungsketten werden gesucht

„Es gibt eine Riesennachfrage für nachwachsende Rohstoffe“, verdeutlicht Starick – und schränkt ein: „Aber wir sind noch weit davon entfernt, damit Geld zu verdienen.“ Denn dafür fehlen noch die Wertschöpfungsketten. Um Innovationen voranzubringen, brauche es Förderung und Netzwerke, die Leute und Ideen zusammenbringen. Der Landwirt berichtet von einem Projekt mit dem Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (Zalf) in Müncheberg, in dem es um die Nutzung von Luzerne für die Kartonagenherstellung geht. Das könnte eine lohnenswerte Alternative für die Futterpflanze sein. Vorstellbar sei vieles – auch für den Hanf.

Um Veränderungen komme die Landwirtschaft nicht herum. Der Klimawandel erfordere Anpassungen, die Tierhaltung gerate immer stärker unter Druck. Daher würden Alternativen zu bisherigen Einkommenszweigen gebraucht. „Getreide und Mais werden nicht reichen“, meint Bernd Starick. Der Hanfanbau in der Lausitz und seine Nutzung als nachwachsender Rohstoff kann hier ein Baustein sein. „Manchmal“, meint der Landwirt, „fragt man sich, warum man es noch nicht früher angepackt hat.“

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