Die Nebenerwerbslandwirtschaft ist deutlich mehr als „nur“ Landwirtschaft. Die dort engagierten Menschen und ihre landwirtschaftliche Produktion erbringen in vielen Fällen Leistungen, die als wichtige Beiträge für den Agrarsektor insgesamt und die Gesellschaft eingeordnet werden können. Eine exklusive Umfrage der Hochschule Neubrandenburg gibt Einblicke.
So hat sich beispielsweise die ganz überwiegende Mehrzahl der befragten Nebenerwerbslandwirte (89 %) an den zurückliegenden landwirtschaftlichen Protesten entweder selbst beteiligt oder unterstützt die Anliegen. Nebenerwerbslandwirte sind also solidarisch mit den anderen Landwirten. Für die nicht landwirtschaftliche Bevölkerung bieten die kleineren Betriebe eine Form von Landwirtschaft, die häufig leichter verständlich, eher erfahrbar und erlebbar ist und somit das in der Gesellschaft überwiegend positive Image des Sektors mitprägt und stützt.
Motivierte und überzeugte Landwirtinnen und Landwirte können in die Gesellschaft ausstrahlen und darüber hinaus jüngere Leute für landwirtschaftliche Berufe begeistern.
Als gesellschaftliche Leistungen der Nebenerwerbslandwirtschaft sind insbesondere deren Beiträge zum Erhalt der Kulturlandschaft in allen ihren Facetten zu nennen. Kleine Restflächen, gerade im Umfeld von Dörfern, und besonders Grünländereien werden durch die kleineren Betriebe mittels Beweidung im Rahmen von Mutterkuh- oder Schafhaltung genutzt und offen gehalten. Einer der Befragten hob hervor, dass Flächen, die zu verwinkelt, zu sandig oder zu nass sind, durch die kleineren Nebenerwerbsunternehmen weiterbewirtschaftet werden. Landschaftsbild und Artenvielfalt werden auf diesem Weg positiv beeinflusst.
In den Dörfern wird in vielen Fällen außerdem die traditionelle Bausubstanz durch eine Nutzung erhalten und damit das Erscheinungsbild von Dörfern verbessert.
Für die Aufrechterhaltung guter Lebensverhältnisse in ländlichen Regionen sind Nebenerwerbsbetriebe ebenfalls nicht zu unterschätzen. Zunächst ergeben sich so wohnortnahe Arbeitsverhältnisse, Aufträge für den lokalen Handel und das Handwerk. Außerdem gibt es so in nicht wenigen Fällen Menschen, die sich in ihren Heimatorten auch noch ehrenamtlich engagieren.
Mit den Produkten werden regionale Lebensmittel erzeugt, die die Familie und die Nachbarschaft teilweise versorgen können. Ländliche Räume ohne Nebenerwerbslandwirtschaft würden vieles verlieren, und daher ist es durchaus bedauerlich, dass die Anzahl der Höfe in Ostdeutschland so viel niedriger liegt als in Westdeutschland oder Österreich. Beides – die Zahlen der Agrarstatistik wie die Ergebnisse dieser und auch vorheriger Befragungen – zeigten, dass Nebenerwerbslandwirtschaft in Deutschland in Ost und West ein wichtiger Bestandteil der Agrarstruktur ist und dies bleiben wird.
Besonders bemerkenswert ist dies für Ostdeutschland. Hier sind die Nebenerwerbsbetriebe quasi aus dem Nichts entstanden und konnten sich bis heute trotz der Ignorierung durch die Agrarpolitik am Leben halten.
Einige der befragten Landwirte haben genau dies beklagt. Man hätte erwarten können, dass in Regionen, in denen es ohnehin so wenige aktive Landwirtinnen und Landwirte gibt, sich Agrarpolitik und Agrarverwaltung besondere Mühe geben und dieser Erwerbsform besonderes Augenmerk zukommen lassen. Bislang ist dies aber nicht festzustellen. Weder auf Bundesebene noch in den Bundesländern gibt es größere und gezielte Aktivitäten, die dazu geeignet wären, die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für nebenerwerblich geführte Betriebe zu verbessern.
In der bisherigen Ampelkoalition und dem grün geführten Bundeslandwirtschaftsministerium finden sich ebenfalls wenig Initiativen, mit denen die Bedingungen für Nebenerwerbslandwirtschaft positiv gestaltet werden – ähnlich wie in früheren Bundesregierungen auch.
Im Zuge der Bauernproteste und der dadurch ausgelösten Bemühungen zum Bürokratieabbau wurde zumindest beschlossen, dass alle Betriebe bis zu einer Größe von 10 ha von Kontrollen und Sanktionen ab 2025 freigestellt werden, die für die Konditionalitäten relevant sind. Damit können kleinere Betriebe, die vor allem im Nebenerwerb bewirtschaftet werden, in diesem Bereich freier agieren. Rund 37 % der Nebenerwerbsbetriebe deutschlandweit können davon profitieren.
Auch in anderen Bereichen, z. B. bei den Regelungen zur Nährstoffbilanzierung, könnte man kleinere Betriebe von Dokumentationspflichten freistellen oder für diese stark vereinfachte Regelungen finden. Die Erfassungsgrenze sollte auf mehr als 10 ha hochgesetzt werden. Damit würden viele Landwirtinnen und Landwirte im Nebenerwerb von diesen ungeliebten Pflichten ein Stück weit befreit werden. Die Verwaltungsbehörden könnten sich zudem über Arbeitserleichterungen freuen.
Der seit 2023 verstärkte Ausbau der Umverteilungskomponente in den Direktzahlungen kommt den Nebenerwerbsbetrieben natürlich direkt zugute und kann in Abhängigkeit von der jeweiligen Betriebsgröße zu höheren Direktzahlungen führen. So erhält ein 10 ha großer Betrieb rund 262 Euro mehr (Werte für 2023), ein 30 ha Betrieb etwa 790 Euro und ein 50 ha großer Betrieb ca. 1.500 Euro mehr als zuvor durch die Umverteilungsprämie. Diese Regelungen wurden allerdings bereits vor der letzten Bundestagswahl getroffen.
Im Förderrecht für Investitionen wären Anpassungsschritte für die spezifischen Bedingungen der Nebenerwerbslandwirtschaft ebenfalls angebracht. Dies betrifft insbesondere die investive Förderung von kleineren Vorhaben mit einem stark vereinfachten Verfahren. In der Vergangenheit gab es bereits eine kleine Investitionsförderung. Denn die jetzigen Voraussetzungen mit einem Mindestinvestitionsvolumen, mit Vorwegbuchführung, mit formeller fachlicher Qualifikation und den Betreuungspflichten wirken faktisch ausschließend für kleinere Betriebe und damit insbesondere Nebenerwerbsbetriebe.
Dies gilt umso mehr für mögliche Betriebsneugründungen. Dort, wo Bund und Länder die Verpachtung von bundes- und landeseigenen Flächen bestimmen, wäre mindestens eine Gleichbehandlung von Pachtgeboten von Nebenerwerbsbetrieben angebracht.
Leider hat gerade das Land Mecklenburg-Vorpommern mit einem hohen Anteil von Landesflächen vor Kurzem genau das Gegenteil beschlossen: Pachtanfragen von Nebenerwerbsbetrieben werden dort nachrangig behandelt. Die von vielen Nebenerwerbsbauern beklagte Diskriminierung auf dem Bodenmarkt setzt sich somit fort.
Bildung, Beratung und Qualifikationen sind weitere Felder, auf denen es in vielen Bundesländern noch Gestaltungsbedarf gibt. Aufgrund der zeitlichen Restriktionen vieler Nebenerwerbler sind spezielle Angebote sinnvoll, die es in einzelnen Ländern auch so gibt.
Nebenerwerb in der Landwirtschaft wird heutzutage weniger aus einem Pflichtgefühl heraus betrieben, um die landwirtschaftliche Familientradition fortzuführen. Einkommensaspekte werden zwar als wichtig eingeschätzt, aber die Nebenerwerbslandwirtschaft wird zunehmend aus intrinsischer Motivation betrieben.
Auch ist der Nebenerwerb in der Landwirtschaft in vielen Fällen nicht mehr der „Einstieg in den Ausstieg“. Vielmehr ist er eine stabile Erwerbsform über viele Jahre und mehrere Generationen. Den Menschen in den Betrieben geht es nicht ausschließlich um Selbstverwirklichung und Ausgleich zu einer stressigen Arbeits- und Lebenswelt, aber doch mit steigender Bedeutung.
Soziologisch interpretiert, zeigt sich der gesellschaftliche Trend zur Singularisierung. Das bedeutet, dass Menschen in der postindustriellen Moderne nach Lebensmodellen streben, die individuellen Wünschen und Ansprüchen große Bedeutung zumessen. Damit reiht sich Nebenerwerb in der Landwirtschaft in einen generellen gesellschaftlichen Trend ein.
Für die zukünftige Entwicklung von Landwirtschaft, ländlichen Räumen und einer nachhaltigen Entwicklung besitzen Nebenerwerbsbetriebe Potenziale. Wirtschaftlich stehen sie weniger unter Anpassungsdruck als Haupterwerbsunternehmen. Viele Landwirtinnen und Landwirte im Nebenerwerb wirtschaften ohnehin eher extensiv und damit tendenziell umweltfreundlicher, selbst wenn sie keine zertifizierten Biobetriebe sind.
Diesen positiven Ausgangsbedingungen stehen aber auch gravierende Herausforderungen gegenüber. Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass Vorgaben zur Dokumentation und die umfangreichen Kontrollen als Belastung empfunden werden. Die agrarpolitischen Rahmenbedingungen und das Förderrecht entfernen sich so immer weiter von der Lebensrealität in der Landwirtschaft. Es wäre erstrebenswert, wenn der große Beitrag der Nebenerwerbslandwirtschaft von Politik und Verwaltung zukünftig stärker erkannt würde. Dieser Beitrag ist mehr als nur Produktion. Zukünftige Gestaltung von Agrarpolitik sollte die besonderen Belange von Landwirtinnen und Landwirten im Nebenerwerb besser berücksichtigen.
Teil 1 der Umfrage zur Situation der Betriebe im Nebenerwerb in der Landwirtschaft thematisiert die Ergebnisse zur Gründung und zu den Strukturen von Nebenerwerbsbetrieben. Teil 2 gibt Auskunft zu Technisierung, Investitionen, Einkommensbeitrag und Motivation auf den nebenberuflich geführten Höfen.
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Die Dresdner Vorgebirgs Agrar AG steht kurz vor der Fertigstellung ihres „Kuhgartens“ in Kreischa-Kleincarsdorf. Das innovative Stallbaukonzept soll dank weideähnlicher Bedingungen das Tierwohl erhöhen und zugleich moderne Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter bieten. Juristische Auseinandersetzungen mit der Gemeinde hatten den Bau der Milchviehanlage verzögert und die Kosten erhöht.
Wie das Unternehmen mitteilt, befinden sich die Bauarbeiten aktuell in der Schlussphase. Bis Ende Juni dieses Jahres sollen sie abgeschlossen sein. Während das Technikgebäude bereits vollständig fertiggestellt und einsatzbereit sei, seien die Beton- und Stahlbauarbeiten zu 90 % und die Dacharbeiten zu 75 % abgeschlossen. Parallel dazu laufen die Elektro- und Klempnerinstallationsarbeiten, die in den kommenden Wochen ebenfalls finalisiert werden. Die Robotertechnik für das Melken, das Füttern und die Stalltechnik seien bereits angeliefert.
„Wir sind ausgesprochen zufrieden mit dem reibungslosen Baufortschritt“, erklärt Ingolf Schulze, Vorstandsvorsitzender der Dresdner Vorgebirgs Agrar AG. „Dass es keinerlei Verzögerungen durch Materiallieferungen oder Witterungseinflüsse gab, ist angesichts der Herausforderungen, die die Wintermonate oft mit sich bringen, eine bemerkenswerte Leistung.“
Der Kuhgarten in Kreischa wird Platz für bis zu 630 Milchkühe und 145 Kälber bieten. Das Stallkonzept der Milchviehanlage, das erstmals 2015 vom Milchproduzenten Chris Bomers in Groenlo, Niederlande, umgesetzt worden war, ist nach Aussage des Unternehmens auf die natürlichen Bedürfnisse der Kühe abgestimmt. Großzügige Freilaufflächen von über 12 m2 pro Tier, komfortable Liegeflächen und ein emissionsarmes Stallklima mit natürlichem Licht schaffen ein gesundes Umfeld.
Die Stallhülle beruht auf dem „Serrestall“-Konzept (französisch für Wintergarten), das ein Stahlgerüst mit einer Zweikomponenten-Dachmembran kombiniert. Spezieller Bodenbelag, sogenannter „High Welfare Floor“ sowie integrierte Bepflanzungsinseln sollen weideähnliche Bedingungen im Inneren des Stalls schaffen und das Tierwohl erhöhen. Die moderne, auf Robotiklösungen beruhende Stalltechnik, die in der Anlage zum Einsatz kommt, wird den Mitarbeitern die Arbeitsbedingungen erleichtern. Zudem sollen ihnen flexible Schicht- und Arbeitszeitmodelle angeboten werden.
Trotz des zügigen Baufortschritts klagt die Dresdner Vorgebirgs Agar AG über erhebliche Verzögerungen ihres Bauprojektes. Wertvolle Zeit und erhebliche finanzielle Mittel seien durch die juristischen Einsprüche und Verfahren der Gemeinde Kreischa verloren gegangen. „Der Baustart wurde durch diese Verfahren doch um ein ganzes Jahr verzögert, obwohl alle notwendigen Genehmigungen von Anfang an vorlagen“, betont Lutz Müller, ebenfalls Vorstandsmitglied der Dresdner Vorgebirgs Agrar AG.
Diese Verzögerung habe insbesondere in Hinblick auf die Finanzierung weitreichende Folgen gehabt, denn durch die zwischenzeitlich erheblich gestiegenen Zinsen seien die Investitionskosten in die Höhe getrieben worden. Von der ursprünglich geplanten Übersiedlung des Agrarunternehmens von Bannewitz nach Kleincarsdorf sehe man daher ab, heißt es aus der Dresdner Vorgebirgs Agrar AG. Damit würden der Gemeinde auch potenzielle Gewerbesteuereinnahmen entgehen.
Dennoch setze man auf die erfolgreiche Fertigstellung des Kuhgartens in Kreischa und die damit verbundene Weiterentwicklung der Landwirtschaft in der Region. Die Anlage sei auch ein Zeichen für eine innovative, nachhaltige und wirtschaftlich tragfähige Zukunft der Milchviehhaltung. Man freue sich auf die Eröffnung des Kuhgartens, so die beiden Vorstandsvorsitzenden.
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Die Winzervereinigung Freyburg-Unstrut eG hat Ende Februar auf ihrer Generalversammlung Bilanz für das vergangene Wirtschaftsjahr gezogen, das den Zeitraum 1. September 2023 bis 31. August 2024 umfasst. Wie die Genossenschaft dazu mitteilte, sorgte die 2023er-Ernte mit knapp 2,4 Millionen Litern Wein für einen soliden Grundstock (2022: 2,7 Mio. l) im Geschäftsjahr 2023/24.
Die Qualität der Trauben bot mit einem durchschnittlichen Mostgewicht von 84 Grad Oechsle zudem eine gute Basis für beste Weine. So holten Tropfen des größten mitteldeutschen Weinproduzenten allein auf der DLG-Bundesweinprämierung 32 Medaillen, davon fünf in Gold. Die Genossenschaft wurde 2024 zudem erstmals in ihrer Geschichte mit dem Bundesehrenpreis in Bronze ausgezeichnet.
Die hohe Qualität der Weine schlage sich auch in der Nachfrage nieder. Diese habe im Wirtschaftsjahr 2023/24 mit 1,7 Mio. l befriedigt werden können. Das sei ein Plus von rund 14 % zum Vorjahr im Absatz und Umsatz. So habe sich die Genossenschaft weiter erholen können, erklärte Vorstandsvorsitzender Marten Keil.
Allerdings spiegelten sich aktuelle gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Entwicklungen und Ereignisse immer stärker in deren Bilanzen wider. Keil nannte u. a. Inflation, Kaufzurückhaltung, Energiepreise und Kostensteigerungen, z. B. in der Transportbranche, die sich hemmend auswirkten. Dem müsse die Winzervereinigung Freyburg-Unstrut entschlossen begegnen.
Ein Weg dazu sei die Verbesserung der Ertragslage durch den weiteren Ausbau des hauseigenen Vertriebsteams. Dieses kümmere sich vor allem um den Lebensmitteleinzelhandel (LEH), in dem die Genossenschaft mehr als die Hälfte ihres Weins umsetze. Immerhin sei hier einen Zuwachs von über 10 % zu verbuchen, der Mut mache für kommende Absatzziele.
Der Absatz der Gastronomie schwächele weiterhin, hier schlage sich die Zurückhaltung der Endverbraucher direkt nieder. Zulegen würde dagegen seit Jahren der Direktabsatz über die Weingalerie. Hier vermarkte man zwar nur knapp 9 % aller Genossenschaftsweine, generiere damit aber 15 % des Gesamtumsatzes. Ausgezahlt habe sich zudem die wachsende Präsenz auf Festen, Märkten und Veranstaltungen.
Dieser Trend setze sich auch in der ersten Hälfte des laufenden Wirtschaftsjahres fort, alle Vertriebsbereiche legten weiter zu. Dabei werde von den guten Ernten der beiden Vorjahre profitiert. 2024 konnten die Mitglieder aufgrund spätfrostbedingter massiver Ertragsausfälle mit 675.000 l nur etwa ein Viertel der sonst üblichen Menge liefern. Beliebte Rebsorten wie Bacchus oder Kerner könnten deshalb knapp werden. Dem werde mit neuen Produkten für den LEH entgegengesteuert, ergänzte die amtierende Geschäftsführerin, Viola Werner.
Ende 2024 waren 322 Winzer in der Genossenschaft organisiert, 80 weniger als zehn Jahre zuvor. Die Rebfläche blieb aber in etwa konstant und weist jetzt 389 ha aus. Es sind vor allem Hobbywinzer, die nur wenige Ar Rebfläche bewirtschaften, keinen Nachfolger finden und deshalb aufgeben. Betroffen sind davon oftmals arbeitsintensive Steillagen. Größere Betriebe nutzten demgegenüber die Chance zum Aufreben und glichen so die Verluste aus. Bei turnusmäßigen Wahlen wurden Marten Keil (Vorstand) und Andreas Ehm (Aufsichtsrat) in ihrem jeweiligen Ehrenamt bestätigt.
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Bei unserem Praxispartnerbetrieb, der Vipperow Agrar GmbH & Co. KG in Priborn war es in den vergangenen zwei Wochen ein wenig ruhiger geworden. Einzig im Hofladen. Dort geben sich die Stammkunden weiterhin die Klinke in die Hand. Futtergetreide fürs Geflügel und Speisekartoffeln für den eigenen Haushalt einkaufen und dabei Neues aus dem Dorf erfahren.
Zwischendurch erhielt der Winterraps Anfang Februar die erste Gabe Stickstoff und eine Grunddüngung mit den Nährstoffen Kalium und Magnesium. Normalerweise wäre es mit der Stickstoffdüngung der Gerste weitergegangen, aber der vorübergehende strenge Bodenfrost und der Schnee führten dazu, dass ein kurzer „Boxenstopp“ eingelegt werden musste. Denn wenn der Boden gefroren, schneebedeckt oder wassergesättigt ist, dürfen stickstoff- und phosphathaltige Düngemittel nicht ausgebracht werden. Diese Regelung gelte für Acker- und Grünland gleichermaßen, erklärt mir Betriebsleiter Johannes Gawlik. Das sei in der Düngeverordnung klar geregelt und solle der Abschwemmungsgefahr beim Auftauen vorbeugen.
Manchmal wäre es trotzdem sinnvoll, morgens auf den noch frostigen Acker fahren zu dürfen, gerade dann, wenn abzusehen sei, dass dieser am Tage auftaue. So könnten die Nährstoffe rechtzeitig an den Pflanzen ankommen, sagt der Junglandwirt.
Als nächstes erfolge nun die Düngung der Getreidekulturen Gerste, Weizen und Roggen. Dank einer langjährigen organischen Düngung sei der Phosphorgehalt im Boden ziemlich hoch. Er liege überwiegend in der Gehaltsklasse D (hoch).
„Generell bestellen wir die Düngemittel im Laufe des Jahres, wenn die Preise moderater sind. Beliefert werden wir dann im Januar oder Anfang Februar und lagern den Dünger trocken und abgedeckt in unseren Hallen, bis er ausgestreut wird. Grundsätzlich werden unsere Mitarbeiter eingewiesen, wie das mit der Düngetechnik funktioniert“, sagt Johannes Gawlik. Denn es handele sich um die gleiche gewissenhafte Aufgabe wie die Aussaat, der Pflanzenschutz, die Ernte oder auch die notwendige jährliche Feldrandpflege, die aus Gründen des Naturschutzes bis Ende Februar abgeschlossen sein müsse.
Es gehe nicht nur darum, dass die Büsche und Bäume an den Ackerrändern die Erntemaschinen bei ihrem Einsatz beeinträchtigen, sondern auch darum, das dichte und alte Geäst rauszuschneiden, um die Bestockung der Gehölze wieder anzuregen.
„Auch haben wir angefangen die Randbereiche der Ackersölle – das sind teils wassergefüllte Senken in der Landschaft – mit Bäumen zu bepflanzen. Das ist sinnvoll und verbessert die strukturelle Vielfalt in unserer Kulturlandschaft. Die Sölle haben ihren Zweck und können in extremen Feuchtzeiten viel Wasser aufnehmen und in Trockenzeiten ihr Wasser langsam an unsere Ackerflächen zurückgeben. Zudem sind das wichtige Lebensräume für Pflanzen und Tiere“, erklärt Johannes Gawlik. Gepflanzt wurden Erlen und Sandbirken, die mit den unterschiedlichen Wasserverhältnissen gut zurechtkommen.
Initiative hat die Vipperow Agrar GmbH & Co. KG bei einem innovativen Agri-Photovoltaik-Projekt in der Nachbargemeinde Bollewick im Ortsteil Wildkuhl (MV) ergriffen. In einem seit 2010 existierenden Bio-Legehennenbetrieb wollen sich die Priborner an der Umsetzung einer Agri-Photovoltaikanlage mit gleichzeitiger landwirtschaftlicher Nutzung beteiligen.
Es handelt sich dabei um ein Gemeinschaftsprojekt der Gesellschaft für regionale Teilhabe und Klimaschutz (gtk), von ansässigen Landwirten sowie weiteren regionalen Partnern. Im Hühner-Auslauf der Bio-Naturland-Verbandsställe von Landwirt Georg Meyer soll eine Photovoltaikanlage mit 23 MWp Leistung und einer Dreifachnutzung errichtet werden. Die Anlage soll den Strombedarf des Legehennenbetriebes decken und den überschüssigen Strom ins Netz einspeisen.
Der Legehennenbetrieb und das Dorf würden in mehrfacher Hinsicht von der Solarstromproduktion profitieren, sind sich Georg Meyer, Johannes Gawlik und Antje Styskal, Bürgermeisterin der Gemeinde, sicher. Für jede im Solarpark erzeugte Kilowattstunde Strom könne die Gemeinde bis zu 0,2 Cent je Kilowattstunde erhalten, für die PV-Anlage in Wildkuhl wären das jährlich rund 50.000 Euro. Für die Einwohner von Wildkuhl solle es zudem einen jährlichen Solarstrombonus geben.
Nachdem die Gemeinde Bollewick den Vorentwurf des B-Plans im Herbst 2024 beschlossen hatte und dieser im Januar 2025 öffentlich ausgelegt wurde, ging es in der vergangenen Woche im Gutshaus Wildkuhl darum, mit den Einwohnern ins Gespräch zu kommen und über Ziele, Zwecke und eventuelle Bedenken zu diskutieren.
Geplant ist ein Mischsystem aus fest ausgerichteten und nachgeführten PV-Modulen. Die fest ausgerichteten Module sollen rings um die Stallanlagen errichtet werden. Da sich die Legehennen vor allem in diesem stallnahen Bereich aufhalten, so Landwirt Georg Meyer, biete das den Tieren idealen Schutz vor Greifvögeln wie dem Seeadler, der regelmäßig über der Anlage kreise und großen Schaden anrichte.
Die nachgeführten Module der Agri-Photovoltaik-Anlage in MV sollen sich im äußeren Bereich automatisch nach dem Sonnenstand ausrichten. Das steigere den Stromertrag, insbesondere in den Morgen- und Abendstunden, erklärte Björn Wieneke, Projektleiter PV der gtk.
Dort sind Anpflanzungen in Reihen mit Sanddorn und Fruchtrose (Hagebutte) geplant, so Johannes Gawlik. Der Bedarf an den gesunden heimischen Früchten sei groß und habe ihn daher motiviert, sich an diesem Projekt zu beteiligen, um hoffentlich die Produktpalette der Vipperow Agrar zu erweitern. Insgesamt rechnet er mit 500 Sträuchern pro Hektar Fläche. Die spätere Bewirtschaftung mit einer Wildfruchterntemaschine sei wegen der Reihenabstände zwischen den PV-Modulen problemlos möglich. Vorerst erfolgt eine versuchsweise Pflanzung. Ziel sei, die Solaranlage 2026 zu bauen und in Betrieb zu nehmen.
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Die Maul- und Klauenseuche (MKS) hat zu Beginn des Jahres eine Schockwelle ausgelöst. Und auch das vergangene Jahr sah für viele Tierhalter aufgrund des Blauzungenvirus (BTV) nicht gut aus. Diese Welle könnte, mit den warmen Temperaturen im März, nun auch wieder ins Rollen kommen. Werden solche Krankheitsausbrüche in Zukunft häufiger auftreten? Was erwartet Milchviehhalter und wie können sie sich besser vorbereiten?
Darüber sprach die Bauernzeitung mit Prof. Dr. Martin Pfeffer. Er ist Professor für Epidemiologie am Institut für Tierhygiene und Öffentliches Veterinärwesen der Universität Leipzig und beschäftigt sich mit der Verbreitung von Krankheiten und Tierseuchen sowie deren Vektoren.
Herr Professor Pfeffer, der Ausbruch der MKS zeigt, wie schnell sich die Situation ändern kann. Wie gut sind die hiesigen Betriebe auf solche Ausbrüche vorbereitet?
Ehrlich gesagt kann man sich gegen die Einschleppung einer so extrem kontagiösen und ökonomisch bedeutsamen Tierseuche wie der MKS nur dadurch schützen, dass man mit anerkannt MKS-freien Ländern handelt. Dies gilt nicht nur für die Tiere selbst, sondern auch die tierischen
Nebenprodukte. Letztere waren wohl auch bei dem Ausbruch in Brandenburg im Spiel, da dort seit längerem keine Tiere mehr zugekauft wurden.
Dieser Ausbruch zeigt für mich vor allem zwei Dinge: Unsere Veterinärbehörden inklusive der Referenzlabore arbeiten hervorragend und zweitens, dass genannte Handelsbeschränkungen und weitere Regelungen uns beziehungsweise die Rinderpopulation fast vier Jahrzehnte gut geschützt haben vor dem Eintrag der MKS.
Von welchen Tierseuchen sind Milchviehbetriebe in Deutschland besonders betroffen?
Momentan sind es die Infektionskrankheiten, die durch Gnitzen übertragen werden. Das sind Viruserkrankungen wie das Blauzungen- oder das Schmallenberg-Virus, die uns große Sorgen bereiten. Und diesen Infektionen ist mit den normalen hygienischen Maßnahmen schwer Herr zu werden. Das Einzige, was wirklich hilft, ist die Impfung.
Bei dem BTV-8-Ausbruch von 2004, auch der war für Deutschland völlig neu damals, wurde zügig ein Impfstoff entwickelt und dann eine Zwangsimpfung angeordnet. Mit der wurde das Geschehen innerhalb von einem Jahr fast auf null gedrückt. Das war eine Erfolgsstory. Auch wenn sich damals viele gewehrt haben, gerade in den Randgebieten, wo es nur seltener vorkam. Eine Zwangsimpfung kommt dieses Mal für BTV-3, glaube ich, eher nicht. Aber sowas weiß man vorher nicht.
Und als nächstes steht der Serotyp BTV-12 schon vor der Tür. Es besteht keine sogenannte Kreuzprotektion, das heißt: Ein Impfstoff gegen BTV-8 schützt nicht gegen BTV-3 oder BTV-12.
Warum kann sich das Blauzungenvirus bei uns jetzt so gut ausbreiten?
Diese Erkrankung haben wir die letzten 20 Jahre komplett unterschätzt. Wir kannten zwar das Virus, aber dieses kam immer nur im Mittelmeerraum vor. Außerdem dachte man damals, dass nur die dort heimische Gnitze Culicoides imicola in der Lage ist, das Virus zu übertragen.
Und als es dann in Holland das erste Mal auftrat, 2004, da wurde man eines Besseren belehrt. Der Vektor kam eben nicht über die Alpen, sondern „nur“ das Virus zu uns. Und dann waren die einheimischen Vektoren in der Lage, das wunderbar zu verbreiten. Das neue Pathogen kam in eine naive Wiederkäuer-Population und ist wie eine Blendgranate eingeschlagen, weil es eben keinerlei vorherige Immunität gibt.
Im Stall gibt es aber noch andere Schädlinge: Ektoparasiten oder Schadnager, die auch Krankheiten übertragen. Das sind vor allem bakterielle Erkrankungen wie Eiter- oder Mastitiserreger. Die werden beispielsweise über die Nagetiere im Stall oder zwischen verschiedenen Abteilen im Stall verbreitet. Aber das ist nichts Exotisches und schon lange bekannt. Bei den Gnitzen ist es halt immer etwas, was uns dann kalt erwischt.
Wie können sich die Betriebe besser schützen?
Für solche Szenarien sind wirkungsvolle Impfstoffe das beste Mittel zum Schutz der Tiere. Früher hatten wir sehr viele Viehseuchen. Die haben wir aber durch rigorose Bekämpfung alle in den Griff bekommen. Auch klassisch übertragbare Rinderinfektionskrankheiten haben wir quasi gar nicht mehr. Tiere, die die Erreger aufweisen, wurden gemerzt und der Rest wurde geimpft oder separiert.
So hat man freie Bestände aufgebaut und gesagt: Jetzt erhalten wir diesen Status, indem wir ein Regularium schaffen und nur von geprüft erregerfreien Betrieben zukaufen. Das haben wir europaweit geschafft. Allerdings machen diese vektorenübertragenen Seuchen uns jetzt einen riesigen Strich durch die Rechnung.
Welche Rolle spielen eine systematische und regelmäßige Schädlingsbekämpfung sowie Reinigung und Desinfektion?
Eine absolut große Rolle. Insbesondere was Erkrankungen wie Euterkrankheiten aber auch normale Hauterkrankungen angeht. Auch wenn ich an die Klauengesundheit denke, ist es absolut essenziell, dass die Tiere nicht nur im Mist stehen. Dazu gibt es auch sehr schöne Studien, dass man mit speziellen Gummimatten die Anzahl der Klauengeschwüre deutlich reduzieren kann. Damit ist schon sehr viel für die Tiergesundheit und das Tierwohl getan.
Wenn man den Tieren dazu noch einen anderen Tritt-Komfort gibt und sei es nur auf dem Weg zum Melkstand, hat man schon sehr viel erreicht. Wenn die Fläche regelmäßig sauber gemacht wird, ist das noch besser, denn es gibt immer eine Verletzungsgefahr. Zum Beispiel, wenn die Klaue am Spaltenboden hängen bleibt oder gegen etwas stößt. Sowas passiert und deswegen ist die regelmäßige Reinigung und Desinfektion so wichtig.
Was können Betriebe bei ihrem Hygienekonzept verbessern?
Bei den Schweinen gilt schon seit langer Zeit das Komplettprogramm, beispielsweise beim Rein-Raus-Verfahren. Das ist bei Rindern schwieriger zu implementieren. Aber auch hier gäbe es Möglichkeiten.
Beispielsweise wenn ein Betrieb Iglus für die Kälber vorbereitet, dann müssen die einfach mit Disziplin sauber gemacht und desinfiziert werden. Dann hat der Betrieb auch weniger Kokzidien oder andere Durchfallerreger, die sonst wieder auf das nächste Kalb übergehen können. Ansonsten ist auch die Desinfektion oder der Stiefelwechsel beim Reingehen sehr wichtig. Wie das jeweils gehandhabt wird, müssen die Betriebe individuell anpassen. Aber mit der Standardisierung, dass wirklich jeder das gleiche Prozedere hat, ist schon viel gewonnen.
Mittlerweile haben viele Betriebsleiter auch studiert. Gerade hier im Osten bei den großen Betrieben sind das alles gut ausgebildete Leute. Die achten bereits sehr genau auf so etwas.
Der Klimawandel wird voraussichtlich zu feuchteren, wärmeren Wintern und längeren Wärmeperioden im gesamten Jahr führen. Wie wird sich das auf die Verbreitung und Vermehrung von Vektoren auswirken?
Das wird sicherlich zunehmen, davon bin ich ganz fest überzeugt. Zum einen haben exotische Vektoren hier bei uns mittlerweile ein Gebiet, was für sie warm genug ist. Die Vermehrung der Pathogene in den Vektoren läuft ebenfalls schneller, weil es wärmer ist. Das Problem ist: Wir können uns ganz schlecht vor diesen Vektoren schützen. Denn wir können nicht vor jeden Kuhstall oder Eingang ein Mückennetz hängen. Da haben wir ganz wenig Handhabe, um direkt zu agieren.
Wir kennen das von der Biozidverordnung. Das ist eine Güteabwägung. Sie können nicht einfach Insektizide zur Mückenbekämpfung ausbringen. Das geht nicht wegen der möglichen Kollateralschäden nützlicher Insekten. Gerade hinsichtlich des Naturschutzes ist das nicht machbar. Deswegen haben wir bei solchen Sachen einfach Defizite.
Könnte das zu einer Verbreitung neuer Tierseuchen führen?
Es ist sehr gut möglich, dass sich durch den Klimawandel neue Tierseuchen ausbreiten. Vielleicht etablieren sich bei den Vektoren auch noch mehr fremde Arten. Die könnten dann wieder andere Erreger mitbringen oder welche, die einheimische Arten effektiver verbreiten können. Das ist ein Wechselspiel von Eigenschaften, von denen wir viele noch gar nicht kennen.
Also beispielsweise die ganze Serie von Blauzungen-Viren: BTV-8, BTV-3, BTV-12, da gibt es insgesamt 24. Einige davon kommen bereits in Spanien und Frankreich vor. Aber wir wissen nicht, wie lange es dauert, bis diese auch hier sind. Und dann gibt es noch die Epizootische Hämorrhagische Krankheit (EHD). Das alles steht vor unserer Haustür. Mit dem Klimawandel werden noch viele Seuchen auf uns zukommen.
Gerade die Stallbauer müssen mit Blick auf den Klimawandel überlegen: Wie kann die Durchlüftung verbessert werden? Wie kann eine kühle Bedachung umgesetzt werden? Das ist eine Herausforderung für die Zukunft. Da tut sich sehr viel, aber es kann auch nicht immer alles gemacht werden. Die optimale Lösung gibt es auch hier nicht. Das heißt: Je offener der Stall konstruiert ist, desto leichter kommen natürlich fremde Tiere und damit Vektoren rein. Diese Entwicklungen haben immer zwei Seiten.
Wie können sich die Betriebe auf diese Entwicklung vorbereiten und schützen?
Einfach wird das nicht. Aber ein engmaschiges Monitoring ist wirklich hilfreich. Das gilt für die Schadnager und da ist es bei den meisten Betrieben auch prima implementiert. Aber vielleicht könnte das in der Zukunft noch ausgeweitet werden. Beispielsweise durch das Aufhängen von Gnitzen- und Stechmückenfallen oder Ähnlichem. Mit denen kann die Häufigkeit dieser Vektoren und damit auch die Wahrscheinlichkeit des Eintrags von Erkrankungen in den Stall beobachtet werden.
Außerdem müssten die Landwirte mehr geschult werden. Weil sie vielleicht mit den Geräten für das Monitoring nicht gut umgehen können oder eventuell überhaupt nicht wissen, was das für eine Bedeutung hat. Ebenso wie ein enges Hygienemanagement. Aber in einem Rinderstall können heutzutage nicht 100 % Biosicherheit gewährleistet werden.
Bei den Schweinen ist das ganz anders. Da ist vieles fest implementiert und allgemein akzeptiert. Es wurde über die Schweinehaltehygieneverordnung ein Pool an Maßnahmen geschaffen, die einen hohen Hygiene- und Biosicherheitsstandard garantieren. Und auch wenn jemand Schweine mit Auslauf hält, dann muss er sich an bestimmte Regeln halten. Das haben wir beim Rind nicht. Also ist auch da noch Luft nach oben.
Im Fall eines Seuchenausbruchs: Wie sollten Tierhalter reagieren, was sollten sie beachten?
Dazu gibt es Vorgaben im Tiergesundheitsgesetz. Ein Seuchenausbruch oder sogar der Verdacht auf eine Seuche muss sofort angezeigt werden. Das heißt, hier muss unbedingt das Veterinäramt konsultiert werden. Entweder direkt oder über den bestandsbetreuenden Tierarzt. Dazu ist der Halter verpflichtet.
Dafür gibt es in Deutschland das Regelwerk, dass anzeigepflichtige Tierseuchen schon beim Verdacht angezeigt werden müssen. Und nicht erst, wenn ich eine Bestätigung durch die Laborprobe habe. Denn Tierseuchen haben eben den Charakter, dass sie sich rasch großflächig ausbreiten. In solchen Fällen ist schnelles Handeln geboten.
Wie können Viehhalter das Risiko von Krankheitseinschleppungen am effektivsten minimieren?
Ich glaube, die meisten Landwirte kennen die Grundlagen. Zum Beispiel, dass die ganzen Gerätschaften regelmäßig gereinigt und desinfiziert werden müssen. Sei es das Melkbesteck oder die Wassertränken. Je mehr sie auf diese Aspekte achtgeben, desto niedriger ist der Eintrag oder die Verbreitungsoption von irgendwelchen Bakterien, die sie nicht haben wollen. Also je mehr Tierhalter in diese allgemeinen Hygienemaßnahmen investieren, desto sicherer sind sie.
Sie müssen sich fragen: Wer kann denn überhaupt in meinen Stall rein? Muss jeder rein und meine Kuh streicheln? Oder sind beim Eingang schon mal eine Desinfektionsmatte, ein Desinfektionsspender und auch ein Schild, auf dem steht: Das dürft ihr und das dürft ihr nicht machen. Solche Sachen wissen wahrscheinlich die meisten Landwirte und Betriebe schon selbst. Vielleicht ist aber einfach die Umsetzung nicht immer so gut, wie sie vielleicht sein könnte.
Wir reden dabei aber von zwei gegenläufigen Interessen. Auf der einen Seite will ich alles transparent und tiergerecht haben, aber auf der anderen auch biosicher. Das ist kein leichtes Brot und es gibt auch keine generelle Lösung. Da sind wir bei den Schweinen schon viel weiter. Einfach dadurch, dass wir ganze Kohorten haben, die diesen Prozess durchlaufen. Und dieser ist maximal standardisiert und industrialisiert. Das haben wir aber bei den Rindern nicht.
Das EHD-Virus (Epizootische Hämorrhagische Krankheit) ist mittlerweile in Mittelfrankreich angekommen. Müssen sich deutsche Betriebe auf eine neue Krankheitswelle vorbereiten?
Bei EHD haben wir das gleiche Problem wie beim BTV: Es gibt verschiedene Serotypen. Das bedeutet, zuerst muss festgestellt werden, um welchen Serotyp es sich handelt. Und für den brauche ich dann einen eigenen Impfstoff. Von der klinischen Ausprägung her kann EHD sehr leicht mit BTV verwechselt werden. Es gehört auch zu der gleichen Gruppe von Viren. Also es ist gleich aufgebaut und der Verlauf ist auch sehr ähnlich. Nur halt mit einem anderen Namen, aber das heißt nicht viel. Oft unterscheidet sich das nur semantisch. Epidemiologisch ist das aber im Grunde sehr ähnlich.
Momentan ist es hier noch nicht angekommen. Die Diagnostik-Labore hier in Deutschland sind eigentlich so gut, dass sie das finden würden. Trotzdem würde ich jetzt davon ausgehen, dass es herkommt. Aber ich weiß nicht, ob wir uns tatsächlich direkt für dieses Jahr darauf vorbereiten müssen oder für das nächste oder übernächste Jahr. Aber ich bin sicher: Das ist einer der Kandidaten, der über die gleichen Vektoren verbreitet wird, wie die, die jetzt schon bei uns große Unruhe stiften.
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Derzeit sind Wiesen und Äcker im Spreewald von Hunderttausenden Wildgänsen bevölkert. Mit großem Geschrei und Geschnatter fallen die Wildgänse allabendlich ein. Sie bleiben meist tagelang an gleicher Stelle, um dann auf benachbarte Flächen zu wechseln. Ältere Spreewälder können sich nicht erinnern, je solche von Jahr zu Jahr größer werdenden Schwärme gesehen zu haben.
Für Ornithologen und auch für die Spreewälder Naturwacht ist dieses Massenvorkommen ein Ausdruck geänderter klimatischer Verhältnisse. Die Wildgänse weichen von ihren nordischen Brutgebieten nicht mehr tief in südlichere Regionen aus, die milden Winter der letzten Jahre lassen auch ein Verweilen in unseren Regionen zu. Alexander Hoschke von der Naturwacht: „Die Tiere schaden eigentlich nicht grundsätzlich Natur und Landwirtschaft, aber ihr massenhaftes Vorkommen kann schon mal den Aufwuchs der Wintersaaten beeinträchtigen.“
Die Landwirte sehen es ähnlich, wenn auch etwas differenzierter. Thomas Goebel von der Göritzer Agrar GmbH: „Wir beobachten jährlich zunehmend mehr Flächenverödungen in Größenordnungen, wir müssen nachsäen, bekommen aber den Mehraufwand nicht erstattet. Unsere abgeernteten Maisflächen brechen wir erst im Frühjahr um, um die Wildgänse auf diese Flächen zu locken – leider ohne befriedigendes Ergebnis: Wintersaaten werden einfach bevorzugt.“
Er ist wie andere Landwirte der Meinung, dass die Wildgänse von bestimmten Flächen vergrämt werden müssen. „Die Gänse sind sehr lernfähig und bleiben dann solchen Flächen fern. Der Klimawandel zwingt zu pragmatischem Handeln – so einen riesigen Schwarm anzusehen und zu erleben, mag schön sein, doch wir sehen auch die Schäden, die wir Landwirte auf unsere Kosten kompensieren müssen“, so Goebel. Andererseits bedeutet ein Aufjagen den Hunger auf die frischen Saataustriebe zu befördern, denn der Energieverbrauch der Tiere steigt dadurch an.
Das Brandenburger Jagdrecht setzt Schonzeiten für die verschiedenen Wildgansarten fest, die im Kern von August bis Ende Januar reichen. Eine mögliche Bejagung im Februar kommt dann zu spät, besonders in milden Wintern, denn dann ist der Schaden am Pflanzgut vielleicht schon zu groß. Die Bejagung ist auch praktisch ein Problem, denn mit dem ersten Schuss erhebt sich der ganze Schwarm in die Lüfte! Im Jagdrecht ist auch verankert, dass bei der Wasserwildjagd ein „wasserwildtauglicher“ Hund mitzuführen ist, der die Jagdbeute aus dem Wasser zum Jäger bringen kann.
Das Brandenburger Jagdgesetz lässt zwar in Ausnahmefällen eine Bejagung zur Schadenabwehr zu, doch ist dies schwer umsetzbar, denn sie gilt nur für Grau-, Bless- und Kanadagänse. In den niedersitzenden Schwärmen befinden sich allerdings manchmal sehr seltene Unterarten wie die Waldsaatgans, die unter strengem Schutz steht.
Vogelkundler sind überzeugt, dass Gänse durch ihre Ausscheidungen zur Verbreitung von Samen aller Art beitragen, sie befördern somit die Biodiversität und Naturgesundheit durch Artenausgleich.
Sie durchlüften den Boden, während sie nach Nahrung suchen. Diese Art der natürlichen Bodenbearbeitung bietet Landwirten sogar Vorteile, da sie die Bodenstruktur angeblich verbessert und die Fruchtbarkeit erhöht.
Dem wird nicht grundsätzlich widersprochen, das mag auch für kleinere Populationen zutreffen, doch die riesigen Schwärme sind einfach eine zu große Belastung für die Böden und Äcker. Betroffene Landwirte erwarten ein Monitoring, um letztlich Überpopulationen zu vergrämen oder gar bejagen zu dürfen. „Wenn es keine derartigen Maßnahmen gibt, werden die Schwärme und mit ihnen die Probleme von Jahr zu Jahr größer“, ist sich Thomas Goebel, der zugleich Vorsitzender des Bauernverbandes Südbrandenburg ist, sicher.
Die im Winter meist abgelassenen Teiche sind ebenfalls ein beliebter Aufenthaltsort für Wasservögel aller Art, besonders für die Wildgänse. Hier finden sie, frostfreies Wetter vorausgesetzt, reichlich Nahrung und auch Schutz. Kaum ein Räuber, egal ob Fuchs oder Wolf, nähert sich durch den Schlamm den Tieren, die ohnehin sehr wachsam sind. Schon bei geringer Störung fliegen sie auf. Das regelmäßige Auffliegen ist zum Training der Flugmuskulatur ohnehin nötig, schließlich benötigen sie zum Erreichen ihrer Brutgebiete Kraft und Ausdauer.
Der Stradower Fischer Karl Winkelgrund ist von dem massenhaften Erscheinen der Wildgänse nicht ganz so betroffen wie die Landwirte. Doch es gibt eine Ausnahme: „Wenn ich im Spätherbst die Fische durch Ablassen des Wassers an einen Ort zur Entnahme konzentrieren muss, sich aber im Wasserzulauf Tausende Wasservögel aufhalten, dann vergiften deren Ausscheidungen meine Fische, die ohnehin schon so kurz vor dem Abfischen unter Stress leiden und erhöhten Sauerstoffbedarf haben.“ Winkelgrund fordert ebenfalls eine Bestandskontrolle, denn auch andere Arten wie Kormoran, Silber- und Graureiher sind stark im Zunehmen begriffen und belasten die Fischwirtschaft.
„Ich bin als Biologe und Fischer der Natur sehr zugetan und erfreue mich an ‚normalen‘ Tierbeständen – doch zu viel ist zu viel, die Politik muss endlich handeln. In den skandinavischen Ländern gibt es beispielsweise Mindestgrenzen für eine Bestandssicherung, alle darüber hinausgehenden Populationszahlen dürfen bejagt werden“, fasst Karl Winkelgrund zusammen, was ihn und die Landwirte der Spreewaldregion bewegt und was er von der Politik erwartet.
Er, wie alle anderen Betroffenen auch, sehen den aktuell nun wieder nach Norden ziehenden Wildgänsen irgendwie erleichtert nach, sie wissen aber auch, dass sich alles wiederholen wird – und hoffen bis dahin auf gesetzliche Regelungen.
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Wie kommt es, dass ein Stadtkind plötzlich seine Leidenschaft für Landwirtschaft entdeckt? Und das Wirtschaften auf sandigen Böden als eine Herausforderung versteht, die Kräfte freisetzt und einen entspannten Umgang mit Vorurteilen ermöglicht? Darüber sprachen wir mit Jana Gäbert, der
für die Tierhaltung zuständigen Geschäftsführerin der Agrargenossenschaft Trebbin. Die dreifache Mutter
setzt sich mit Energie und Empathie dafür ein, einen Ausgleich zwischen ökonomischen, ökologischen
und sozialen Belangen zu finden. Und nimmt sich Zeit für ihre Familie.
Eigentlich wollten wir uns mit Jana Gäbert in den Geschäftsräumen der Agrargenossenschaft Trebbin (agt Trebbin eG) treffen. Doch meine Gesprächspartnerin hatte sich kurzfristig entschuldigt und um Verständnis gebeten. Sie müsse unbedingt im Milchviehstall sein, wo eine schwierige Zwillingsgeburt bevorstehe. Also raus zur Anlage am Rande von Trebbin, die mit einer Schranke gesichert ist. Die Schutzmaßnahmen vor der Maul- und Klauenseuche sind zwar aufgehoben, doch Unbefugte haben weiterhin keinen Zutritt.
Im Stallgang treffe ich Jana Gäbert. Die Geschäftsführerin in wetterfester Arbeitskleidung und wegen der frostigen Temperaturen mit einer dicken Mütze auf dem Kopf mustert besorgt eine hochtragende Kuh. Diese hätte schon abkalben müssen, tut sich aber schwer damit, erfahre ich. Ist jetzt ein Kaiserschnitt geboten, um das Muttertier mitsamt Nachwuchs nicht zu gefährden?
Doch nachdem der Veterinär das Tier eingehend untersucht hat, winkt er ab. Noch besteht für ihn kein Grund, in den natürlichen Geburtsvorgang einzugreifen. Der Arzt streift die Gummihandschuhe ab und empfiehlt, die Kuh weiterhin genau zu beobachten. Kein Grund zur Panik. Wenig später ist Jana Gäbert zum Gespräch bereit.
Bauernzeitung: Sie wirken immer noch etwas angespannt. Nimmt Sie trotz aller Routine solch eine Situation nach wie vor mit?
Jana Gäbert: Oh ja. Ich leide mit meinen Tieren mit. Sie dürfen sich nicht unnötig quälen. Gerade bei Zwillingsgeburten muss man sehr wachsam sein und sofort reagieren.
Gab es denn in jüngster Zeit weitere Komplikationen?
■ Durchaus. Wenn wie vor wenigen Tagen zwei Beine eines Kalbes und ein weiteres des Zwillings im Geburtskanal stecken, wird es äußerst problematisch. Da hilft nur, behutsam zu drücken und zu versuchen, die kleinen Körper zu drehen.
War die Aktion erfolgreich?
■ Die Kuh und ihr weibliches Kalb sind wohlauf, das männliche war nicht mehr zu retten. Tragisch, aber trotz aller Umsicht nicht zu verhindern. Unser großes Plus ist aber, dass wir mit der Tierklinik der Freien Universität Berlin eine Kooperationsvereinbarung haben. Sie sichert uns eine rasche, kompetente Betreuung durch den Tierarzt, im Gegenzug kann er seine Studentinnen und Studenten bei uns ganz praktisch unterweisen.
Solche Praxisnähe ist nicht alltäglich.
■ Leider ja. Ich habe vor einigen Jahren ein Praktikum im US-Bundesstaat Alabama absolviert. Dort hat mich beeindruckt, wie eng Agrarwissenschaftler und Landwirte miteinander kooperieren. Davon profitieren beide Seiten.
Sie selbst bezeichnen sich als Landwirtin aus Leidenschaft. Wo kommt diese her?
■ Im klassischen Falle entwickelt die sich, wenn man auf einem Bauernhof aufgewachsen ist. Das war aber bei mir nicht der Fall. Ich bin ein typisches Stadtkind und in Nauen im Havelland zur Schule gegangen. Meine Eltern hatten so gar nichts mit Landwirtschaft zu tun.
Wann haben Sie diese für sich entdeckt?
■ Sehr frühzeitig schon. Ich habe als Teenagerin in den Ferien und an Wochenenden viel Zeit auf einem Ponyhof in der Nähe von Nauen verbracht. Mich hat das Reiten fasziniert, aber mehr noch das ganze Drumherum, also das Füttern, Striegeln, Hufesäubern und Ausmisten, aber auch die Heuernte und das Ballenpressen. Schon längere Zeit vor dem Abitur stand für mich fest, dass ich Agrarwissenschaften studieren werde.
Warum gerade diese Fachrichtung?
■ In der Schule waren Biologie und Chemie meine Lieblingsfächer. Es hat mich gereizt, Systeme und Abläufe zu verstehen, Zusammenhänge zu erkennen. Ich konnte mich aber vor dem Studium nicht entscheiden, welche Spezialisierung ich wählen sollte. Deshalb habe ich eine Münze geworfen und mich überraschen lassen. Kopf oder Zahl? Nutztierwissenschaften lautete die Antwort.
Aus Ihrem Lebenslauf geht hervor, dass Sie von 2001 bis 2004 Ihren Bachelor an der Humboldt-Uni gemacht haben und von 2004 bis 2006 dann den Masterabschluss. Doch dann schloss sich noch ein weiteres Studium der Pflanzenbauwissenschaften an. War das eine Korrektur Ihrer Entscheidung?
■ Nein, aber mir war bewusst geworden, dass ich nur weiterkomme, wenn ich in beide Bereiche richtig eindringe. Es hat natürlich etwas gedauert, das umzusetzen. Denn ich hatte ja inzwischen schon begonnen, in der Agrargenossenschaft Trebbin zu arbeiten, erst als leitende Mitarbeiterin, dann als Geschäftsführerin der Rindermast und Mutterkuhhaltung. Deshalb zog sich dann auch meine Masterarbeit hin. Als ich die endlich verteidigen konnte, war ich hochschwanger.
Die Prüfung fand in den Räumen der Agrargenossenschaft statt, hörten wir. Offenbar war der Zeitdruck sehr groß …
■ Oh ja, mein Professor hatte sicherheitshalber schon die Notrufnummer auf seinem Handy, falls die Wehen einsetzen sollten. Doch es lief alles reibungslos, und wenige Tage danach kam unser Sohn Georg zur Welt, gesund und munter. Seine Schwestern Clara und Paula waren zu dem Zeitpunkt sechs beziehungsweise vier Jahre alt.
Seit mehr als zwei Jahren sind Sie Geschäftsführerin der Tierproduktion, tragen somit zusammen mit dem Vorstand die Verantwortung für den 4.000-Hektar-Betrieb mit 120 Mitarbeitern. Wie kommen Sie als dreifache Mutter damit zurecht?
■ Nun, unsere Kinder im Alter von 12 bis 18 sind ja nun wahrlich aus dem Gröbsten heraus. Allesamt Wunschkinder, mein Mann Thomas und ich haben uns gegenseitig unterstützt und die Kinder schon frühzeitig zur Selbstständigkeit erzogen. Sie sind auf einem guten Weg, das macht uns stolz.
Es gab keine kritischen Situationen in dieser sicherlich sehr angespannten Zeit?
■ Natürlich gab es die. Wenn ich mitten im Arbeitsstress einen Anruf aus der Kita bekam, weil die gerade geschlossen wurde und unsere Kinder dort als Letzte darauf warteten, endlich abgeholt zu werden, dann ging mir das durch und durch. Ich habe daraufhin eine eigene Strategie entwickelt, meine Arbeit flexibel zu gestalten, um auch Zeit für die Kinder zu haben und sie beispielsweise zum Sport zu fahren und wieder abzuholen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass unser Vorstand mir den dafür nötigen Freiraum gab und gibt. Ganz ohne Konflikte geht es freilich auch heute nicht ab, aber die sind normal, wenn man Familie hat und sich beruflich engagiert.
Sie haben einmal selbst zugegeben, wie schwer es für eine Frau in Führungsposition ist, sich in einer von den Männern beherrschten Arbeitswelt durchzusetzen.
■ Die ersten Erfahrungen habe ich schon als Studentin gesammelt. Ich war auf der Agritechnica und hatte mich für eine der dort ausgestellten Landmaschinen interessiert. Doch der Standbetreuer richtete seine Aufmerksamkeit und fachlichen Erklärungen nur auf die männlichen Teilnehmer unserer Gruppe. Eine unglaubliche Ignoranz, und das musste ich ihm sofort sagen: freundlich, aber bestimmt!
Hatten Sie auch in Ihrem Betrieb mit Vorurteilen zu tun?
■ Ja, aber nicht so vordergründig. Ich habe erst später erfahren, dass es doch so manchen Zweifel daran gab, ob ich als Frau geeignet bin, die Bullenmast zu managen. Wenn ich selbst welche hatte, habe ich mir das jedoch nicht anmerken lassen. Mir war immer wichtig zu zeigen, dass ich Auseinandersetzungen ebenso wenig aus dem Weg gehe wie all den Arbeiten, die im Stall nun mal anfallen: vom Einstreuen und Füttern bis zum Entmisten. Und ich lasse es mir auch heute nicht nehmen, unsere Bestände selbst zu bonitieren, um wertvolle Pflanzen wie den Großen Bocksbart oder die Breitblättrige Lichtnelke zu bestimmen und die sogenannte Kennarten-Förderung zu beanspruchen.
Sie kennen den Unterschied zwischen einem Pessimisten und Optimisten?
■ Ich glaube schon, ja.
Der Pessimist sieht in jeder Herausforderung ein Problem …
■ … und der Optimist in jedem Problem eine Herausforderung. Das ist genau der richtige Ansatz. Wir wirtschaften auf sehr mageren Böden. Um hier vernünftige Erträge zu erzielen, ist viel Experimentierfreude gefragt. Welche Kulturen und Sorten, welche Anbauverfahren helfen dabei, mit den immer geringeren Niederschlägen und extremen Witterungsbedingungen zurecht zu kommen? Diese Fragen stellen sich immer wieder aufs Neue und wollen beantwortet werden.
Welche Antworten haben Sie?
■ Dass wir, um den Boden zu schützen, beispielsweise großflächig Zwischenfrüchte anbauen und seit wenigen Jahren auch verstärkt mehr Kulturen wie die Kichererbse. Diese Hülsenfrucht ist für eine gesunde Ernährung sehr wertvoll und hat ihre Vorzüge ebenso für den Agrarbereich. Sie hilft, den Stickstoff im Boden zu fixieren und die Fruchtfolge zu erweitern, kommt selbst mit hohen Temperaturen und wenig Niederschlägen zurecht. Allerdings muss immer auch mit Überraschungen gerechnet werden.
Welche meinen Sie?
■ Im ersten Jahr konnten wir eine gute Ernte einfahren, im Jahr darauf hatten wir Totalausfall. Es war zu feucht, das Unkraut siegte beim Überlebenskampf der Pflanzen. Wenn der Frühjahrstrockenheit dann noch mal Spätfröste folgen, sorgt das auch für Komplikationen. Doch so etwas kann man nie voraussehen, man darf aber deshalb nie die Geduld und Freude am Experimentieren verlieren. Und muss möglichst nicht nur einen Plan B, sondern auch C haben. Wenn der in Kraft tritt, kann das mitunter noch Vorteile bringen.
Inwiefern?
■ Wir hatten auch schon mit extremen Niederschlägen zu tun, die Ernte fiel regelrecht ins Wasser. Aber anstatt das Getreide aufwendig zu trocknen und noch dazu Preisabzüge hinzunehmen, entschlossen wir uns, einen beträchtlichen Teil davon zu schroten – gutes Futter für unsere Milchkühe!
Sie gelten als eine Befürworterin einer „unkonventionellen konventionellen Landwirtschaft“. Was meinen Sie damit?
■ Mich ärgern solche Klischees wie „bio ist gut, konventionell schlecht oder weniger gut“. In solchen Kategorien zu denken, ist wenig hilfreich und wird so gar nicht den aktuellen Herausforderungen gerecht, vor denen wir Landwirte stehen.
Man muss immer berücksichtigen, welches Anbauverfahren für welchen Standort das nachhaltigste ist. Einen großen Teil unserer Flächen bewirtschaften wir nach ökologischen Prinzipien, weil wir dort ausschließlich organischen Dünger einarbeiten und auf eine natürliche Fruchtfolge setzen, um pflanzlichen wie tierischen Schaderregern keinen Raum zu geben. Aber anstatt generell auf Pflanzenschutzmittel zu verzichten, setzen wir diese bei akutem Bedarf gezielt und wohl dosiert ein. Wir müssen schon dafür sorgen, dass wir auf unseren Sandböden noch etwas ernten können.
Das korrespondiert mit den drei Säulen der Nachhaltigkeit sprich: Ökonomie, Ökologie und Soziales. Sie plädieren dafür, aber widerspricht sich das nicht?
■ Man muss das immer wieder ausbalancieren. Rein ökonomisch gesehen, sind unsere Personalkosten im Betrieb zu hoch. Wir haben einige Mitarbeiter, die viele Jahre fleißig gearbeitet haben und nun naturgemäß nicht mehr die volle Leistung bringen können. Aber sie deshalb zu entlassen, kommt nicht infrage, deshalb wählen wir solche Mittel wie die Anpassung von Arbeitsplätzen und die Altersteilzeit. Das verstehen wir unter sozial, gerade angesichts unserer arbeitsintensiven Tierhaltung. Und es stand übrigens auch in Zeiten niedrigster Milchpreise nie zur Diskussion, ob wir diesen Bereich mangels Effizienz aufgeben.
Aber bedeutet das nicht auch, schmerzhafte Gewinneinbußen hinzunehmen?
■ Nein, man muss nur gut überlegen, wie diese kompensiert werden können. Unsere Genossenschaft ist gut aufgestellt, hat mehrere Standbeine wie die offenen Werkstätten für Landtechnik und Pkw oder die Kantine.
Im übrigen schreibt unsere Milchproduktion jetzt wieder schwarze Zahlen, hilft damit, mögliche Ertragsausfälle abzupuffern. Und ich muss unbedingt noch erwähnen, dass wir uns Diversifizierung schon auf die Fahnen geschrieben haben, als es dafür noch keine Förderung gab. Bereits vor zehn Jahren begannen wir, Blühstreifen für Insekten anzulegen. Gut angenommen werden ebenso unsere Luzerne-Inseln, die wir bei der Mahd der Futterpflanze stehen und dann rotieren lassen.
Sie sind eine sehr gefragte Gesprächspartnerin bei nationalen und auch internationalen Foren, gehören zahlreichen Netzwerken an, sind in den sozialen Netzwerken aktiv und arbeiten nun auch noch an einem Buch. Wo nehmen Sie die Zeit dafür her?
■ Das frage ich mich manchmal auch (lacht). Eigentlich ist der Tag mit 24 Stunden viel zu kurz. Aber ich habe einfach Lust, mich einzubringen und Dinge zu verändern. Das gehört zur Leidenschaft mit dazu.
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Die fünfte Online-Auktion der Fleischrindbullen der RinderAllianz ist am 25. Februar 2025 nach viereinhalbstündigem Auktionsmarathon mit einer neuen Rekordmarke zu Ende gegangen. Topseller war ein Fleckvieh-Simmental-Vererber, er wurde bei 12.000 Euro zugeschlagen. Bullen dieser Rasse belegten alle drei Plätze auf dem Treppchen, das Fleckvieh dominierte auch insgesamt die Verkaufspreise.
Der Spitzenreiter, Lichtblick PP, stammt aus der Zucht von Albert Bunde in Drewitz (Landkreis Jerichower Land). Der hervorragend entwickelte Jungbulle, mit 9-9-8 gekört, ließ schon vorab auf ein gutes Ergebnis hoffen. Nach spannendem Bieterduell wechselte die Katalognummer 71 zum genannten Rekordpreis den Besitzer.
Seine hohen Zunahmen, seine sehr plastische Bemuskelung und sein aussagekräftiges Outcross-Pedigree fanden schnell Liebhaber. Lichtblick PP ist der Sohn des Topsellers der 2023er-Auktion, Lord John PS, der seinerzeit zum Preis von 8.400 Euro verkauft wurde.
Züchter Uwe Harstel aus Rohrbeck (Landkreis Stendal) konnte erneut den zweitbesten Verkaufspreis für sich verbuchen. UHA Dan PP (Kat.-Nr. 85) wurde für stolze 10.100 Euro verkauft. Er ist ein Sohn von Domenik PP, der aktuell mit einem Relativzuchtwert Fleisch (RZF) von 133 Platz zwei der Rangliste einnimmt. Der Jungbulle brilliert mit hervorragendem Fleischansatz, einem RZF von 120 und den Körnoten 9-8-8. Er wurde nach Österreich verkauft.
Den dritthöchsten Erlös dieser Auktion erzielte Christian Bunde aus Drewitz (Jerichower Land) mit Karamba Pp (Kat.-Nr. 45). Hier war der Name Programm, denn bereits zum Einstieg lag das Gebot bei 7.500 Euro, der Hammer fiel schließlich bei 9.000 Euro. Während der Körtour wurde Karamba Pp zum Rassesieger ernannt und mit 9-9-8 benotet. Eine extreme Fleischfülle, hohe Zunahmen, ein RZF von 123 sowie die Outcross-Genetik ließen schnell die Herzen der Käufer höherschlagen.
Ebenfalls für Furore sorgte der Blonde d’Aqitaine-Bulle Imperial PP (Kat.-Nr. 18) von Silke Schäpe aus Wolthof (Landkreis Vorpommern-Rügen), der seinem neuen Besitzer nach heißem Bieterduell 8.600 Euro wert war. Steffen Stickel aus Winkel (Landkreis Mansfeld-Südharz) verbuchte den höchsten Verkaufspreis bei den Angusbullen für sich: STW Ludwig (Kat.-Nr. 8) wechselte für 4.000 Euro den Besitzer. Dominator PP (Kat.-Nr. 25) aus der Zucht von Stefan Kreisel in Dambeck (Altmarkkreis Salzwedel) erzielte einen her-
vorragenden Preis von 7.100 Euro.
Die Papendorfer Agrargenossenschaft (Landkreis Rostock) erhielt für ihren Uckermärkerbullen Jerdy PP (Kat.-Nr. 39) mit 5.500 Euro das Höchstgebot dieses Rasseblocks.
Vermarktet werden konnten auf der Auktion insgesamt 95 genetisch hervorragende Jungbullen aus 44 Zuchtbetrieben, darunter Vererber der Rassen Fleckvieh-Simmental (54 Tiere; Ø 4.228 Euro, Uckermärker (14; Ø 3.829 Euro), Angus (16; Ø 3.231 Euro), Limousin (9; Ø 4.389 Euro), Charolais (1; 3.600 Euro) sowie Blonde d‘Aquitaine (1).
Der hohe Durchschnittspreis über alle Rassen von 4.056 Euro lag über dem von 2024 (3.844 Euro). Das hochwertige Angebot stieß damit erneut auf großes Interesse bei potenziellen Käufern und konnte sogar getoppt werden. In vier Rasseblöcken konnten die Durchschnittpreise gesteigert werden.
Dank der Online-Auktion kamen Gebote aus ganz Deutschland, also auch von außerhalb des Gebiets der RinderAllianz (Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt). Zwei Tiere wurden nach Österreich und Tschechien verkauft. Zukünftig werden vier der Auktionsbullen auf Besamungsstationen im Einsatz sein, zwei davon bei der RinderAllianz.
Die Züchter der ausrichtenden Organisation, die ihre Jungbullen anboten, hätten die Vorzüge der überregionalen Möglichkeiten einer Online-Auktion ganz klar erkannt, hieß es in einer Pressemitteilung der RinderAllianz zu den Ergebnissen der Auktion.
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Ein Hauptaugenmerk beim Tag der Betriebswirtschaft der Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau in Sachsen-Anhalt galt dem ausufernden Aufwand für Berichts- und Dokumentationspflichten.
So wenden Ackerbaubetriebe je Hektar und Jahr insgesamt 1,5–2,5 Arbeitskraftstunden vor allem für bürokratische, aber auch organisatorische und Managementtätigkeiten auf. Dies ist gleichbedeutend mit Kosten von etwa 50–120 €/ha. Diese Zahlen, die auf Erhebungen in Betrieben fußen, führte Felix Hollmann von der LBB Ländliche Betriebsgründungs- und Beratungsgesellschaft mbH, Göttingen, am 26.02.2025 in einer Diskussionsrunde auf dem Tag der Betriebswirtschaft in Bernburg-Strenzfeld (Sachsen-Anhalt) an.
Vorangegangen war ein Vortrag von Prof. Dr. Jan-Henning Feil von der Martin-Luther-Universität, Halle (Saale), zum Thema „Bürokratie managen – Freiraum schaffen“. Darin bezifferte der Wissenschaftler die Gesamtbelastung der deutschen Landwirtschaft durch den sogenannten Erfüllungsaufwand (Zeit für und Kosten durch das Befolgen gesetzlicher Vorgaben) für 2021 unter Bezug auf Zahlen der Bundesstatistik mit 620 Mio. Euro.
Davon entfielen etwa 220 Mio. Euro auf Dünge- und Pflanzenschutzmittel, 217 Mio. Euro auf Tierarzneimittel und Tiergesundheit, 101 Mio. Euro auf Tierkennzeichnung und Tierbestände, 14 Mio. Euro auf statistische Erhebungen und den Invekos-Sammelantrag sowie 68 Mio. Euro auf Sonstiges, u. a. Kontrollen.
Feil zeigte außerdem auf, dass im Zeitraum 2014–2023 für die Land- und Forstwirtschaft 208 bundesrechtliche Vorgaben neu hinzugekommen oder geändert worden seien, aber nur 21 abgeschafft und weitere 32 vereinfacht wurden.
Bürokratie in der Landwirtschaft binde personelle und finanzielle Ressourcen, ohne den Ertrag zu heben, und verringere die Wettbewerbsfähigkeit. Hinzu komme eine wachsende Unsicherheit in den Unternehmen, z. B. bei Investitionen. Diese würden verschoben oder unterblieben schlimmstenfalls. Beides zusammen bedrohe den langfristigen unternehmerischen Erfolg in der Landwirtschaft, betonte Feil.
Er sagte: „Bürokratiekosten sind Fixkosten“ und insbesondere für kleinere Betriebe problematisch. Strategie von Unternehmern müsse es sein, ihre individuellen Bürokratiekosten „rigoros und dauerhaft“ zu senken, um sich damit unternehmerische Freiheiten, auch für die Zukunft, zu schaffen.
Möglichkeiten hierzu böten sich durch die Automatisierung und Digitalisierung gesamter Workflows (nicht nur einzelner Prozesse), das Standardisieren wiederkehrender Aufgaben, die Kooperation (vor allem kleinerer und mittlerer Betriebe, z. B. in Bürogemeinschaften), und/oder das Auslagern (Outsourcing) der Bearbeitung bürokratiebedingter Tätigkeiten (z. B. Antragstellungen).
Sachsen-Anhalts Agrarstaatssekretär Gert Zender war in seinem Grußwort ebenfalls auf das Thema Bürokratie in der Landwirtschaft eingegangen. Er erinnerte z. B. an die 194 Vorschläge zu deren Abbau, die die Länder im Vorjahr dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) unter Cem Özdemir (Grüne) unterbreitet hätten. Nur ein Bruchteil davon sei vom BMEL aufgegriffen worden.
Zender gab sich zuversichtlich, dass sich hier künftig etwas tun werde. Doch nicht nur in Berlin und Brüssel, auch auf Landesebene gebe es Möglichkeiten, „an kleinen Stellschrauben zu drehen“. Der Fokus sollte insgesamt zunächst auf schnell umsetzbaren Regeländerungen liegen, um zeitnah Erleichterungen für die Praxis zu erreichen. Dazu bedürfe es aber auch eines Rucks in den Verwaltungen.
Entbürokratisierung entlaste Praxis und auch Behörden, unterstrich Zender. Jede Sonderregelung bzw. Ausnahme bringe letztlich mehr Aufwand, gab er noch zu bedenken. Zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ab 2028 merkte der Staatssekretär an, dass hierfür jetzt die Weichen gestellt werden müssten. Es gelte u. a., eine anreizbezogene Förderung zu etablieren, die Erste Säule zu vereinfachen, die Ökoregelungen in der Ersten Säule abzuschaffen und stattdessen Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen gezielt in der Zweiten Säule zu fördern.
Ernährungssicherstellung und Existenzsicherung müssten als Prämissen stehen – neben Umwelt- und Klimaschutz. Dies alles unter dem Damoklesschwert der Diskussion um die Finanzmittel. „Das wird kein leichter Akt“, sagte er. Zender verwies auch auf teils unterschiedliche Meinungen der Bundesländer, die in den Agrarstrukturen bedingt seien. Letztlich gehe es um die Mittelverteilung.
Mit Blick auf Agrarminister Sven Schulzes derzeitiges Amt als Sprecher der unionsgeführten Länderressorts rief er die hiesigen Berufsverbände auf, das Magdeburger Ministerium „flankierend zu begleiten“. Es gelte ferner, aus den Problemen der laufenden GAP-Periode zu lernen. Ende März stehe in Baden-Baden auch die nächste Agrarministerkonferenz an.
Dr. Jan Ole Schroers vom Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e. V. (KTBL), Darmstadt, referierte über immer neue Anforderungen an das Datenangebot des vom BMEL institutionell geförderten Vereins. Hierzu zählte er die Regionalisierung (z. B. Standarddeckungsbeiträge bis auf Landkreisebene), die Historisierung (z. B. Preisentwicklung über lange Zeiträume) oder agrarpolitische Rahmenbedingungen.
Neue Aufgaben ergäben sich etwa durch Produktionsrestriktionen, Herdenschutz oder Moorbewirtschaftung. Schroers verwies dabei auf die enge Zusammenarbeit in KTBL-Gremien mit hiesigen Akteuren, z. B. von der Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau (LLG), dem Landeskontrollverband oder der Ökoberatung. So stehe Dr. Volker Rust, der das LLG-Dezernat Betriebswirtschaft leitet, im KTBL-Arbeitsprogramm „Kalkulationsunterlagen“ der Programmgestaltungsgruppe vor.
Dem schlossen sich Vorträge von Felix Hollmann, LBB Göttingen, zu Herausforderungen und Chancen für die Landwirtschaft aus Unternehmensberatersicht und von Tobias Kausmann von der LLG zur Frage, ob die Ökoregelungen 2 und 6 eine Chance im Ackerbau darstellen können, an.
LLG-Präsident Prof. Dr. Falko Holz hatte das traditionsreiche Format, dessen Moderation in den Händen von Volker Rust lag, als erste Veranstaltung der LLG im renovierten, proppenvollen großen Tagungsraum eröffnet. Staatssekretär Zender würdigte die LLG, die eng mit der Hochschule Anhalt zusammenarbeitet, zudem als Kompetenzzentrum der Landwirtschaft im Land. Hier balle sich die Wissenschaft mit dem Praktischen und dem Versuchswesen.
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Die Kreisbauernverbände Potsdam-Mittelmark und Teltow-Fläming haben auf ihren Mitgliederversammlungen am 25.2.2025 in der Heimvolkshochschule am Seddiner See beschlossen, die bisherige Kooperation in einen Prozess der Fusion zu überführen.
Sie fordern in entsprechenden Beschlüssen ihre Vorstände auf, die Fusion der Kreisbauernverbände vorzubereiten und möglichst noch in diesem Jahr abzuschließen. Ziel sei ein effizienterer Personal- und Mitteleinsatz, ohne die regionale Verortung aufzugeben. Letztlich sollen höhere Beiträge für die Mitglieder vermieden werden.
Beide Verbände stimmten gesondert über diesen Punkt ab, absolvierten jedoch den öffentlichen Teil ihrer Mitgliederversammlungen schon mal gemeinsam. Und mit gutem Willen waren hier durchaus Akzente von Aufbruch und ein verhaltener Optimismus zu spüren. Das liegt zum einen am „Mentalitätswechsel“ im Agrarministerium, wie Jens Schreinicke, Vorsitzender des KBV Potsdam-Mittelmark, es formulierte: „Wir vertrauen darauf, dass sich Hanka Mittelstädt als Anwältin der Landwirte versteht.“
Kornelia Wehlan, Landrätin von Teltow-Fläming, die im Nachklang der Bauernproteste gemeinsam mit dem KBV schonmal auf Kreisebene eine Initiative zum Bürokratieabbau mit auf den Weg gebracht hatte, verwies auf den Sonderausschuss Bürokratieabbau und die teils dicken Bretter, die da noch gebohrt werden müssen. Und Dr. Christoph Löwer, Beigeordneter in Potsdam-Mittelmark thematisierte in seinem Grußwort die 60-80 Mio. Euro an Investitionen, die durch gesetzliche Regelungen zu Landschaftsschutzgebieten verhindert werden.
Von den „agrarpolitischen Vorhaben der neuen Landesregierung“, die Gregor Beyer, Staatssekretär im Ministerium für Landwirtschaft, Ernährung, Umwelt und Verbraucherschutz (MLEUV), vorstellte, gehörte die Aussetzung des Vollzugs der Widerherstellungsverordnung im Land Brandenburg (siehe unten).
Auch Beyer ging auf den Sonderausschuss Bürokratieabbau ein und stellte eine Vereinfachung der Bauanträge in Aussicht: „Wenn ein B-Plan aufgestellt wird, wollen und können wir durch Vollzugshinweise regeln, dass Gutachten beim späteren Bauantrag nicht nochmal neu angefertigt werden müssen.“ Dafür gab es Vorschusslorbeeren in Form von Applaus. Ebenso für Beyers Absicht, den Wolf so schnell wie möglich ins Jagdrecht aufzunehmen und danach die Wolfsverordnung zu ändern. Dafür gebe es durch eine entsprechende Organisationsverfügung seit dem 15. Januar eine Stabsstelle Wildtiermanagement beim Staatssekretär.
Außerdem sei in diesem Zuge auch die oberste Jagdbehörde aus der Forstbehörde herausgelöst und der Stabsstelle zugewiesen worden, so Beyer. Leiter der Stabsstelle ist Frank Plücken. Der angestrebte neue Umgang mit dem Wolf sei keineswegs nur ein symbolischer Akt. Angestrebt werde eine Regelung, wonach ein Wolfsriss 48 Stunden liegenbleiben könne und der Jäger gleich in der ersten Nacht ansitzen und das Tier entnehmen dürfe. Auch dafür gab es Beifall.
Mit größter Aufmerksamkeit verfolgte die Versammlung den Vortrag von Prof. Dr. Andreas von Tiedemann, Pflanzenschutzexperte an der Universität Göttingen. Sein Ansatz angesichts der Bevölkerungskurve: Medizinischer und agrotechnischer Fortschritt haben gleichermaßen zum Gedeihen der Menschheit beigetragen, aber nur der Beitrag der Medizin werde anerkannt.
Von Tiedemann wies nach, dass das ohne chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel (PSM) utopisch ist, das diese für den Menschen meist nicht giftig sind (von 250 in Deutschland zugelassenen PSM sind neun als sehr toxisch oder toxisch eingestuft) und auch nicht für den Verlust an Biodiversität haftbar gemacht werden können. Es brauche eine grundsätzliche Neubewertung vonseiten Politik und Gesellschaft, so von Tiedemann.
Die Diskussion hinterher war rege und durchaus von der Hoffnung getragen, dass sich letztlich doch die besseren Argumente durchsetzen: beim Pflanzenschutz wie beim Abbau bürokratischer Hürden.
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In den vergangenen Jahren hat sich an etlichen Orten die Rindervermarktung im Auktionsring verändert: Die Tiere betreten dort nun ohne Halfter und Vorführer den Schauring. Der lose Auftrieb wird teilweise sogar schon als Komplettservice angeboten, bei dem die Rinder gegen Gebühr direkt am Betrieb abgeholt werden. Durch diese für die Landwirte zeitsparende Form der Versteigerung erhoffen sich die Zuchtorganisationen wieder einen stärkeren Auftrieb bei ihren Märkten.
In etlichen dieser Zuchtgebiete werden mittlerweile mehr Rinder ab Stall vermarktet als über die öffentlichen Verkaufsveranstaltungen. Der Rückgang im Auktionsgeschehen hatte in diesen Gebieten die Preisfindung ins Rutschen gebracht, da Versteigerungspreise dort traditionell den Preiskorridor für den Ab-Stall-Verkauf vorgeben. Je weniger Tiere per Hammerschlag veräußert wurden, desto undurchsichtiger entwickelten sich die Preise. Darüber hinaus lassen sich Spitzenpreise nur im Bieterduell erreichen.
Dennoch hat der lose Auftrieb deutliche Vorteile für die Beschicker. Ihr Arbeitsaufwand sinkt spürbar, wenn das stundenlange Führigmachen der Rinder entfällt. Und sie müssen nicht mehr einen ganzen Tag in der Auktionshalle verbringen. Viele Milcherzeuger stecken bis zum Hals in Arbeit. Nun können sie ihre Tiere am Anlieferungstor abgeben und brauchen sich dann um nichts mehr zu kümmern.
Nicht selten hört man auch, dass sich Tiere ohne Halfter im Ring natürlicher bewegen und dass sie ja sowieso wieder in einen Laufstall kommen. Manch einer ist sogar davon überzeugt, dass der Freilauf zu mehr Tierwohl führt. Die meisten dieser Vorteile treffen allerdings nur auf Jungtiere und weibliche Rinder zu.
Bei Deckbullen auf ein Lauftraining am Strick zu verzichten, halte ich hingegen für fahrlässig. Gerade bei männlichen Rindern ist es enorm wichtig, dass sie menschenbezogen aufwachsen und leicht zu führen sind. So mancher Käufer achtet nicht ohne Grund darauf, wie sich der mögliche neue Vererber im Ring verhält. Ich würde daher niemandem empfehlen, sich einen Herdenchef anzuschaffen, der nicht vertraut am Halfter geht.
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Die deutschen Lande sind in Aufruhr. Es geht gegen „die da oben“. Die Menschen auf dem Land – allen voran die Bauern, die 80 Prozent des Volkes stellen – sind gebeutelt von Leibeigenschaft, Frondiensten, Armut, immer höheren, drückenden und willkürlich festgelegten Abgaben. Sie fühlen sich von den Mächtigen, von Adel und Klerus, reglementiert, ihrer Rechte genommen, ihrer Freiheit beraubt. Das Fass ihrer Verzweiflung läuft über, und die rechtliche und soziale Unzufriedenheit mit den Mächtigen der Zeit führt von Süd- bis Mitteldeutschland zu einem Flächenbrand für „Freiheyt und Gerechtigkeyt“.
Wir schreiben das Jahr 1525, das als Jahr des Bauernkrieges und als erste soziale Massenerhebung in die deutsche Geschichte eingehen wird. Es ist das Jahr, in dem das Aufbegehren der Bauern mit der Schlacht auf dem Berg bei Frankenhausen im heutigen Thüringen ihren dramatischen Höhe- und Wendepunkt erreicht.
„Dran, dran, dieweil das Feuer heiß ist …“. Tausende aufständische Bauern und ihre Verbündeten folgen dem Ruf des Reformators und Predigers Thomas Müntzer und stehen einem übermächtigen Heer der Fürsten gegenüber, das sie brutal niedermetzelt. Tausende Bauern verlieren ihr Leben. Hunderte werden gefangen genommen. Viele von ihnen gefoltert und hingerichtet – darunter auch Thomas Müntzer, dessen abgetrennter Kopf unweit von Mühlhausen aufgespießt wird.
Insgesamt verlieren im Krieg der Bauern gegen die Obrigkeit rund 70.000 Menschen ihr Leben auf dem Schlachtfeld, auf der Flucht, durch das Henkerbeil.
Im September dieses Jahres wird diese Schlacht nachgestellt. Darüber hinaus wird an die Aufstände vor 500 Jahren und den Bauernkrieg mit vielen Ausstellungen und Veranstaltungen an den Orten des Geschehens in Thüringen und Sachsen-Anhalt erinnert.
Es wird aber auch der Blick auf das Heute gerichtet. Die Bauern von einst wollten ihre Lebenssituation verbessern. Sie wollten ein gerechteres Leben mit, wie wir heute sagen, Teilhabe und Mitwirkung an gesellschaftlichen und politischen Prozessen. Die Erinnerung an die Auseinandersetzungen hält uns vor Augen, dass soziale Ungleichheit auch in der Gegenwart zu Konflikten und Protesten führen kann.
Wir alle haben noch die Bauernproteste vom vergangenen Jahr vor Augen: kilometerlange Traktor-Kolonnen, blockierte Autobahnen, brennende Strohballen, grüne Kreuze auf den Feldern, Gummistiefel an Zäunen und Ortsschildern. Niedrige Erzeugerpreise, hohe Kosten, Umweltauflagen – die Landwirte standen und stehen unter hohem wirtschaftlichem Druck.
Mit ihren Protesten haben sie landauf, landab die Politik wachgerüttelt. Sie haben sich Gehör verschafft und durchaus auch Erfolge erzielt. Zwar ist ihre öffentliche Wut abgeebbt, verschwunden ist sie nicht. Konflikte und Herausforderungen, global und regional, gibt es reichlich. Kernforderungen nach Entlastungen, Bürokratieabbau, Planungssicherheit, Stärkung des ländlichen Raums liegen nach wie vor auf dem Tisch. Und das, was unsere Landwirte tagtäglich leisten, braucht Wertschätzung und Anerkennung.
Die Erwartungen an die neue Regierung sind sehr hoch – bei den Landwirten und bei jedem einzelnen von uns auch immer mit dem Blick auf Freiheit und Gerechtigkeit.
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