(c) Sabine Rübensaat

Rettung aus der Not wird erleichtert

Vor Kurzem wurde der Expertenbericht zur Evaluierung des Insolvenzrechts veröffentlicht. Hier erfahren Sie, welche rechtlichen Änderungen in den kommenden Monaten zu erwarten sind.

Von André Houben, Rechtsanwalt

Insolvenz bedeutet nicht gleich Untergang. Die verschiedenen Möglichkeiten zur geordneten Durchführung eines Insolvenzverfahrens haben wir für Sie im ersten Teil dieses Beitrages dargestellt. Das Schutzschirmverfahren wie auch die Stärkung der Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren sind mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) vom 7. Dezember 2011 eingeführt worden. 

Dieses Gesetz ist für den Zeitraum vom 1. März 2012 bis 28. Februar 2017 von einer Expertenkommission evaluiert, also sach- und fachgerecht untersucht und bewertet worden. Die Ergebnisse stehen nunmehr seit der Kabinettssitzung der Bundesregierung vom 10. Oktober 2018 der Öffentlichkeit zur Verfügung. Inwieweit die Ergebnisse der Evaluierung Auswirkungen auf die Sanierung wirtschaftlich bedrohter landwirtschaftlicher Betriebe haben können, soll nachfolgend anhand der jetzt (noch) geltenden und der möglichen künftigen Gesetzeslage dargestellt werden.

Bewertung des neuen Gesetzes abgeschlossen

Stark zusammengefasst lauteten die vier Leitfragen der Untersuchung:

  • Hat sich der (durch das ESUG) stärkere Einfluss der Gläubiger auf die Auswahl des Insolvenzverwalters ausgewirkt und ist es Gläubigern gelungen, ihnen genehme Verwalter bestellen zu lassen?
  • Ist in die Rechtsstellung von Gesellschaftern eingegriffen worden, wie hat sich dies auf das Unternehmen ausgewirkt und wurden Forderungen von Gläubigern in Eigenkapital umgewandelt (sogenannter Debt-Equity-Swap)?
  • Hat sich das eigentliche Schutzschirmverfahren bewährt?
  • Ist die Zuständigkeitsverteilung zwischen Richtern und Rechtspflegern effektiv?

Die hierzu vom Forschungsteam im Einzelnen dargestellten statistischen und rechtlichen Bewertungen sind wohl nur für Experten interessant. Vielmehr stellen sich für den krisenbedrohten und an einer Sanierung interessierten Betrieb letztendlich die Fragen, ob überhaupt ein Eigenverwaltungsverfahren in Regie des ursprünglichen Betriebsleiters möglich ist (was dann über einen Insolvenzplan zur Entschuldung des Unternehmens führt) und welche Besonderheiten die Ergebnisse der Evaluation für ein zukünftiges Recht haben, wenn sie denn umgesetzt werden. 

Verschiedene Verfahren blieben bestehen

Bei aller Kritik, die sich in dem Bericht findet, muss zunächst einmal herausgestellt werden, dass das ESUG als solches, das heißt, die Möglichkeit über ein Eigenverwaltungsverfahren und einen Insolvenzplanverfahren eine Sanierung zu erreichen, positiv bewertet wird und auch in Zukunft für den sanierungswilligen Unternehmer zur Verfügung steht. Dabei wird es wohl keine Unterscheidung mehr zwischen dem klassischen Schutzschirmverfahren nach §§ 270, 270b der Insolvenzordnung (InsO) und dem Eigenverwaltungsverfahren nach §§ 270, 270a InsO geben. Vielmehr werden diese Vorschriften miteinander verschmolzen. 

Auch das Eigenverwaltungsverfahren als solches wird Bestand haben, allerdings wird der Zugang erschwert. Betriebe, die keine Aussicht auf Sanierung haben, werden zum Eigenverwaltungsverfahren nicht zugelassen. Ungeeignete Verfahren werden ausgeklammert. Es erfolgt eine Prüfung durch den Insolvenzrichter. Hier werden Schranken eingebaut, die insbesondere im betriebswirtschaftlichen Bereich begründet sind. Zwingend notwendig wird eine belastbare Liquiditätsplanung sein. Eine insolvenzrechtliche Expertise muss sicherstellen, dass die Sanierungsplanung eingehalten wird. Das schuldnerische Unternehmen muss eigenverwaltungswürdig sein. 

Eigenverwaltung war oft zu teuer

Auch soll bereits zu Beginn eines Verfahrens die Kostenfrage zum Gegenstand der Prüfung gemacht werden, da in der Vergangenheit teilweise zu hohe Beratungskosten in Ansatz gebracht worden sind und letztendlich eine Eigenverwaltung nicht teurer sein darf als ein klassisches Insolvenzverfahren. In der Praxis spricht man von sogenannter Tandemverwaltung, das heißt, sowohl der als Sanierungsberater tätige Insolvenzrechtsexperte, vorzugsweise ein mehrjährig tätiger Insolvenzverwalter, als auch der vom Gericht bestellte Sachwalter dürfen zusammen nicht mehr kosten, als wenn ein klassischer Insolvenzverwalter allein das Verfahren durchführen würde. 

Über den Autor

André Houben ist Fachanwalt für Isolvenzrecht bei der Curator AG in Berlin

In der Regel wird der Insolvenzplan in der Eigenverwaltung vom Sanierungsberater erstellt. Die Anforderungen an die beinhaltete Plan-Vergleichsrechnung sind gestiegen. Es müssen einheitliche Unternehmenswerte beim Vergleich der Szenarien (Insolvenzplan, übertragende Sanierung, Zerschlagung), zum Beispiel Fortführungswerte, zugrunde gelegt werden. Die Anforderungen gehen so weit, die Werte durch einen parallel zur Erstellung des Insolvenzplans laufenden Verkaufsprozess ermitteln zu lassen.

Letztlich beinhaltet der Bericht zur Evaluierung auch Ausblicke auf das Europarecht. Der bereits seit November 2016 existierende Richtlinienentwurf der Europäischen Kommission wird mit hoher Wahrscheinlichkeit noch vor der Wahl zum neuen Europaparlament im Mai 2019 europäisches Recht sein. Ob die Umsetzung der Ergebnisse zeitgleich mit der Übernahme des europäischen Rechts erfolgen wird (Mitte 2021), ist derzeit noch nicht absehbar.

FAZIT

Auch wenn die gesteigerten Anforderungen nach der Evaluierung möglicherweise erst im Jahre 2021 geltendes deutsches Recht sein werden, muss man damit rechnen, dass die im Bericht enthaltenen Verschärfungen zum Zugang zu diesem Verfahren bei den Gerichten, die die Rechtmäßigkeit des Antrags auf Eigenverwaltung prüfen, und bei den wesentlichen Gläubigern, die letztendlich dem Insolvenzplan zuzustimmen haben, bekannt sind. Umso wichtiger ist es, sich für die Beratung nur jene Insolvenzrechtsexperten auszusuchen, die die zu erwartenden Änderungen im deutschen und europäischen Insolvenzrecht bereits verinnerlicht haben.

Aktueller Nachtrag des Autors vom 5. November 2019

Nachdem das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz am 10. Oktober 2018 den Bericht der Bundesregierung über die Erfahrungen mit der Anwendung des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) veröffentlicht hat, folgt ihr am 26. Juni 2019 im Amtsblatt der Europäischen Union die Veröffentlichung der Restrukturierungsrichtlinie. Die Richtlinie ist binnen zwei Jahren in nationales Recht umzusetzen. Es ist beabsichtigt, auch die aus der Evaluierung des ESUG resultierenden Konsequenzen zeitnah, möglicherweise gleichzeitig mit der Umsetzung der Richtlinie einzubringen. Unklar ist bisher, ob die Richtlinie in Deutschland neben der Insolvenzordnung zu einem eigenen Gesetz gemacht wird oder aber in die Insolvenzordnung einfließt. In jedem Fall arbeiten Experten aus Deutschland und Frankreich entsprechend den Bestimmungen im Koalitionsvertrag an einer gemeinsamen Lösung.