Rechtliche Betrachtung

Insektenschutzpaket: Das war es dann wohl …

Abbiegen und zurück zum Hof könnte es bald bei vielen Flächen für die Spritze heißen. Ist das wirklich ein Beitrag zum Insektenschutz?
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Eines der größten aktuellen Streitthemen ist das Insektenschutzpaket der Bundesregierung. Welche rechtlichen Konsequenzen sich für die Landwirtschaft ergeben könnten, hat unser Experte untersucht.

Von RA Dr. Robert Krüger, Geiersberger, Glas & Partner mbB, Hansestadt Rostock

Das umfangreiche Insektenschutzpaket ist derzeit in aller Munde. Dieser Artikel gibt einen Überblick über den aktuellen Stand der geplanten Anwendungsbeschränkungen von Biozid-Produkten und Pflanzenschutzmitteln. Er beruht auf den veröffentlichten Entwürfen der Bundesregierung zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) durch das Bundesumweltministerium und der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung (PflSchAnwV) durch das Bundeslandwirtschaftsministerium.

Biozidverbot in Schutzgebieten

Der Gesetzgeber plant eine Ergänzung des BNatSchG. Mit dieser Ergänzung soll das Verbot der Biozidanwendung (Insektizide und Produkte gegen Milben, Zecken oder Gliederfüßer) für Naturschutzgebiete, Nationalparke, Nationalnaturmonumente, Naturdenkmäler sowie gesetzlich geschützte Biotope eingeführt werden.

Die zuständige Behörde kann im Einzelfall Ausnahmen von dem grundsätzlichen Einsatzverbot vorsehen, wenn dies zum Schutz der Gesundheit erforderlich ist. Eine Einzelfallausnahme zum Schutz landwirtschaftlicher Belange – wie beim Pflanzenschutzmittelanwendungsverbot (siehe unten) – ist nicht vorgesehen.

Glyphosatverbot mit wenigen Ausnahmen

Die PflSchAnwV wird um Verbotstatbestände für die Anwendung von Glyphosat und glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln ergänzt, bevor der Einsatz dieser Mittel 2024 insgesamt verboten wird. Die Anwendung soll bis dahin nur dann zulässig sein, wenn nach den Umständen des Einzelfalls andere vorbeugende Maßnahmen nicht durchgeführt werden können oder andere technische Maßnahmen nicht geeignet oder unzumutbar sind.

Gegen bestimmte Unkräuter können laut Insektenschutzpaket Glyphosat oder glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel im Rahmen der Vorsaatbehandlung angewendet werden, wenn es sich nicht um ein Direktsaat- oder Mulchsaatverfahren handelt. Die unkrautbezogene Ausnahme gilt auch für den Zeitraum nach der Ernte zur Stoppelbehandlung. Auf Grünland ist die Anwendung erlaubt, wenn andernfalls durch die Verunkrautung die Erneuerung von Grünland wirtschaftlich untragbar oder die Futtergewinnung wegen eines Risikos für Tiergesundheit ausgeschlossen ist. Dasselbe gilt zur Vorbereitung einer Neueinsaat auf Flächen, die erosionsgefährdet sind.

Absolutes Verbot in Wasserschutzgebieten

Neben diesem Regel-Ausnahme-Schema enthält der Verordnungsentwurf zum Insektenschutzpaket ein absolutes Anwendungsverbot für Glyphosat und glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel auf bestimmten Flächen. Dazu zählen landwirtschaftliche Flächen in Wasserschutzgebieten, Heilquellenschutzgebiete und die Kern- und Pflegezonen von Biosphärenreservaten.

Dieses absolute Anwendungsverbot führt zu einer erheblichen Verschärfung der Pflanzenschutzmittelanwendung in diesen Gebieten, die regelmäßig große Anteile der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche eines Bundeslandes umfassen – zum Beispiel sind 20 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche in Mecklenburg-Vorpommern als Wasserschutzgebiet ausgewiesen. Bisher ist es in großen Teil von Wasserschutzgebieten regelmäßig – jedenfalls in den Schutzzonen IIIa/IIIb – zulässig, Pflanzenschutzmittel einzusetzen. Der Gesetzgeber geht mit seinem Anwendungsverbot für Glyphosat oder glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel damit weit über das hinaus, was die Landeswasserbehörden zum Schutz des Grundwassers für die Trink- und Brauchwasserversorgung als erforderlich ansehen. Vor dem Hintergrund, dass die Wasserschutzgebiete in erster Linie dem Grundwasserschutz und nicht dem Schutz der Biodiversität dienen, erscheint die räumliche Anbindung des Anwendungsverbots an diese Schutzgebiete fragwürdig.

Zudem greift der Bundesgesetzgeber mit dem Verbot auf einen Regelungsbereich zu, der nach dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG) grundsätzlich den Bundesländern zugeordnet ist: Die Ausweisung von Wasserschutzgebieten und die gebietsspezifische Festlegung der Bewirtschaftungsauflagen für die Landwirtschaft ist Sache der Landesregierungen. Und weil das Anwendungsverbot in einer Bundesverordnung festgelegt ist, wird der wasserrechtliche Ausgleichsanspruch für die daraus entstehenden wirtschaftlichen Folgen ins Leere laufen. Dieser Anspruch gleicht die Folgen von Bewirtschaftungsbeschränkungen aus, die entweder behördlich angeordnet oder Gegenstand einer Wasserschutzgebietsverordnung sind (vgl. § 52 Absatz 5 WHG). Beides ist bei dem Verbot in der PflSchAnwV nicht gegeben.

Insektenschutzpaket: Ausnahmen für Sonderkulturen

Die PflSchAnwV soll darüber hinaus ein generelles Anwendungsverbot für Pflanzenschutzmittel in Gebieten mit Bedeutung für den Naturschutz enthalten. Nach dem Regierungsentwurf dürfen in Naturschutzgebieten, Nationalparken, Nationalnaturmonumenten, Naturdenkmälern und gesetzlich geschützten Biotopen Pflanzenschutzmittel nicht angewendet werden.

Dieses Verbot soll auch für Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung (ehemals FFH-Gebiete; nachfolgend GGB) gelten, wobei bestimmte Flächen (Gartenbau, Obst- und Weinbau, Anbau von Hopfen und sonstigen Sonderkulturen sowie die Vermehrung von Saatkulturen und Pflanzengut) von dem Verbot nicht umfasst sind.


Vor einem Acker steht ein gelbes Naturschutzgebiet-Schild.

Insektenschutz nicht bei Landwirten abladen

Mit dem Bundesnaturschutzgesetz war ein Teil des Insektenschutzpaketes Thema im Bundesrat. In ihren Empfehlungen mahnten die Fachausschüsse einen finanziellen Ausgleich für die Landwirte an. Während dies keine Mehrheit fand, fanden einige Verschärfungen Eingang in den Beschluss. mehr


Pflanzenschutz in FFH-Gebieten fraglich

Von dem Verbot ausgenommen sein sollen die Ackerflächen in GGB, wenn hier bis zum 30. Juni 2024 mittels freiwilliger Vereinbarungen und Maßnahmen eine Bewirtschaftung ohne Pflanzenschutzmittel erreicht wird (Vertragsnaturschutz). Der derzeit vorgesehene Verordnungstext lässt es allenfalls denkbar erscheinen, dass das grundsätzliche Anwendungsverbot für Pflanzenschutzmittel auf Ackerflächen in GGB nicht gilt, wenn entsprechende Vereinbarungen und Maßnahmen abgeschlossen sind. Solange es diese Vereinbarungen aber nicht gibt, gilt das grundsätzliche Anwendungsverbot.

Mit dem Wortlaut des Entwurfs ist es derzeit wohl unvereinbar zu argumentieren, dass das Anwendungsverbot in GGB übergangsweise (bis zum 30. Juni 2024) nicht greift, weil geplant ist, umfangreich mithilfe von freiwilligen Vereinbarungen eine Bewirtschaftung ohne Pflanzenschutzmittelanwendung zu etablieren. Und auch der Abschluss einer freiwilligen Vereinbarung dürfte nicht dazu führen, dass in einem GGB Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden dürfen.

Ausnahme bei erheblichen Schäden

Nach dem Gesetzestext des Insektenschutzpaketes müssen die freiwilligen Vereinbarungen und Maßnahmen darauf gerichtet sein, eine Bewirtschaftung ohne Pflanzenschutzmittelanwendung zu erreichen. Diese Anforderung dürfte nicht erfüllt sein, wenn eine Vereinbarung vorsieht, dass in Teilbereichen eines GGB Pflanzenschutzmittel angewendet werden dürfen, wenn dafür an anderer Stelle des Gebiets auf die Anwendung verzichtet wird. Dasselbe dürfte gelten, wenn die freiwilligen Vereinbarungen lediglich eine anwendungsbezogene Reduzierung der Pflanzenschutzmittelanwendung vorsehen.

Am Ende der Analyse des Verordnungsentwurfs steht derzeit Folgendes: Die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in GGB ist mit dem Erlass der PflSchAnwV ausgeschlossen. Daran ändern weder die Absicht etwas, mit freiwilligen Vereinbarungen und Maßnahmen (Vertragsnaturschutz) hier die Bewirtschaftung anzupassen, noch der Abschluss solcher Vereinbarungen. Eine Ausnahme von dem gesetzlichen Verbot kann nur dann erteilt werden, wenn der Pflanzenschutzmitteleinsatz zur Abwendung erheblicher landwirtschaftlicher oder sonstiger wirtschaftlicher Schäden oder zum Schutz der heimischen Tier- und Pflanzenwelt erforderlich ist.

Verträglichkeitsprüfung nicht mehr möglich

Mit dem umfangreichen Anwendungsverbot wendet sich der Bundesgesetzgeber von den etablierten Vorgaben für die Vereinbarkeit von Maßnahmen mit dem Gebietsschutz ab. Die schutzgebietsspezifische Verträglichkeit ist für eine Pflanzenschutzmittelanwendung künftig unbeachtlich. Nach § 34 Abs. 1 BNatSchG ist für ein Projekt zu prüfen, ob es einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten geeignet ist, ein GGB erheblich zu beeinträchtigen. Eine erhebliche Beeinträchtigung wird dann angenommen, wenn das Projekt die Erreichung der lebensraumtyp- und artenspezifisch festgelegten Erhaltungsziele behindert oder verhindert.

Dieser aus dem europäischen Umweltrecht stammenden und auf die Bewertung des Einzelfalls zugeschnittenen Verträglichkeitsprüfung entzieht der Gesetzgeber den Boden. Das Verbot gilt selbst dann, wenn nachgewiesen werden kann, dass der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sich nicht nachträglich auf die Erhaltungsziele der in einem GGB geschützten Lebensraumtypen oder Arten auswirken kann. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass der günstige Erhaltungszustand von vielen in GGB geschützten Lebensraumtypen und Arten erreicht werden kann, wenn der Pflanzenschutzmitteleinsatz zulässig bleibt.

Abstandsregeln in der Nähe zu Gewässern

Neben die schutzgebietsbezogenen Anwendungsverbote treten solche bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in unmittelbarer der Nähe von Gewässern. Grundsätzlich ist ein Abstand von zehn Metern einzuhalten. Der Mindestabstand reduziert sich auf fünf Meter, wenn eine geschlossene, ganzjährig begrünte Pflanzendecke vorhanden ist. Sehen die Anwendungsvorgaben in der Zulassung eines Pflanzenschutzmittels strengere Auflagen vor, sind diese einzuhalten.

Die dargestellte Analyse der Gesetzesentwürfe zeigt, dass der Gesetzgeber von den etablierten Bewertungsmaßstäben für die Pflanzenschutzmittelanwendung abrückt. Er zieht das generelle Anwendungsverbot der schutzgebietsbezogenen Analyse der Anwendungsverträglichkeit vor. Die Vereinbarkeit im Einzelfall ist nach den Vorstellungen des Gesetzgebers in bestimmten Schutzgebieten nicht mehr tauglich, damit die Anwendung zulässig bleibt. Daneben ist zu beobachten, dass der Gesetzgeber räumliche Abgrenzungen nutzt, die sich angesichts der jeweiligen Schutzziele, zum Beispiel in Wasserschutzgebieten, mit Blick auf den Insektenschutz nicht aufdrängen. Es bleibt abzuwarten, ob und wenn ja, wie die Gesetzesentwürfe im weiteren Gesetzgebungsverfahren geändert oder ergänzt werden.

FAZIT

Mit heutigem Kenntnisstand muss beim Insektenschutzpaket davon ausgegangen werden, dass künftig viele landwirtschaftliche Nutzflächen ohne den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bewirtschaftet werden müssen. Ein Ausgleich der wohl damit einhergehenden (land-)wirtschaftlichen Nachteile ist nicht ersichtlich. Es dürfte ausgeschlossen sein, dass die eintretenden Nachteile und Mehraufwendungen durch Förderungen aus der Zweiten Säule der GAP kompensiert werden können. Die Einhaltung von Beschränkungen, die von Gesetzes wegen gelten, sind bekanntermaßen nicht förderfähig.