Dr. Gerhard Kramer (vorn links außen) war ein bedeutender Tierzüchter und Netzwerker. (c) Fritz Fleege

Nachruf auf Dr. Gerhard Kramer – bedeutender Tierzüchter und Netzwerker

Die Familie, Freunde und Wegbegleiter nehmen Abschied von Dr. Gerhard Kramer. Mit ihm verliert die Tierzucht einen visionär, welcher Praxis und Wissenschaft hervorragend vereinen konnte. Dr. Gerhard Kramer verstarb am 08. Dezember 2023 in seiner Heimat Beilrode in Sachsen.

Von Ernst-Jürgen Lode, Woldegk und Fritz Fleege, Oranienburg

Gerhard Kramer wurde am 11. März 1931 in einer Kaufmannsfamilie geboren. Er erlebte in seiner Kindheit und Jugend den Nationalsozialismus, den Krieg und auch die Besatzungszeit in allen Schattierungen. 1949 machte er sein Abitur in Torgau. Mit der Lehre legte er noch die Gehilfen- und Körmeisterprüfung für Bienen ab. 1951 begann sein Studium für Landwirtschaft an der Universität Leipzig. Seine Diplomarbeit schrieb er über Bienenkunde.

Anschließend war sein Weg in die Praxis vorgezeichnet als Tierzuchtleiter und stellvertretender Direktor des Tierzuchtgutes Herzberg-Woeten im Bezirk Schwerin. Dort sorgte er für Spitzenleistungen in der Herdbuchzucht aller Großtierarten bis hin zur Kaltblutzucht und für eine umfangreiche Lehrlingsausbildung.

Familiäre Gründe führten ihn 1968 zurück nach Beilrode. Im nahegelegenen Tierzuchtgut Köllitsch wurde er in die Leitungsspitze berufen. Ehrgeizig legte er 1960 das Tierzuchtleiterexamen in Berlin ab und promovierte 1963 in Leipzig zum Dr. agr. mit einer Arbeit über die Gänsezucht. Mit Energie und tatkräftiger Unterstützung seiner Mitarbeiter gelang es ihm, in Köllitsch in wenigen Jahren Rinder-, Schweine- und Schafbestände zu Spitzenzuchten zu entwickeln.

Die besten Tiere zeigte Köllitsch in den alljährlichen Ausstellungen der agra in Leipzig. Besucher aus dem In- und Ausland wechselten sich auf dem Tierzuchtgut regelmäßig ab. Für die Europäische Vereinigung der Tierzucht (EVT) war Köllitsch ein anerkannter Exkursionspunkt.

Ein Leben geprägt von Engagement

Dr. Gerhard Kramer (c) Fritz Fleege
Dr. Gerhard Kramer (c) Fritz Fleege

In der Wendezeit 1989/1990 zeigte Gerhard Kramer seine Fähigkeiten im gesellschaftlichen Bereich. Er kämpfte für die Erhaltung des Betriebes bei der Treuhand. Viele unangenehme Dinge waren damit verbunden, Abwicklungen, Entlassungen und persönliche Zweifel. Es musste in völlig neuen Dimensionen gedacht und viel improvisiert werden. 1992 wurde Köllitsch Teil der Landesanstalt für Landwirtschaft des Sächsischen Staatsministeriums.

Mit dem Lehr- und Versuchsgut Köllitsch ging es gut voran. 1996 wurde er in den Ruhestand verabschiedet. Auch danach war seine Meinung überall gefragt, in Vorständen und Vereinen, so im Sächsischen Schweine- und Rinderzuchtverein oder im Heimatverein. Bei der Restaurierung der Holländermühle und bei Chorkonzerten war seine Stimme gehört, ebenso wie bei der Wiederherrichtung der alten Hollandkirche in Beilrode. Wen wundert‘s, die Gemeinde Beilrode verlieh ihm dann 2021 die Ehrenbürgerwürde, die höchste Auszeichnung, die eine Kommune vergeben kann.

Auszeichnungen in Anerkennung seiner Leistungen in der Tierzucht und angewandten Genetik gehörten zu seinem beruflichen Wirken. Die DDR zeichnete ihn als „Verdienter Züchter“ und die Deutsche Gesellschaft für Züchtungskunde (DGfZ) 1996 in Würdigung seiner herausragenden Leistungen auf dem Gebiet der praktischen Züchtung sowie für die Förderung der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis mit der Adolf-Koppe-Nadel aus.

Dr. Gerhard Kramer: Bedeutender Netzwerker der Tierzucht

Kontakte, Gespräche, immer in Kommunikation um Lösungen und Entscheidungen bleiben, auch die Begleitung von Freunden, das waren Wesenszüge seines Lebens. Sich treffen, ob auf Schauen, in Betrieben oder Reisen mit Freunden, ehemaligen Tierzuchtleitern sowie praktizierenden Landwirten und Tierzüchtern – heute netzwerken genannt –, war ihm wichtig. So organisierte er ab 2001 Fachreisen zu den europäischen Nachbarländern Ungarn, Polen, Frankreich, Dänemark, Schweden, Italien, England, Tschechien, Holland, Irland, Spanien, Schweiz und Österreich, Litauen sowie nach Lettland, Estland, Kroatien und Slowenien.

Es wurden lokale und gemeinsame Probleme diskutiert und auch wirtschaftliche Verbindungen gepflegt. Hervorragende Betriebe lernten die Teilnehmer kennen und so manches exzellente Tier wurde bestaunt. Die Bauernzeitung berichtete umfassend darüber. Die letzte Reise, die er organisierte, fand im Sommer 2022 zur Holsteinschau nach Verden statt. Am 8. Dezember 2023 verstarb Dr. Gerhard Kramer in Beilrode. Mit ihm verlieren wir einen der bedeutendsten Tierzüchter, der Praxis und Wissenschaft ideal verbinden konnte. Wir nehmen Abschied von einem Freund, den wir vermissen werden, der in unseren Erinnerungen und Gesprächen weiterleben wird.

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