Mikroalgen im Futter färben nicht nur die Schweineschnauzen grün. Sie bewirken vor allem höhere Zunahmen, homogenere Durchgänge und eine verbesserte Tiergesundheit. (c) Fodjan GmbH

Mikroalgen für Schweine: Kleine Superzellen im Trog

Im Großversuch in der Praxis erforschte das Projekt „AlgaPork“ bei der Agraset Naundorf eG, wie Mikroalgen als Futterzusatz die Schweinemast beeinflussen. Die Ergebnisse sind vielversprechend.

Von Karsten Bär

Nein, sie sind keine Alleskönner. Wobei sie für ihre Größe schon einiges zu bieten haben. Mikroalgen sind zwar nur einzellige Organismen, in Sachen Leistung macht ihnen aber keiner etwas vor. Unter anderem, weil sie keine Stängel und Wurzeln bilden müssen, produzieren sie effizient verwertbare Biomasse – bezogen auf die Anbaufläche ein Mehrfaches dessen, was Pflanzen an Land zu erzeugen vermögen.

Und auch ihre inneren Werte überzeugen: Aus Versuchen ist schon seit Längerem bekannt, dass dem Futter zugesetzte Mikroalgen dank ihres gut verwertbaren Rohproteins und ihrer immunostimulatorischen Inhaltsstoffe die Leistungsfähigkeit von Nutztieren erhöhen und gesundheitsfördernde Wirkungen haben.

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Mikroalgen für Schweine: Weniger Nachzügler und ruhigere Tiere

„Der positive Effekt wird bereits bei einem geringen Mikroalgenanteil von unter zwei Prozent im Futter wirksam“, sagt Lea-Johanna Liebscher. Die Bioverfahrenstechnikerin hat für die Gicon-Gruppe, einem Anbieter von Ingenieurdienstleistungen mit Hauptsitz in Dresden, das Projekt „AlgaPork“ bei der Agraset Naundorf eG in Erlau (Sachsen) betreut.

Das EIP-Agri-Projekt untersuchte von 2019 bis Ende 2022, ob es für einen schweinehaltenden Betrieb praktikabel ist, Mikroalgen zu produzieren, und welche gesundheitlichen und effizienzsteigernden Wirkungen sie als Futterzusatz haben. Es war der bisher erste Großversuch unter Praxisbedingungen zur Fütterung von Mikroalgen als Ergänzung im Schweinefutter im Zeitraum der Vormast. „Aus Vorversuchen war bekannt, dass in mit Mikroalgen gefütterten Gruppen weniger Nachzügler mit geringeren Gewichtszunahmen auftraten. Die Tiere hatten ein ruhigeres Verhalten und waren seltener aggressiv“, fasst Christoph Oltmanns, Leiter der Schweineproduktion bei Agraset, zusammen. Auch Labortests hätten eine bessere Futterverwertung bestätigt.

Darauf bauten die Annahmen für den Praxisversuch bei Agraset auf. Die Projektpartner (Infokasten) erwarteten mehr Zunahme bei weniger Futterverbrauch sowie eine gestärkte Resilienz und einen besseren Gesundheitszustand. Zukünftig, dafür sprechen die Projektergebnisse, könnten Landwirtschaftsbetriebe mithilfe am Hof vorhandener Potenziale selbst Mikroalgen kultivieren und zur weiteren Verbesserung von Tierwohl und Wirtschaftlichkeit beitragen.

Projektbeteiligte und ihre Aufgaben

Agraset eG Naundorf: Haltung, Betreuung und Beobachtung der Tiere, Fütterung und Untermischen der Algensuspension, Dokumentation relevanter Parameter für das Projekt.

Gicon-Großmann Ingenieur Consult GmbH: Entwicklung, Bau und Betrieb des Photobioreaktors sowie stallinternes Dosiersystem und biotechnologische Verfahrensentwicklung zur Kultivierung der Algen am Hof.

Fodjan GmbH: Gas-Sensorik, statistische Auswertung der Versuchsdaten im Stall.

Universität Rostock, Lehrstuhl Ernährungsphysiologie und Tierernährung: Begleitende Untersuchungen zum ernährungsphysiologischen Verhalten der Algensuspension am Ankom-Modell.

Wirtschaftlichkeit und Tierwohl verbessern

Mikroalgen haben nicht nur hervorragende Eigenschaften als Futterzusatz. Die kleinen grünen Leistungsträger sind auch vergleichsweise anspruchslos. „Im Prinzip brauchen sie nur Licht, CO2 und Mineralien“, so Lea-Johanna Liebscher. Und dies liefert ihnen – ein „Tannenbaum“. Das ist der Photobioreaktor, in dem die Einzeller wachsen. Denn wegen seiner konischen Form und der grünen Schläuche wird er „Tannenbaum-Lichtkollektor-Modul“ (TLM) genannt. In den Silikon-Doppelschläuchen fließen in getrennten Kammern Algensuspension und Kühlwasser.

Photobioreaktor
Der Photobioreaktor besteht aus zwei Tannenbaum-Lichtkollektor-Modulen mit einer gemeinsamen Zentraleinheit. (c) Natali Gruber/Gicon

„Tannenbaum“ liefert, was Algen brauchen

Zwei dieser Tannenbäume teilen sich eine Zentraleinheit mit Mischtank, Prozess-Sensoren und Pumpe. Zugleich sind die „Tannenbäume“ synergetisch in die örtlichen Gegebenheiten eingebunden: Über einen geschlossenen Wasserkreislauf werden die Algen gekühlt, wobei abwechselnd die Kühlkammer der warmen Algenschläuche und das kalte Brunnenwasser passiert werden. Somit wird zugleich das Brauchwasser für die Futterbereitung erwärmt.

Die direkte Einbindung der Technologie an den Stall ermöglichte es, die Algen frisch und unkompliziert zu produzieren sowie ohne größeren Kostenaufwand dem Vormastfutter zuzusetzen. Die Ernte konnte im Schweinestall gesteuert und über eine Direktleitung bezogen werden. Mit der Entnahme der Algenkultur wurden dem Bioreaktor zugleich wieder Wasser und Nährstoffe zugeführt. Die Dosierung der Nährsalze für die Algen und die Regulierung der Betriebsparameter wie pH-Wert und Temperatur erfolgte automatisiert. „Die Produktion verlief wartungsarm und stabil“, berichtet die Projektingenieurin. Einmal pro Woche wurde die Technik kontrolliert.

Frische Algensuspension für das Flüssigfutter

Die entnommene Algensuspension wurde frisch und unverarbeitet dem Flüssigfutter zugesetzt, wobei sie einen Teil des normalerweise verwendeten Wassers ersetzte. Damit vermied man es, teuer und energieaufwendig lagern, aufkonzentrieren oder trocknen zu müssen. Die beteiligten Experten wogen die Tiere wöchentlich und beobachteten ihr Sozialverhalten. Zudem werteten sie die Parameter Medikamenteneinsatz, Tierentnahme und Futtermitteleinsatz aus.

Mit Blick auf die technische Seite zieht der Projektpartner Gicon ein positives Fazit. Den Ingenieuren sei es gelungen, die Photobioreaktortechnologie an die speziellen Belange am Hof anzupassen und die Möglichkeit der synergistischen Nutzung am Hof anliegender Prozessschnittstellen zu belegen. „Wir konnten ein gutes und stabiles Algenwachstum erzielten“, resümiert Dr. Stefan Matthes, Fachbereichsleiter bei Gicon. „Die technischen Einbindungen wie die thermische Kopplung der Kühlung der Algen und der Erwärmung des Brauchwassers oder die direkte Ernteleitung waren erfolgreich.“

Und auch im Hinblick auf die Wirkung der Mikroalgen gibt es zufriedenstellende Ergebnisse. Die Futterexperten der fodjan GmbH sehen nach Auswertung der Mastdaten eine Reihe von Parametern im Rahmen des Versuchsaufbaus signifikant belegt (Abbildung). Mit Algen gefütterte Tiere:

  • nahmen im Zeitraum der Vormast ca. jeweils 1 kg mehr zu (+3,8 %);
  • benötigten im Schnitt 0,12 kg Futter weniger je kg Zuwachs, das entspricht einer um knapp 5 % verbesserten Futterverwertung gegenüber der Kontrollgruppe; mussten deutlich selten behandelt werden, der Antibiotikaeinsatz war um bis zu 60 % verringert;
  • fielen seltener durch Krankheit, Verletzung oder auffälliges Verhalten auf.

Algensupplementation führe demnach nicht nur zu besserer Gesundheit, sondern auch zu geringerem Arbeitsaufwand für die Landwirte und besitze daher ein sehr großes ökonomisches Potenzial.

Mikroalgen senken Medikamentenbedarf

Was die Zahlen belegen, deckt sich mit den Beobachtungen der Agraset-Landwirte. Sie berichten von „sehr guten Durchgängen“, die „in der Spitze unserer Tiere waren“. Die Tiere seien ausgeglichener gewachsen. Man habe weniger Läufer zurückstallen müssen. Homogenere Partien bedeuten bessere Eingruppierungen in die Handelsklassen. Zudem würden Probleme wie Schwanzbeißen und Krankheiten abgefedert. Die Schweinemäster der Agraset sehen daher in der Mikroalge eine sehr gute Ergänzung zum Schweinefutter – aber auch noch Optimierungspotenzial für ihre Anwendung.

„Potenziell kann sich der finanzielle Ertrag durch die Effekte der Algensupplementation verbessern, vorausgesetzt …


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