Teich-Wirtschaft Voss: Umzug als letzte Rettung
Ende März 2023 wurde in der Teich-Wirtschaft Voss knapp eine Tonne Fisch abgefischt. Wir fragten den Inhaber, warum so etwas im Frühjahr passiert und was das für den Traditionsbetrieb bedeutet.
Das Abfischen ist für einen Fischzüchter jedes Mal etwas ganz Besonderes: Zum einen kommt dabei zutage, was über das Jahr im Verborgenen herangewachsen ist und zum anderen ist es für ihn – wie für jeden Ackerbauern auch – sehr erfüllend, endlich ernten zu können. Zappeln dann noch viele gut gewachsene Forellen, Saiblinge oder Karpfen im Netz, weiß er, dass sich die Mühen des Jahres gelohnt haben.
Doch das Abfischen, das Ende März bei der Teich-Wirtschaft Voss im sächsischen Tharandt stattfand, war ganz und gar nicht erfüllend – es war eine Rettungsaktion.
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Teich-Wirtschaft Voss: Abfischen als Rettungsaktion
„Wir haben unsere Fische in andere Gewässer umsiedeln müssen“ erklärt uns Betriebsinhaber Rico Voss den Grund für die ungewöhnliche Aktion. „Abgefischt wird ja sonst nur im Herbst.“ Für den Umzug der Schuppentiere sei die knapp drei Kilometer entfernte Kläranlage Höckendorf verantwortlich. Von dort würde immer wieder ungeklärtes Abwasser in die Weißeritz eingeleitet.
Schon im Februar hatte der 41-Jährige den Fischverkauf deshalb einstellen müssen, denn bei der Fischzucht zwischen Tharandt und Edle Krone handelt es sich um eine sogenannte Durchflussanlage und die ist auf eine saubere Wilde Weißeritz angewiesen. „Mit verunreinigtem Wasser kann ich für meine Fische keine Lebensmittelqualität garantieren.“ Und es komme auch immer wieder zu Verlusten, die einen wirtschaftlichen Betrieb der Fischteiche unmöglich machten.
Ursachenforschung: „Punktuell hydraulisch überlastet“
Bereits im Vorjahr, berichtet Voss, sind ihm innerhalb einer Woche in einem Teich gut 3.000 Saiblinge eingegangen. Über die tatsächliche Ursache kann er allerdings nur spekulieren. Er hatte sich damals eine genaue Untersuchung erspart. Bekannt ist aber, dass die Kläranlage Höckendorf witterungsbedingt teils mehrfach pro Woche Abwasser in den Höckenbach einleitet – und der mündet wenig später in die Weißeritz.
Das Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie verweist bei unserer Anfrage auf die Untere Wasserbehörde des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Vom Landratsamt Pirna erfahren wir dann, dass es durch die Wettersituation der letzten Wochen zu einem verstärkten Eintrag von Niederschlags- und Grundwasser in die Abwasserkanäle und damit zu einer punktuellen hydraulischen Überlastung der Kläranlage gekommen sei. Dieser Sachverhalt würde seit einigen Jahren, auftreten, im Wesentlichen im Frühjahr und Herbst.
Belastetes Flusswasser und fehlender Sauerstoff
Aktuell aus den letzten Wochen seien wieder einige solcher Ereignisse zu verzeichnen, die der Kläranlagenbetreiber bei der Wasserbehörde anzeige. Von Rico Voss erfahren wir, dass das Problem dem Landratsamt wohl schon seit fünf Jahren bekannt ist, und man fragt sich unwillkürlich, wer diese Anlage geplant bzw. zugelassen hat.
Das Landratsamt erklärt hingegen, dass der Abschlag ja nur bei sehr starkem Fremdwasseranfall eintrete. Zudem werde das Abwasser extrem verdünnt und die schädlichen Auswirkungen der verdünnten Fäkalien auf das Gewässer seien dadurch stark begrenzt. Darüber kann Rico Voss nur mit dem Kopf schütteln.
Dem mit Abwasser belasteten Flusswasser fehle Sauerstoff, da die Fäkalkeime diesen verbrauchen. Fische wie seine frischwasserliebenden Forellen und andere Wasserlebewesen hätten dann das Nachsehen – von Krankheitskeimen, Medikamentenresten und Haushaltschemikalien ganz zu schweigen …
Höckenbach: Was unternimmt die Behörde dagegen?
Sabine Forgber, Referatsleiterin im Umweltamt, bestätigte gegenüber einem regionalen Fernsehsender, dass sie in diesem Jahr bereits 19 Mal davon unterrichtet wurden, dass verdünntes Abwasser nicht in die Kläranlage, sondern direkt in den Höckenbach abgeleitet werden musste.
Auf unsere Nachfrage, was dagegen unternommen wird, erklärte das Umweltamt, dass eine Änderung dieses Zustandes nur erreicht werden könne, wenn die Orte und Ursachen des übermäßigen Fremdwassereintrages systematisch ermittelt und die Einträge von Niederschlags- und Grundwasser in das Abwassersystem ausgebunden bzw. verhindert werden.
Hierzu habe die Gemeinde bereits 2017 einen Maßnahmenplan vorgelegt, der neben kurz-und mittelfristigen Maßnahmen auch Investitionen enthält. Man hätte daraus auch bereits Maßnahmen umgesetzt, weitere seien zeitnah bzw. im Laufe diesen und des nächsten Jahres geplant. Aus den letzten Ereignissen habe es dazu bereits aktuelle Abstimmungen mit der Gemeinde gegeben.
Zusätzlich werde versucht, die Steuerung der Kläranlage in diesen Phasen so zu optimieren, dass die Anlage mit dem hydraulischen Maximum gefahren werden kann.
Teich-Wirtschaft Voss: Europas erste Durchflussanlage
Ob die Höckendorfer so ihre Probleme in den Griff bekommt, ist für Rico Voss nicht zu erkennen. Er ist daher froh, dass er hauptberuflich in einem Industriebetrieb angestellt ist und die Teiche, die er von Vater Horst übernommen hat, im Nebenerwerb bewirtschaftet. Der sächsische Traditionsbetrieb wurde bereits Ende des 19. Jahrhunderts gegründet.
Meyers Konversationslexikon erwähnt die „Anstalt für künstliche Fischzucht“ als eine Besonderheit des Königreichs Sachsen, denn sie waren europaweit die erste Durchflussanlage sowie Pioniere bei der künstlichen Erbrütung von Forellen. Seit 1934 befindet sie sich nun im Besitz der Familie Voss. Ricos Großvater Walter hatte sie von dem Besitzer übernommen, bei dem er damals angestellt war.
Heute bietet die Teich-Wirtschaft auch Catering für Familienfeiern, Hochzeiten oder Firmenveranstaltungen an. Ein weiteres Standbein sind mehrere Angelteiche in der Region. Die hat Rico Voss gepachtet und Angler können gegen eine Gebühr bei ihm die dafür notwendigen Angelgenehmigung erwerben.
Das Sportfischen in seinen Pachtgewässern ist übrigens jetzt noch erfolgversprechender: Sie haben die Fische aus den Zuchtteichen aufgenommen. „Die liegen weit genug von Höckendorf entfernt“, erklärt der Tharandter. „Grundsätzlich kann so ein Gewässer wie die Weißeritz Schadstoffe abbauen. Unsere Teiche sind aber zu dicht an der Einleitung dran.“
Den Widerständen trotzen
Die jetzige Misere ist leider nicht der erste Rückschlag, den das Familienunternehmen schon verkraften muss. Bereits zu DDR-Zeiten machte ihm der VEB Elektronische Bauelemente Dorfhain mit seiner Galvanik schwer zu schaffen. Im August 2002 sorgte dann die Flutkatastrophe bei ihm als einzigen Landwirtschaftsbetrieb für einen Totalschaden. Der Wiederaufbau der Fischzucht dauerte danach drei Jahre.
Als 2020 das Strohlager der Agrargesellschaft Ruppendorf niederbrannte, löste das unkontrolliert abgeflossene Löschwasser in Tharandt ein erneutes Fischsterben aus. Auf dem Schaden blieb Voss sitzen, da er das nicht beweisen konnte.
Die Edelkrebse, deren Zucht der Nebenerwerbler in den letzten zehn Jahren zur Erhaltung der stark gefährdeten Tierart aufgebaut hatte, musste er mittlerweile auch auswildern. Die Krebse bekamen Probleme bei der Häutung und starben. Rico Voss glaubt, dass die von den Landwirten ausgebrachten Insektizide, die eigentlich die Häutung von Rapsschädlingen verhindern sollen, die Ursache dafür waren.
Trockenheit und viele Fischdiebe
Und dann sind da noch die fehlenden Niederschläge. Sie haben dazu geführt, dass er seine Teiche in den letzten vier Jahren oft nur sehr spärlich besetzen konnte. Die Wilde Weißeritz muss, um seinen Betrieb zu erreichen, die Talsperren Lehnmühle und Klingenberg durchfliesen. Diese dienen aber als Trinkwasserspeicher, vor allem für Dresden.
Bleibt der Regen aus, lassen sie nur eine Mindestmenge weiterfließen, die gerade noch ausreicht, damit die Weißeritz nicht austrocknet. In den Tharandter Teichen kommt dann aber zu wenig sauerstoffreiches Wasser an, dass sich die Forellen wohlfühlen. Und auch die Karpfen, die nicht so sauerstoffreiches Wasser brauchen, wuchsen nicht ab. Bei zu wenig Frischwasserzulauf kann der Fischzüchter auch sie nur gebremst füttern.
Als wäre das alles nicht genug, machen ihm auch noch Kormoran, Graureiher, Waschbär, Fischotter und Biber das Leben zusätzlich schwer. „Sie alle sind hierzulande wichtiger als naturnahe Speisefischerzeugung“, resümiert Rico Voss. Dennoch will er nicht aufgeben: Allen Widerständen zum Trotz hat er noch einen Teich mit Jungfischen behalten.