Der klassische Ackerbau ist ein Schwerpunkt in der Nebenerwerbslandwirtschaft, unabhängig davon, ob sie in Ost- oder Westdeutschland betrieben wird. © Sabine Rübensaat

Landwirtschaft im Nebenerwerb: Große Umfrage gestartet

Die Datengrundlage zur Landwirtschaft im Nebenerwerb ist ziemlich dünn. Eine neue Umfrage der Hochschule Neubrandenburg soll dazu beitragen, neue Erkenntnisse zu gewinnen und Anregungen zu liefern – Interview mit Prof. Dr. Theodor Fock.

Das Gespräch führte Erik Pilgermann

Herr Prof. Fock, wie lange forschen Sie schon im Bereich der Nebenerwerbslandwirtschaft?
Vor etwa 25 Jahren haben wir die ersten Untersuchungen und Studien zum Nebenerwerb gestartet.

Wie sind Sie seinerzeit auf dieses Forschungsfeld gekommen?
Aus zwei Gründen: Zum einen ist mir damals aufgefallen, dass es wenig Aussagen und Untersuchungen zu diesem Themenfeld gab. Zum anderen gab es in meiner persönlichen Nachbarschaft, ich wohne ja auch auf dem Dorf, eben einige Nachbarn, die als Nebenerwerbslandwirte unterwegs waren und immer noch sind. Die Tatsache, dass sie hier auch wirtschaften, war der Anstoß für mich, dies etwas breiter zu untersuchen.

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Landwirtschaft im Nebenerwerb – Neue Umfrage

Sie haben 2021 die letzte Umfrage zum Nebenerwerb durchgeführt und werden diese jetzt wiederholen. Wie sahen seinerzeit die Ergebnisse aus und worin unterscheidet sich die neue Umfrage von der vorherigen?
Für mich wurden 2021 ein paar ganz überraschende Informationen und Erkenntnisse gewonnen. Zum Beispiel gab es in der damaligen Umfrage eine ganze Reihe von Betrieben, die erst in den letzten Jahren, sagen wir in den 2010er-Jahren, gegründet wurden.

Prof. Theodor Fock
Prof. Dr. Theodor Fock lehrt in Neubrandenburg Agrarpolitik, Volkswirtschaftslehre und Umweltpolitik. © Erik Pilgermann

Die Vermutung vorher war, dass die meisten Betriebe eher in den 1990er-Jahren entstanden sind. Offensichtlich gibt es ein Gründungsgeschehen, was unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung stattfindet. Wenn wir jetzt auf Heute gucken, ist es natürlich spannend, wie sich die allgemein schwierigen Rahmenbedingungen mit Inflation, Pandemie und den Energiepreisschocks seit 2021 auf die Situation der Landwirte und Landwirtinnen im Nebenerwerb auswirken.

Lassen sich mit so umfangreichen Erfahrungen Trends in der Entwicklung des nebenberuflichen landwirtschaftlichen Sektors ableiten?
Ich habe die Erwartung, dass sich diese Form der Landwirtschaft stabilisiert und auch weiter positiv entwickelt. Ein wenig weisen die Zahlen von statistischen Landes- und Bundesämtern darauf hin. Das sind aber nur reine Zahlen. Wir versuchen hier, etwas tiefer zu gehen, indem wir die Landwirte beispielsweise fragen, wie sie ihren Arbeitsalltag bewältigen, was ihre Motivationen sind und was sie als Herausforderungen und Probleme ansehen.

Warum Landwirtschaft im Nebenerwerb betreiben?

Welche Erkenntnisse haben Sie über die Motivationen gewonnen, Nebenerwerb zu betreiben? Hobby/Liebhaberei, Familientradition/Erbe, Traum von Haupterwerb mit Gewinnerzielungsabsicht? Gibt es bei der Produktionsausrichtung im Nebenerwerb Schwerpunkte wie Ackerbau oder Verbund von Acker, Futter und Vieh?
Wenn man sich rückblickend die letzten 25 Jahre anschaut, verstärkt sich meiner Meinung nach der Trend, dass viele Nebenerwerbslandwirte das Ganze aus einer hohen intrinsischen Motivation heraus tun. Es macht ihnen offensichtlich Freude und bringt Abwechslung in den Alltag. Das sind Dinge, die hoffentlich auch in Krisensituationen erhalten bleiben.

Was die Produktionsrichtungen betrifft, kann man ziemlich deutlich erkennen, dass es zwei Schwerpunkte gibt. Das ist zum einen der klassische Ackerbau, allerdings eher ohne die „Spezialkultur“ Kartoffeln. Zum anderen ist es die Rinderhaltung, sprich die Mutterkuhhaltung, mit der das vorhandene Grünland verwertet und der tägliche Arbeitsanfall überschaubar gehalten wird. Die Schafhaltung spielt natürlich auch eine gewisse Rolle, ist aber ökonomisch noch schwieriger.

Welche Tiere werden im Nebenerwerb gehalten?

Also sind Mutterkühe die Nutztierart, die im Nebenerwerb hauptsächlich gehalten wird?
Ja. Auf vielen Betrieben gibt es natürlich auch Legehennen und Gänse, aber diese dienen dann eher zur Eigenversorgung statt zur Marktproduktion. Zumindest sind in unseren Befragungen Betriebe, die Geflügel zur Marktproduktion halten, nur sehr selten aufgetaucht. Gestatten Sie mir aber noch eine Anmerkung.

Hobby-Landwirtschaft hat in den Ohren von manchen Menschen einen eher negativen Klang. Ich glaube aber, dass der Gedanke, dass man es aus Überzeugung macht, weil man Spaß an der Landwirtschaft hat und es als eine schöne und erfüllende Tätigkeit sieht, sollte sehr ernst genommen werden. Denn das kann eine ganz starke Motivation für Menschen sein. In den USA gibt es den schönen Begriff des Lifestyle-Farmings. Das ist deutlich mehr als Hobby.

Landwirtschaft im Nebenerwerb
Mit der Mutterkuhhaltung lässt sich vorhandenes Grünland mit über schaubarem Arbeitsaufwand verwerte. © Sabine Rübensaat

Gibt es regionale Unterschiede?

Nebenerwerb in Ost und West: Wo sehen Sie die grundlegenden Unterschiede und was sind die Gründe dafür?
Ich befasse mich wie gesagt ja schon etwas länger mit dem Thema. Die Unterschiede waren vor 20 Jahren größer, als sie heute sind. Die Entwicklung geht in Ost und West in eine ähnliche Richtung. In Westdeutschland entstand ein Nebenerwerbsbetrieb häufig so, dass die Eltern oder Großeltern den Betrieb im Haupterwerb hatten. Mit dem Generationswechsel ging man dann in den Nebenerwerb über. Deshalb findet man dort, wenn man in die Statistik schaut, eher Betriebe, die noch eine kleine Milchviehhaltung betreiben, da die Stallungen und die Erfahrungen da sind. Dasselbe gilt vielleicht auch für 150 Mastplätze in der Schweinemast.

Das findet man bei ostdeutschen Nebenerwerbsbetrieben praktisch nicht. Die Nebenerwerbsbetriebe hier wurden alle nach der LPG-Zeit, nach der Kollektivierung neu gegründet. Natürlich knüpfen einige Betriebe an die Zeit vor der Kollektivierung an, aber hier gab es eine Spanne von mindestens 30 Jahren, wo man nicht privat Landwirtschaft betreiben konnte. Funktional ist es also eine Neugründung, bei der es wirtschaftlich keinen Sinn ergibt, in die Haltung von 20 Milchkühen zu investieren.

Wenn man heute Befragungen von süddeutschen Kollegen anschaut, sieht man, dass sich die Frage der Motivation sehr stark annähert. Der Aspekt Tradition nahm früher in Westdeutschland eine sehr viel größere Rolle ein. Das hat sich gewandelt. Auch im Westen macht man heute eher aus einer inneren Überzeugung Landwirtschaft.

Zahlen und Steuern

Es gibt zum Nebenerwerb kaum betriebswirtschaftliche Zahlen. Wo bekommen Nebenerwerbler verlässliche Zahlen zu dieser Betriebsform her, etwa für Betriebsvergleiche? Wie sieht es mit Steuermodellen aus?
Es gibt über das Bundeslandwirtschaftsministerium die Testbetriebsstatistik. Dort gibt es die sogenannten kleinen und Nebenerwerbsbetriebe als eigene Gruppe. Im Situationsbericht des Bauernverbandes mit den Land-Data-Daten gibt es auch ein paar Zahlen. Diese Zahlen haben aber ein wenig das Problem, dass sie auf klassischen Buchführungsdaten beruhen. Doch gerade kleinere Nebenerwerbsbetriebe werden häufig keine klassische Buchführung durchführen, zu der sie im übrigen auch nicht verpflichtet sind. Auch bei den KTBL-Zahlen gibt es nichts Differenziertes für Nebenerwerbsbetriebe. Eigentlich stochert man ein wenig im Nebel.

Was die steuerliche Einordnung betrifft, gibt es sicherlich verschiedenste Gestaltungsmöglichkeiten, wie man positive außerlandwirtschaftliche Einkünfte mit Abschreibungen oder negativen landwirtschaftlichen Einkünften verrechnen kann. Aber wenn man das auf Dauer macht, würde die Finanzverwaltung irgendwann sagen, dass es eben Hobby ohne Gewinnerzielungsabsicht ist. Es hängt in jedem Fall davon ab, wie sich die außerlandwirtschaftlichen Einkünfte gestalten.

Bei Paaren, die gemeinsam veranlagt werden, kommen vielleicht anderthalb außerlandwirtschaftliche Einkünfte zusammen plus einem halben landwirtschaftlichen Einkommen. Da gibt es sicherlich auch Möglichkeiten, das ordentlich zu verrechnen, aber konkret benannt wurde dies bis jetzt noch nicht. Hier lohnt es sich in jedem Fall, mit einem Steuerberater zu sprechen.

Wo und worüber sich als Nebenerwerbler informieren?

Welche Infokanäle nutzen Ihrer Meinung nach die Nebenerwerbslandwirte und welche inhaltlichen Erwartungen haben die Praktiker an diese Medien?
Wir haben das auch schon in unsere letzte Befragung als Fragenkomplex integriert, allerdings nicht zu den inhaltlichen Erwartungen. Das haben wir in die neue Befragung aufgenommen. Eigentlich würde ich sagen, dass Nebenerwerbler das klassische Spektrum von der Fachzeitung über das Internet bis hin zu Informationen aus Handel und Industrie nutzen.

Auch ein Nebenerwerbslandwirt muss von Agar-Antrag über die Dokumentationspflichten bis zum Sachkundenachweis Pflanzenschutz alles erfüllen. Wir haben dann gefragt, wie die Zusammenarbeit mit dem örtlichen Landwirtschaftsamt oder der Landwirtschaftsbehörde aussieht. Das wurde 2021 insgesamt positiv bewertet. Niemand kam sich hier als Nebenerwerbsbetrieb vernachlässigt vor.

Umfrage zum Nebenerwerb – Ihre Meinung ist gefragt!

Wie beurteilen Nebenerwerbslandwirte und -landwirtinnen ihre Situation und wie steht es um die Nebenerwerbslandwirtschaft?

Dazu wird eine neue Befragung durch die Hochschule Neubrandenburg gestartet. Wir wollen in Erfahrung bringen, wie sich Ihre Betriebe in den vergangenen Jahren entwickelt haben und wie Sie Ihre zukünftigen Perspektiven beurteilen. Statistisch gesehen hat die Anzahl der Nebenerwerbsbetriebe in den letzten Jahren zugenommen. Viele Probleme und Herausforderungen, aber auch die aktuellen Konflikte und Diskussionen über die Zukunft der Landwirtschaft in Deutschland besitzen für Landwirte im Nebenerwerb die gleiche Bedeutung wie für ihre Berufskollegen im Haupterwerb. Leider erfährt Nebenerwerbslandwirtschaft aber vielfach weniger Beachtung in Politik und Wissenschaft.

Insgesamt gibt es wenig fundierte Aussagen zur aktuellen Lage. Ein Schritt, dies zu ändern, ist es, mit dieser Befragung Ihre betrieblichen und persönlichen Einschätzungen in Erfahrung zu bringen und so mehr Aufmerksamkeit zu gewinnen. Außerdem können Sie Ihre eigene Situation mit der von anderen Berufskollegen vergleichen.

Die Bauernzeitung unterstützt diese Untersuchung und wird in wenigen Monaten ausführlich über die Ergebnisse berichten.

Falls Sie Fragen oder Anregungen haben sollten, schicken Sie diese bitte per E-Mail an: fock@hs-nb.de.

Beteiligen Sie sich daher gerne an der Online-Befragung unter www.hs-nb.de/nebenerwerb. Wir sind auf Ihre Angaben und Aussagen gespannt!

Nebenerwerb im Koalitionsvertrag – Fehlanzeige

Wissenschaftliche Erkenntnisse dienen immer auch als Entscheidungsgrundlage für die Politik. Welche Konsequenzen müssten aus Ihrer Sicht für den Nebenerwerb gezogen werden?
Eigentlich finde ich es überraschend, das sich die Politik relativ wenig mit dieser Gruppe beschäftigt, die von der Anzahl her immerhin gut die Hälfte aller Betriebe ausmacht. Im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung taucht im Agrarteil nicht ein Mal das Wort Nebenerwerbslandwirtschaft auf. Das überrascht insofern, da von den politischen Zielen her, wie man sich dort Landwirtschaft vorstellt, passt die Nebenerwerbslandwirtschaft definitiv ideal rein. Sie ruft eigentlich von allen Dingen die wenigsten Probleme, die Politiker sehen können, hervor. Trotzdem findet die Nebenerwerbslandwirtschaft in der Politik fast nicht statt.

Es gibt Bundesländer, in denen die Nebenerwerbslandwirtschaft traditionell eine große Bedeutung hat, vor allem in Süddeutschland. Dort ist der Blick vielleicht ein wenig offener. Schauen Sie aber zum Beispiel nach Mecklenburg-Vorpommern, dann werden dort Nebenerwerbsbetriebe bei der Verpachtung der landeseigenen Flächen inzwischen an die letzte Stelle gestellt. Auch unter dem Gesichtspunkt, dass Nebenerwerbsbetriebe eine Quelle für Betriebsneugründungen als Einstiegsmöglichkeit in die Landwirtschaft für jüngere Leute sein können, halte ich den Aufbau solcher Hürden strategisch für nicht besonders weitsichtig. Andere ostdeutsche Bundesländer geben inzwischen eigenständige Neugründdungs- und Niederlassungsprämien aus. Das Land Mecklenburg-Vorpommern macht das nicht und behindert sogar noch aktiv Nebenerwerbsbetriebe. Ich bin überzeugt, das man mit wenig Aufwand einige spezifische Punkte von Nebenerwerbsbetrieben adressieren kann, zum Beispiel die Frage, wie sie mit den Dokumentations- und sonstigen Pflichten umgehen können. Vielleicht sollte man dafür ein spezielles Beratungsangebot entwickeln.

Auch das Thema Weiterbildung sollte gezielter angegangen werden, weil wir zunehmend auch Menschen haben, die keine landwirtschaftliche Berufsausbildung mehr haben und trotzdem die Landwirtschaft nebenher machen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist aus meiner Sicht die Investitionsförderung. Früher gab es in der Förderpolitik in der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur- und Küstenschutz die kleine und die große Investitionsförderung. Heute ist das nicht mehr so. Man sollte vielleicht wieder ein Förderinstrument wie die kleine Investitionsförderung etablieren, bei der zum Beispiel keine Vorweg-Buchführung und zig andere Dinge verpflichtend sind. So ein angepasstes Instrument könnte Nebenerwerbsbetrieben, vielleicht sogar kleineren Haupterwerbsbetrieben helfen.

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