Ernte von Weizen mit SpreuStroh am 22. August in der Nähe von Königswarha. (c) Claudia Scholta

Kompakternte: Mehr als Korn und Stroh

Mit dem speziellen Verfahren Kompakternte wird im Gemisch auch die Spreu mit geerntet und kann später verwertet werden. Der biologische Reststoff kann fossile Rohstoffe ersetzen.

Von Jörg Möbius

Ein ungewöhnliches Gespann war Ende August bei der Ernte auf einem Weizenschlag in Sachsen zu sehen. Mit einer neuen Erntemaschine wurden Korn, Spreu und rund 25 % des Strohs geborgen. Zum Zwischenbunkern kam ein für dieses Gutgemisch angepasster Überladewagen zum Einsatz, der während des Erntens ständig wie beim Häckseln befüllt wird.

Der Kompakternter ist Kernstück der Erntetechnologie SpreuStroh. Er wurde aus einem modifizerten Rahmen eines Krone-Big M samt 500-PS-Dieselmotor von MAN, einem axialen Dreschsystem von New Holland und einem Hydrotrac-Antrieb von Rexroth von der Maschinenbaufirma Kluge in Königswarha mit einer Steuerung der Firma Hydrive Engineering aus Freital bei Dresden gebaut.

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Kompakternte: Modifizierter Umladewagen

Der Umladewagen UWF 25/35 ist ein auf der Basis eines modernen Getreide-Überladewagens aus Güstrow weiterentwickeltes, universelles und flexibles Sonderfahrzeug. Dabei wurde die Grundfunktion des Umladens von Getreidekorn mittels Frontschnecke in der Erntekette zwischen Mähdrescher und Straßentransport in voller Leistung erhalten. Hierfür steht das Nutzvolumen von 25 m3 für den Getreidekorn-Umschlag.

Die 35 m3 Nutzvolumen ermöglichen, auch mit diversen leichteren Schüttgütern und angepassten Volumenaufbauten eine hohe Umschlageffizienz zu erzielen. Die technische Basis für diese hohe Flexibilität bildet eine modulare Vorrichtung im Heck des Fahrzeuges, die das Entnehmen und Umladen verschiedenartiger Güter gewährleistet. Die Palette reicht dabei vom feuchteren Maishäcksel über trockene Kurzhäcksel wie Stroh, Heu, Energiepflanzen und dgl. sowie pelletierten Materialien aller Art bis zu Mischformen wie z. B. Corn-Cob-Mix bei der Maisernte.

Selbst Komposte oder Düngemittel wie Trockenkot lassen sich in der Fläche verteilen. Zusätzliche Potenziale entstehen durch die auch bei angebautem Modul hochklappbare Rückwand, die dann ein Austragen aller Materialien beispielsweise im Silobetrieb oder für Druschfrüchte in ebene Schüttgutannahmen erlaubt.

Dieser für das Erntegut Korn-Stroh-Spreu-Gemisch des Kompakternteverfahrens entwickelte Umladewagen ist somit auch ein mit gesonderter Traktion unabhängig von der Erntemaschine ganzjährig einsetzbares Universalfahrzeug. Wegen der deutlich größeren Menge Erntegut gegenüber reiner Körnerernte mit dem Mähdrescher ist bei großflächiger Anwendung des Verfahrens eine feldnahe Lagerung des Gemisches aus Korn, Spreu und Stroh möglich, beispielsweise in Folienschläuchen.

Diese Erntetechnologie er fordert noch einen höheren logistischen Aufwand. Dafür sind sowohl Erntemaschien als auch Transportgespanne leichter als bei der konventionellen Getreideernte. Mit der Spreu wird ein Großteil der Unkrautsamen mit vom Feld genommen. Die Räumung des Feldes erfolgt in einem Arbeitsgang. Rund 75 % des Strohs verbleiben in allen Jahren mit Getreideanbau auf dem Feld. Das schafft gleichmäßigere Bedingungen für die Bodenorganismen.

Zwischenlagerung im Folienschlauch. Die Schlauchpresse kann auch am Feldrand direkt von einem Umladewagen befüllt werden.
(c) Marko Rhede

Semimobile Aufbereitung

Die Aufbereitung erfolgt später mit einer semimobilen Reinigungsanlage. Diese separiert zuerst die Langstrohanteile. Korn und Spreu werden ähnlich wie in Mähdreschern über eine Reinigung getrennt. In einer nachgeschalteten Feinreinigung wird Staub aus dem Luftstrom herausgefiltert.

Jetzt sind vier Fraktionen vorhanden: Getreide, Stroh, Spreu und Biomassestaub. Sie können nun verschiedenen Nutzungen zugeführt werden. Das Getreide steht damit erst nach dem Trennprozess zur physischen Vermarktung zur Verfügung.

Das Stroh steht zu den üblichen Verwendungen bereit, wobei auf die Nutzung als Rohstoff für biologisch abbaubare Produkte wie Verpackungen hingewiesen sei. Die sinnvolle Nutzung von Spreu und Biomassestaub ist wichtiger Bestandteil des Projektes Wertschöpfungskette SpreuStroh.

Semimobile Reinigungsanlage: Langstrohanteile werden separiert, eine Feinreinigung ist nachgeschaltet. (c) Jörg Möbius

Wertschöpfungskette aufbauen

Die Grundidee der Wertschöpfungskette SpreuStroh stammt von Dr.-Ing. Johann Rumpler, er hat sie während seiner Tätigkeit in der Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau Sachsen-Anhalt vorgestellt.

Als Rentner führt er mit seinem Ingenieurbüro und vielen Partnern das Projekt weiter fort (siehe auch weitere Informationen am Beitragsende). Auf einer Veranstaltung im August wurde die neue Erntetechnik vorgestellt. Das erste Versuchsmuster basierte noch auf einem Fortschritt-Mähdrescher Arcus. Zweiter Schwerpunkt der Veranstaltung war der Austausch über die Nutzung der Biorohstoffe.

Das sächsische Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft hatte, organisiert von der Wirtschaftsförderung Sachsen, zur der Werkstatt Wertschöpfungskette SpreuStroh eingeladen.

Biologische Reststoffe nutzen

Im Zuge der immer intensiveren Suche nach nachwachsenden Rohstoffen und der Reduzierung der Nutzung von nur langsam nachwachsenden Ressourcen wie Holz erscheint die Nutzung von Spreu als biologischem Reststoff eine interessante Alternative.

In den vergangenen Jahren gab es zahlreiche Bestrebungen, den Reststoff Spreu einer Anwendung zuzuführen. Dabei standen vor allem die Nutzung in der Tierhaltung, für Dämmstoffe, in der Papierindustrie, Faserverbundstoffen und die energetische Nutzung im Vordergrund. Jedes Jahr verbleiben allein in Deutschland ca. 10 Mio. t Spreu als nicht verwendete Biomasse auf den Feldern.

Die Spreuerträge variieren dabei im Bereich von 1 bis 1,5 t/ha. Das Realisieren einer Wertschöpfung aus Endprodukten setzt voraus, das in der gesamten vorangegangenen Erzeugerkette von der Ernte bis zum Produzenten jeder Partner einen positiven Erfolg realisiert. Für Landwirte entsteht die neue Möglichkeit, mit Reststoffen der eigentlichen Primärproduktion zusätzlich Geld zu verdienen.

Gleichzeitig entsteht aber auch die neue Pflicht, für bisherige Nebenprodukte eine hohe Verfügbarkeit und gleichbleibende Qualität zu sichern. Beispiele für Produkte aus biologischen Reststoffen wurden u. a. von der TU Bergakademie Freiberg vorgestellt. Rohmaterial wird dort auf verschiedene Verabeitungsmöglichlkeiten getestet. Durch Mahlen und oder Sieben können gleichbleibende Rohstoffeigenschaften geschaffen werden.

Der Ersatz für Produkte aus fossilem Material kann so beispielsweise durch Biopolymere für die Anwendung in Spritzgussverfahren erfolgen. Die sich abzeichnende höchste Wertschöpfung aus landwirtschaftlichen Reststoffen wird aus der biochemischen Umwandlung der Materialien zu Basischemikalien wie Bernsteinsäure, Ameisensäure oder Methanol erwartet. Die weitere Entwicklung der Erntetechnik und der Nutzung der Ernteprodukte ist ab November 2023 Bestandteil eines vom BMBF geförderten RUBIN-Projektes EnviroPlast.


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