Australische Idee: Kettenscheibenegge im Kartoffelbau

Die Maisstoppelbearbeitung mit dem 12-m-Modell der Kelly-Scheiben egge bringt eine Flächenleistung von bis zu 14 ha pro Stunde. (c) Werkbild

Ein Landwirtschaftsbetrieb im Leipziger Land setzt eine Kettenscheibenegge beim Nacherntemanagement im Kartoffelbau ein. Genutzt wird das universelle Werkzeug aber auch für unterschiedliche Arbeiten in anderen Kulturen. Die Hauptziele sind aber immer gleich: Wasser im Boden halten und Pflanzenschutz mit weniger Chemie.

Von Wolfgang Rudolph, Bad Lausick

Wer die Arbeit aus der Nähe sehen will, muss schnelle Beine haben. Eben noch tauchte der Fendt 936 mit dem angehängten Gerät an der Kuppe des weitläufigen Schlages auf, da ist er schon am Vorgewende und verschwindet Sekunden später in der Gegenrichtung. Mit etwa 15 km/h ist das Gespann auf einem abgeernteten Kartoffelacker der Landwirtschaftsbetrieb Kitzscher GmbH unterwegs. Am Steuer sitzt Mitarbeiter Max Neumann. Zurück am Vorgewende stoppt er den Traktor, steigt ab und rüttelt mit der Hand an den Werkzeugaufhängungen. „Ab und zu prüfe ich die Federspannung der Kettenscheibensegmente, um sicherzustellen, dass wirklich alle Scheiben mit ihrem vollen Gewicht auf den Boden einwirken“, kommentiert der Fahrer die Kontrolle.

Schneiden und Schrubben

Kennzeichen der Kettenscheibenegge ist ein kreuzförmiger Rahmen. Zwischen den äußeren Enden der Konstruktion hängen etliche 12 kg schwere Stahlgussscheiben, die, ähnlich einer Gliederkette, mittels Haken und Ösen miteinander verbunden sind. Die flexible Aufhängung der Scheiben mit einem Durchmesser von 32 cm ermöglicht eine nahezu vollständige Anpassung an den Boden über die gesamte Arbeitsbreite.

Für eine großzügige Überlappung befinden sich an der Trägerkonstruktion noch zwei kürzere Scheibenketten, die wie die vier äußeren Ketten im Winkel von 45 bzw. 135 Grad zur Fahrtrichtung angebracht sind. In der Modellvariante des Kitzscheraner Agrarbetriebes mit einer Arbeitsbreite von 9 m sind so insgesamt 152 Scheiben im Einsatz.

Durch das Eigengewicht der Werkzeuge und weil die Scheiben der vorderen und der hinteren Kette in unterschiedlichem Winkel über die Oberfläche laufen, arbeitet das Gerät ohne größeren Bodeneingriff vor allem schneidend und schrubbend.

Minimale Bodenbewegung

Christopher Uhlig, Leiter Pflanzenbau
Christopher Uhlig, Leiter Pflanzenbau (c) Carmen Rudolph

„Die Kelly-Scheibenegge ist bei uns schon seit einigen Jahren nach dem Kartoffelroden im Einsatz“, informiert Geschäftsführer Kevin Frost. Ziel sei es, die auf dem Feld liegen gebliebenen Kartoffeln an die Oberfläche zu bringen und möglichst viele der Knollen zu beschädigen, um so deren Rotte zu beschleunigen und in Verbindung mit winterlicher Frosteinwirkung das Keimen im Frühjahr zu verhindern. Das soll aber ohne eine tiefe Lockerung erfolgen. Schließlich werde die Struktur des Bodens schon durch die intensive Durchsiebung bei der Ernte geschädigt.
Diese Aufgabe erledige die Scheibenegge sehr gut und wegen der hohen, für den gewünschten Effekt auch notwendigen Arbeitsgeschwindigkeit mit enormer Schlagkraft.

Darüber hinaus habe man festgestellt, dass die Kettenscheibenegge den gerodeten Kartoffelacker bei der Überfahrt sehr gut einebnet. „Diese nivellierende Nebenwirkung hatten wir zunächst gar nicht im Fokus. Sie kommt uns aber durchaus entgegen, weil sie die Aussaat des nachfolgenden Weizens im Strip-Till-Verfahren mit der Horsch-Focus begünstigt“, erläutert der 34-Jährige. Denn auf einem ebenen Saatbett könne die Drillmaschine mit höherer Geschwindigkeit arbeiten, was die Produktivität verbessert und Verluste reduziert. Zudem erleichtere dies die spätere Kulturführung.

Stoffkreislauf über zwei Betriebe

Kevin Frost, Geschäftsführer
Kevin Frost, Geschäftsführer (c) Carmen Rudolph

Die 30 Mitarbeiter des Landwirtschaftsbetriebes Kitzscher bewirtschaften 2.600 ha Diluvialböden mit Ackerzahlen zwischen 40 bis 52 BP am Rande der Leipziger Tieflandsbucht. Auf dem größten Teil der Fläche, etwa 1.000 ha, steht Weizen. Zum Betrieb gehören außerdem fast 100 ha Grünland.

Auch vor Mais wird ein Gras-Klee-Gemenge als Zwischenfrucht angebaut und zwei Mal beerntet. Darauf angesprochen, sagt Frost: „Wir sind zwar ein reiner Marktfruchtbetrieb, pflegen aber eine enge Kooperation zu einem benachbarten Agrarbetrieb, der 2.500 melkende Kühe hält. Für diesen liefern wir das komplette Grundfutter und nehmen die Gülle aus der Milchviehanlage als Dünger zurück.“

Herausforderungen für den Pflanzenbau in der Region seien die relativ dünne Mutterbodenauflage von 20 bis 30 cm so-wie die geringe Jahresniederschlagsmenge von deutlich unter 500 mm in den vergangenen drei Jahren (sonst 500 bis 550 mm), verbunden mit ausgeprägten Trockenperioden im Vegetationszeitraum April bis August. Negativ wirken Hitze und Wassermangel besonders auf die Sommerungen Mais und Kartoffel. So verringerte sich der Silomaisertrag seit 2018 um ein Drittel bzw. sogar um die Hälfte auf 200 dt/ha.

Ähnlich bei der Kartoffel, die der Betrieb auf 300 ha nach Raps (für die Tiefenlockerung) und Weizen (für die Gare) anbaut. Davon sind 160 ha Pflanz-, 125 ha Speise- und 15 ha Stärkekartoffeln. Im Pflanzkartoffelbereich werden in Zusammenarbeit mit fünf Züchterhäusern 32 Sorten vermehrt. „2018 und 2019 konnten wir die Minderernte bei den Speisekartoffeln noch über den Preis auffangen. In der vergangenen Saison war allerdings nicht ganz Deutschland betroffen. Dürre gab es nur regional, unter anderem bei uns. Die insgesamt fast normale Kartoffelmenge am Markt bei zugleich vermindertem Bedarf aufgrund des pandemiebedingten Wegfalls von Großveranstaltungen mit den obligatorischen Pommes-Ständen drückte natürlich insbesondere bei der nicht vertragsgebundenen Ware auf den Preis“, beschreibt der Geschäftsführer die aktuelle wirtschaftliche Lage beim Kartoffelanbau, auf deren Verbesserung er nun durch die aufgefüllten Bodenwasserreserven nach den erfreulichen Niederschlags- und Sickerwassermengen in den vergangenen Monaten hofft.

Mitarbeiter Max  Neumann erläutert  das Vorgehen beim  Überprüfen der  Federspannung an den Segmenten  der Kettenscheibenegge.
Mitarbeiter Max Neumann erläutert das Vorgehen beim Überprüfen der Federspannung an den Segmenten der Kettenscheibenegge. (c) Carmen Rudolph

Alles zusammen – die wechselnden Marktbedingungen, die Klimaveränderung, die örtlich schwache Mutterbodenauflage sowie die gelegentlich auftretende Winderosion – spreche aus Sicht des Betriebschefs insbesondere bei den Sommerungen gegen eine wendende Bodenbearbeitung, sondern für eine durchweg schonende Behandlung des wichtigsten Produktionsmittels.

Bei der Suche nach der dafür geeigneten Technik entschied sich der Betrieb neben der Strip-Till-Maschine Horsch-Focus für die Kelly-Scheibenegge. Der Betriebschef kannte das Gerät aus einem Berufsjahr in Australien, wo das Prinzip der Scheibenkette für die Bewirtschaftung der Weiten des australischen Outbacks entwickelt wurde.

Vielfältige Einsatzoptionen

„Nachdem wir uns zunächst eine Kettenscheibenegge zum Testen ausgeliehen und dann 2013 schließlich ein Modell mit 9 m Arbeitsbreite gekauft hatten, ergaben sich durch eigene Versuche und durch den Erfahrungsaustausch mit anderen Landwirten weitere Einsatzoptionen“, sagt Frost.

So beseitige man mit der Scheibenegge in der Rapsstoppel als Alternative zur Glyphosatanwendung den Aufwuchs mit hoher Flächenleistung. „Um die angestrebte Wirkung zu erzielen, muss der Traktorfahrer zwar ordentlich Stoff geben, so um die 15 km/h. Gleichzeitig darf er nicht zu schnell fahren. Sonst fängt das Gerät an zu springen“, ergänzt Pflanzenbauchef Christopher Uhlig.
Überhaupt müsse man die Scheibenegge, wie ja andere Bodenbearbeitungsgeräte auch, mit Bedacht einsetzen, um ihre Stärken zur Geltung zu bringen. Abträglich seien beispielsweise steinharte ausgetrocknete Bodenverhältnisse. Dann würden etwa die Stängel des Ausfallrapses nur nachgeben und die Pflanzen nicht herausgerissen. Außerdem dürfe der zu beseitigende Aufwuchs nicht schon zu hoch sein.

Wenn jedoch die Bedingungen stimmen, leiste die Kettenscheibenegge, die sich zudem durch einen geringen Wartungsaufwand auszeichne, in vielen Bereichen der Kulturpflege schon durch die große Schlagkraft eine tolle Arbeit. Als Beispiel nennt der ebenfalls 34-jährige Uhlig das Abscheren und Zerkleinern von abgestorbenen Zwischenfrüchten auf gefrorenem Boden, wobei die Pflanzen, nach Aussage des Landwirts, wie Glas brechen. Gute Dienst leiste das für den Transport auf 2,40 m hydraulisch einklappbare Gerät zudem bei der Zerfaserung von Maisstoppeln zur Zünslerbekämpfung.

„Demnächst werden wir den Einsatz von Ketten mit aggressiver wirkenden Scheiben ausprobieren“, kündigt Geschäftsführer Frost an. Dann würden sich bestimmt noch weitere Einsatzmöglichkeiten ergeben.