Gänse sind durch ihre Anatomie gute Weidetiere. Da der Selbstversorgungsgrad hierzulande bei 18% liegt, kann die Weidegänsemast mit betriebseigenem Futter ein lukrativer Nebenverdienst in Direktvermarktung sein. (c) Sabine Rübensaat

Grünland als Gänseweide

Oft sind kleinere Weideflächen vorhanden, aber Rinder oder Schafe werden nicht mehr gehalten. Da kann Mastgeflügel helfen, sie zu nutzen.

Von Manfred F. Golze

Die Gans gilt seit ältesten Zeiten als Weidetier erster Güte. Bereits vor mehr als 2.000 Jahren wurde in Ägypten die Futteraufnahme des Wassergeflügels beschrieben. Gänse weideten auf dem Grünland am Wasser und sie brauchen viel Gras.

Bis Anfang des letzten Jahrhunderts gab es in den meisten Dörfern und vielen Städten den Gänseanger, die Hutungen, auf denen die Gänse geweidet wurden.

Für Orte, in denen die Erzeugung von Gänsen eine besondere Rolle spielte, meist in der Nähe von Großstädten, die als Absatzmarkt dienten, sind heute oft die Namen, wie „Gänsenerche“, „Gänsedommsch“ (sächsisch) gebräuchlich. In vielen Stadtplänen ist der Gänseanger noch erhalten.

Aktuelle Ausgabe
Bauernzeitung 17/2024

Unsere Top-Themen

  • BraLa 2024: Trecker, Tiere und Talente
  • Strategien im Maisanbau
  • Wertvoller Wirtschaftsdünger
  • Märkte und Preise
Zur aktuellen Ausgabe

Festtagsgans: Weidemast spart Futterkosten

Die Ausweitung des Ackerbaus zu Beginn des 20. Jahrhunderts führte zur Aufhebung der Hutweiden. Agrarökonomen waren der Überzeugung, dass damit eine wirtschaftliche Gänsehaltung nicht mehr möglich sei. Die Gänseerzeugung spielte aber bis Mitte des letzten Jahrhunderts weiter eine größere Rolle als in der Gegenwart. Sie war immer schon ein Saisongeschäft.

Heute dient sie fast ausschließlich der Festtagsversorgung zum Jahresende. Daraus resultieren eine lange Haltungsdauer, ein hoher Futterverbrauch und hohe Futterkosten. Diese versucht man über die Weidemast auf dem Grünland zu reduzieren.

Anatomie einer Gans

Die Gans ist schon durch die Anatomie des Verdauungsapparates für die Weide geschaffen. Professor Heinz Jeroch, ein legendärer Geflügelernährer, bezeichnete die Gans lange als den Wiederkäuer unter den Geflügelarten.

Gänse
Gänse auf der Weide

Der breite, große Schnabel mit kräftiger Bohne oder Nagel und dem „Gebiss“ zum Abrupfen und zur Aufnahme der Pflanzen. Die besondere Konstruktion des Kropfes, im Gegensatz zum Huhn nur eine spindelförmige Erweiterung, ist auch für gröbere Stängel geschaffen.

Verstopfungen durch längeres Gras sind dadurch ausgeschlossen. Danach folgt der gewaltige Muskelmagen, auch als „Kaumagen“ bezeichnet, der zur Zerkleinerung der Stängel und als Voraussetzung für den Aufschluss der Inhaltsstoffe dient. Der Innendruck ist dreimal höher als beim Huhn.

Die biologischen Besonderheiten der Gans – ausgewählte Merkmale, die direkt oder indirekt für die Nutzung von Grünland von Bedeutung sind:

  • relativ niedriger Nährstoffbedarf in der Hauptaufzuchtperiode,
  • Verwertung von Grünfutter und geringer Bedarf von tierischem Eiweiß,
  • Weidetüchtigkeit, auch Weiden mit geringem Futterwert, sogenannte Gänseweiden,
  • geringe Ansprüche an den Stall, auch stalllose Haltung oder 24-Stunden-Weide.

Untersuchungen: Grünfutteraufnahme und Gänseweide

In der meisten Geflügelliteratur steht nur allgemein zur Gänseweide: „Gänse ernähren sich von Grünfutter, Gras, Klee und Kräutern.“

Erst in der Lehr- und Versuchsstation „Schlobachshof“ der Universität Leipzig, wurden in den 80er-Jahren von Dr. Schneider und Prof. Pingel gezielt Versuche zur Grünfutteraufnahme nach Alter und Gewicht der Gänse durchgeführt.

In den 90er-Jahren und zu Anfang 2000 führten Dr. Dietmar Köhler in der Lehr -und Versuchsstation Iden des Landes Sachsen-Anhalt und der Autor im Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, Sachsen auf Versuchsflächen und in Betrieben verschiedene Versuche zur Gänseweide durch.

Alle Versuche wurden gemeinsam abgestimmt und parallel über mindestens zwei Jahre, zum Teil bis sechs Jahre, wiederholt. Diese Ergebnisse sind Inhalt der nachfolgenden Ausführungen.

Schwerpunkte dabei waren:

  • Welche Gräser und Pflanzen bevorzugen Gänse?
  • Welche Wuchshöhe ist von Vorteil für die Gänse?
  • Wann sollte mit der Weide begonnen werden?
  • Welches Weideverfahren?
  • Welche Besatzstärke je Hektar?
  • Wann Neuansaaten oder Nachsaaten?

Ergebnis: Diese Gräser und Pflanzen mögen Gänse

  • Wichtig: Das Futter, was auf der Weide steht, muss den Tieren schmecken.
  • Besonders gern wurden Deutsches Weidelgras, Rotes Straußgras, Rotschwingel, Weißes Straußgras, Quecke, Weißklee, Schwedenklee und Löwenzahn gefressen.
  • Befriedigend gefressen wurde Gemeine Rispe, Lieschgras, Wiesenschwingel, Wiesenrispe, Welches Weidelgras und Franzosengraut.
  • Kaum bis nicht gefressen wurde Glatthafer, Knaulgras, Lieschgras, Rohrglanzgras, Rohrschwingel, Wiesenschwingel, Schafschwingel, Wiesenfuchsschwanz, Weide-und Ackerluzerne, Rotklee und viele Wildkräuter (Brennnessel, Wegerich).

Das Ziel besteht darin, die Weide in der Vegetation grün zu erhalten und dabei gleichzeitig zwei Aufgaben zu erfüllen:

  • gut die Gänse mit Weidefutter zu versorgen und
  • durch eine gute Optik (grüne Weidefläche) kundenwirksam für die Vermarktung zu sein.

Dafür können die Erkenntnisse aus den Versuchen genutzt werden.

Tipps für die Gänseweide

Besteht die Aufgabe, eine Gänseweide neu anzusäen oder eine bestehende Fläche durch Nachsaat zu verbessern, sollte:

  • die Beliebtheitsskala der Gräser berücksichtigt werden.
  • es können geprüfte Sorten empfohlen werden, die in Ausdauerversuchen bestanden haben. Hier bieten die Versuche, die gemeinsam von Sachsen, Thüringen, Hessen, Rheinland Pfalz und Nordrhein-Westfahlen durchgeführt wurden, gute Anhaltspunkte.
  • Wichtig ist nicht das Ergebnis im ersten Jahr, sondern welche Sorte gute Erträge über viele Jahre hinweg erbringt.
  • bei der Auswahl der Gräser ist ebenfalls der Standort zu beachten. In einigen Gegenden muss die Trockenheit beachtet werden.

Gössel und Gänsegras: Wann mit der Weide beginnen?

Die optimale Grashöhe für die Gänse liegt zwischen 5–10 cm, 15 cm sollten nicht überschritten werden. Zu hohes Gras treten die Gänse nieder und dann wird dieser Aufwuchs nicht mehr gefressen. Dazu kommt das Problem, dass kranke Grasbestände, wie Bestände, die mit Rost befallen sind, ebenfalls gemieden werden.

Die Untersuchungen zeigten, dass die Gänse bei Weideauftrieb auf Flächen mit einer Wuchshöhe bis 10 cm im Vergleich zu Flächen bis 15 cm über 10 % mehr Gras aufgenommen haben. So wird Zufutter gespart und es kommt dem Schlachtkörper zugute.

In Studien über zwei Jahre wurden drei Herden a 200 Gössel gehalten:

  • Gruppe Weidegang je nach Witterung und oft nur stundenweise ab der ersten Lebenswoche (diese Form findet man schon vor Jahrhunderten bei den Pommerngänsen auf Rügen oder den Dipholzer Gänsen im Raum Südlich Hannover, Dinklage).
  • Die Gössel wurden drei Wochen im Stall aufgezogen und es wurde ihnen täglich Grünfutter in Raufen zur Verfügung gestellt.
  • Die Gössel wurden intensiv aufgezogen, durchgängig mit Starter-und Aufzuchtfutter versorgt. Zur Weide bzw. Grünfutter bekamen sie erst nach der dritten Lebenswoche. Es wurde der Zeitraum der Weide-Magergänse (4. bis 18. Lebenswoche/vor Ausmast) ausgewertet:
  • Die Gänse der Gruppe 1 fraßen auf der Weide in diesem Zeitraum etwa 12 % mehr Gras als die Gänse der Gruppe 3.
  • Die Gänse der Gruppe 2 konsumierten etwa 5 % mehr Gras als die Gänse der Gruppe 3.

Damit steht die Frage, Gössel im Alter von ein bis drei Tagen oder drei Wochen einzukaufen. Die Vorbereitung der Gössel auf das Grünland ist besser möglich.

Halter von kleineren Beständen kaufen gern drei Wochen alte Gössel, um die Aufwendungen der Aufzucht zu umgehen.

Es gibt aber auch Spezialisten, die Gössel drei Wochen, manchmal auch etwas älter anziehen, die bereits gut auf die Weidemast vorbereitet sind. In Sachsen wird dies im Geflügelhof Weber in Schönberg, praktiziert.

Drei Wochen alte Gössel auf der grünen Wiese
Drei Wochen alte Gössel auf der grünen Wiese. (c) Geflügelhof Weber/Schönberg

Weidetier mit Biss: Queckenbekämpfung

Jede Tierart ist in der Wirkung auf die Weide bezüglich Tritt, Verbiss, Nährstoffeintrag und Futterselektion unterschiedlich. Die Gans ist ein gutes Weidetier. Das Gewicht ist gering, somit ist der Tritt günstig. Es sind sogar feuchte Flächen nutzbar. Die bevorzugten Pflanzen sind genannt. Wenn der Standort der Tränken gewechselt wird, ist der Nährstoffeintrag kein Problem.

Als nachteilig muss der Biss bezeichnet werden. Er ist nicht nur tief, sondern unterirdische Triebe werden sogar teilweise aufgenommen. Diese Fähigkeit führte dazu, dass man die Gänse auch schon zur Queckenbekämpfung mit Erfolg eingesetzt hat. Diese Eigenschaft hat aber dazu geführt, dass der Ruf der Gänse bei den „Grünlandpäpsten“ schlecht ist.

Es herrscht die Meinung vor: „Eine Gans macht jede Grasnarbe zunichte“. Unsere Antwort darauf ist: „Bei zu hohem Besatz mit Tieren und zu langer Fresszeit macht jede Tierart jede Weide zu Nichte“.

Grünland und Weidenutzung: Welches Verfahren?

Es geht nicht um eine stalllose Haltung von Gänsen auf der Freilandfläche (24 Stunden am Tag „Dauerweide“), sondern um:

  • eine gute Weidemast der Spätmastgänse – in der Phase der Magergänseerzeugung,
  • der Versorgung von Zuchttieren im „Urlaub/Wellness“ in der Zuchtruhe, und gleichfalls
  • für Herden zur Konsumeiererzeugung.

Bei jeder Weidenutzung mit jeder Tierart sind kurze Fresszeiten und lange Ruhephasen des Grünlands anzustreben. Wird die Besatzstärke der Wüchsigkeit des Standortes angepasst, ist das eine Garantie für gutes ausreichendes Futter und für die Erhaltung – zum Teil Verbesserung, der Grasnarbe.

In den Versuchen wurde eine Umtriebsweide mit einem Wechsel aller drei bis fünf Tage je nach Jahreszeit und Aufwuchs durchgeführt. Bei normaler Witterung konnte sich das Grünland wie ein „Tennisrasen“ zeigen.

Der Weiderest sollte immer etwa 3 cm betragen. Bei wertvollen Gräsern sind die Reservestoffe oberhalb des Bodens. So treiben diese schnell wieder aus. Bei der Quecke oder anderen unerwünschten Pflanzen sind die Reservestoffe im Boden.

Gänsezucht: Wie viele Tiere pro Hektar?

In der älteren Literatur, wird von einem Besatz von 40–60 Gänsen pro Hektar geschrieben. Auch die kombinierte Form von Zucht und Mast ist beschrieben, das heißt natürliche Brut und Aufzucht. Für einen Zuchtstamm, der aus einem Ganter und vier bis fünf Gänsen bestehen sollte, werden 40–60 Nachkommen pro Hektar angegeben. In der jüngeren Literatur geht man von maximal 100 Gänsen pro Hektar aus.

In den vorliegenden Versuchen hatten sich 40–60 Gänse auf leichteren Standorten und 70–80 Tiere auf guten Böden bewährt. Der Bedarf an Weidefläche ist vom Grünmasseertrag je Hektar und dem vom Alter und Typ bedingten Verzehr an Grünfutter pro Tier und Tag abhängig. Die eigenen Untersuchungen bestätigten andere Literaturwerte (Tab.).

Wann Ansaat und wann Weidebeginn?

Jede Dauerweide ist gut zu planen. Neuansaaten genauso wie Weideverbesserungen durch Nachsaaten sollten im Frühjahr oder auch frühen Herbst erfolgen. Es hat sich bewährt den Saattermin fürs Gebirge, rauere Lagen und Standorte mit häufig zeitigem Frost auf das Frühjahr zu legen. Bei Aussaat im Herbst erfrieren die jungen Graspflänzchen oft und der Bestand wintert aus, bevor er sich festigen konnte.

Auf leichten Standorten in tieferen Lagen haben wir oft das Gegenteil. Bei Aussaaten im Frühjahr fehlt oft das Wasser für die junge, noch nicht gefestigte Narbe und die Pflanzen vertrocknen. Hier ist die Herbstaussaat zu empfehlen.

Gleiches gilt für eine Nachsaat, um den Pflanzenbestand zu verbessern. Eine Nachsaat sollte bei Fehlstellen von etwa 10 % erfolgen. Sie ist für die Pflege wichtig, auch wenn, nach einigen Literaturangaben, nur jede zweite bis dritte Nachsaat gelingt.

Die Ansaat ist zeitig einzuplanen, da es günstig ist, das neu angesäte Grünland im Ansaatjahr nur zur Mähnutzung zu nutzen. Zumindest sollte der erste Schnitt gemacht und danach sehr vorsichtig der erste Weidegang organisiert werden, damit die Narbe stabiler wird. Grund ist der tiefe Verbiss der Gänse.