Windenergie: Faire Pacht als Ziel (c) Sabine Rübensaat

Windenergie: Faire Pacht als Ziel

Sobald auch nur die leiseste Chance besteht, dass ein neues Windenergiegebiet ausgewiesen wird, schwärmen die Projektplaner aus und wollen sich die Flächen sichern. Die Eigentümer bekommen dann Verträge vorgelegt, die verlockende Einnahmen versprechen. Doch Papier ist geduldig und die Materie kompliziert.

Von Christoph Feyer

Volker Zillmann kann das ganze Jahr über ernten. Seine Familie und die der Eickenjägers bilden zusammen das Familienunternehmen Dobberzin Agrar GmbH. Sie profitiert von kontinuierlichen Einnahmen aus Wind und Sonne. Photovoltaikanlagen auf allen Dächern des uckermärkischen Betriebes und Windräder sorgen dafür.

Gerade letztere sind jetzt, in der dunkleren, windstarken Jahreshälfte, recht ertragreiche „Mitarbeiter“. Dass dieser (Pacht-)Ertrag heute in vollem Umfang in dem 1.000-ha-Betrieb ankommt, war kein Selbstläufer. Dafür musste sich Volker Zillmann jemanden mit Spezialkenntnissen zur Unterstützung suchen – einen Fachberater für Windenergie.

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Verpachtung an Betreiber von Windkraftanlagen wie ein Lottogewinn

„Die ganze Materie ist sehr komplex und nicht wirklich das Kerngeschäft eines Landwirts“, berichtet der Betriebsleiter zurückblickend. Bereits 2008 hatte sein Vater Günter, der damals noch für den Marktfruchtbetrieb bei Angermünde verantwortlich war, angefangen, sich mit Windenergie zu beschäftigen. Ein größerer Windpark war da gerade in der Nähe von Volker Zillmanns Wohnort, dem benachbarten Dorf Crussow, entstanden.

Nicht viel später landeten auch erste Vertragsangebote von Windkraftplanern auf seinem Schreibtisch. Irgendwann hätten sie sich dann für ein Angebot entschieden und den Vertrag unterschrieben, der ihnen am meisten zusagte, ohne aber dessen Inhalt vollkommen zu durchschauen. „Man kommt ja auch an keine Informationen. Niemand gibt seine Zahlen raus“, so der Landwirt.

Die Möglichkeit, Grundstücke an Betreiber von Windkraftanlagen zu verpachten, sei ja schon so etwas wie ein Lottogewinn. Aber der zweite Lottogewinn wäre dann der Kontakt zum Windkraftexperten Max Wendt gewesen. 

Windenergie
Windenergie (c) Sabine Rübensaat

Endlich auf Augenhöhe verhandeln

Der Berater für Windenergie kam dazu, als der unterschriebene Vertrag nach fünf Jahren auslief, weil – zum Glück für die Dobberziner – der Bau der Windräder nicht zustande gekommen war. „Von diesem Zeitpunkt an“, so der Uckermärker, „konnten wir mit den Planern endlich auf Augenhöhe verhandeln.“ 

„Die Konditionen in den Verträgen waren damals tatsächlich unter aller Kanone“, bestätigt Max Wendt. Das Ganze setze sich immer aus einer ökonomischen und einer juristischen Komponente zusammen, was es sehr kompliziert mache. Auch das Projektentwicklungsverfahren sei für die Grundstückseigentümer anfangs kaum zu durchschauen, für die Planer aber sei es das „täglich Brot“. Daraus resultiere ein Wissensvorsprung, den sie natürlich auch ausnutzen würden.

Der 35-jährige Landwirtssohn stammt aus der Umgegend von Prenzlau und arbeitete nach seinem Betriebswirtschaftsstudium zwei Jahre lang im Energieunternehmen Enertrag, bevor er sich 2013 selbstständig machte. Bei befreundeten Landwirten hatte er in dieser Zeit mehrfach mitbekommen, dass die vorgelegten Verträge für diese stets „suboptimal“ ausfielen. „Da war für mich eine rote Linie überschritten“, sagt Max Wendt zurückblickend.

Windenergie und Personen mit Fachwissen

Im Grunde hätten alle Landwirte oder Flächeneigentümer doch immer die gleiche Frage: „Wie hoch muss eine angemessene, faire Pacht sein?“. Und da diese Frage eigentlich nur Personen mit dem spe­ziellen Fachwissen zur Windenergie wirklich beantworten können, war seine Geschäftsidee geboren.

Aufgrund des recht dynamischen Umfelds in der Windenergiebranche arbeitet er eng mit Juristen und Steuerfachleuten zusammen, deren Expertise er auf seine Kosten in Anspruch nimmt. „Nur mit der Auswahl des attraktivsten Vertrages aus der Vielzahl der vorliegenden Pachtangebote ist man als Grundstückeigentümer leider nicht gut beraten. Das Optimum liegt stets weit über dem, was den Flächenbesitzern als Vertrag vorgelegt wird“, ist sich der Berater sicher. 

Windenergie: Deutlich bessere Konditionen

Volker Zillmann kann das aus eigener Erfahrung nur bestätigen: „Wir konnten die neuen Verträge so gut nachverhandeln, dass sich unsere Erlöse am Ende verdoppelt haben.“ Seine Lehre daraus: Handschlaggeschäfte, wie er sie als Landwirt eigentlich gerne eingeht, sind in dieser Branche nicht möglich.

Bei der Neuverhandlung des Vertrages hätte sich dann gezeigt, dass die technischen und ökonomischen Einflüsse, die während solch langer Zeiträume auf so ein Projekt einwirken, enorm sind und dass man gut beraten ist, dies in einem neuen Pachtvertrag zu berücksichtigen.

Vor allem der Status Quo des nach dem Bau geltenden Vergütungsmodells sowie der geplanten Windmühlen-Generation sind vertraglich zu berücksichtigen. Gerade da „versteckt“ sich laut Berater Wendt oft enormes Pachtsteigerungspotenzial, auf das der Grundstückseigentümer nicht verzichten sollte.

Ein weiteres, sehr wichtiges Kapitel ist der richtige Umgang mit der BVVG. Wer sich da nicht auskennt, könne ganz gewaltig in die Röhre schauen. „Die langen bei Winderlösen kräftig zu, wenn man ihnen die Möglichkeit dazu gibt“, weiß der Berater zu berichten. 

Windenergie: Mutig sein und ernsthaft verhandeln

Sparschwein, Sparstrumpft
(c) Annekatrin Pischelt

„Viele, die so einen Vertrag vorgelegt bekommen, haben Angst, den ‚Lottogewinn‘ zu riskieren, wenn sie zu ernsthaft verhandeln“, beschreibt Volker Zillmann die Situation der betroffenen Grundstückseigentümer und bringt die Sache dann auf den Punkt: „Aber wer das nicht tut, der ist am Ende der Dumme!“ 

Auf die Frage, wie denn die Leute im Dorf reagiert haben, als bekannt wurde, dass Windräder gebaut werden sollen, berichtet der Uckermärker Betriebsleiter zuerst von den Erfahrungen, die er in Crussow gemacht hatte: „Ich kannte das ja schon mit den Windrädern und wusste, dass die Belastung für die Anwohner nicht so schlimm ist, wenn die notwendigen Abstände zu den Wohnhäusern und Höfen eingehalten werden.“

Natürlich gebe es immer Mitmenschen, die gegen Windenergie sind. Aber schon der obligatorische Bürgerentscheid habe gezeigt, dass 90 Prozent der Leute im Dorf nichts gegen so ein Projekt haben bzw. sich dafür schlicht nicht interessieren.

Er bezeichnete diese als „graue Masse“. Dann gäbe es fünf Prozent, die davon profitieren, also die Grundstückseigentümer. Und dann jene fünf Prozent, die dagegen sind und sich in Bürgerinitiativen gegen Windenergie zusammenschließen. „Diese fünf Prozent sind aber, auch dank der neuen Medien, sehr laut“, erklärt der Ackerbauer weiter. „Die fallen dann auf und weil die graue Masse schweigt, kommt es Außenstehenden so vor, als ob das ganze Dorf dagegen wäre.“

Geld aus Windenergie für die Gemeinde

Damit wirklich alle Anwohner von den Erträgen aus Windenergie profitieren, haben die Dobberziner eine jährliche Spende von 4.000 Euro in den Vertrag mit dem Anlagenbetreiber schreiben lassen. Das Geld fließt direkt in die Gemeinde und kommt z. B. dem örtliche Fußball- und dem Dorfverein zugute. 

Auf dem Windfeld bei Dobberzin drehen sich seit drei Jahren nun sechs Windräder. Die Windmühlen des Herstellers Senvion, dessen deutsche Tochter voriges Jahr in Insolvenz gehen musste, haben jeweils 3,2 Megawatt (MW) Leistung und zeichnen sich durch eine Narbenhöhe von 139 m sowie einem Rotordurchmesser von 122 m aus. 

Nur eines von fünf Windrädern

Vom Senvion-Bankrott direkt betroffen sind auch die zehn Fami­lien des Flächeneigentümerpools Blumberg bei Ahrensfelde, östlich und unweit der Berliner Stadtgrenze. Dort dreht sich deswegen erst eines von fünf genehmigten Windrädern. Seine Parameter: 4,2 MW Leistung, eine Nabenhöhe von 130 m und ein Rotordurchmesser von 140 m. Es war das letzte Windrad, das Senvion gebaut hat.

Der Wechsel zu einem anderen Hersteller hat jetzt ein erneutes Genehmigungsverfahren notwendig gemacht und den weiteren Ausbau des Windfeldes vorläufig ausgebremst. Doch die Grundstücksbesitzer sind optimistisch, dass die anderen vier Windmühlen auch noch aufgestellt werden. Vier Eigentümer, Alfred Ebel und sein Sohn Benjamin Zinsler-Ebel sowie Vater und Tochter Gathow, konnte ich treffen und erfuhr dabei, dass es nicht die erste Insolvenz bei ihrem Windenergieprojekt war. „Den ersten Vertrag haben wir 2009 mit der Firma Prokon unterschrieben“, berichtet Alfred Ebel. „Die ging aber 2013 in Planinsolvenz.“

Kurz zuvor hätte die Firma noch versucht, die Verträge zu verlängern, um die Flächen zu halten. Zu diesem Zeitpunkt war das Windgebiet auch noch nicht in der Regionalplanung Uckermark-Barnim verankert. Das erfolgte erst im Frühjahr 2016 und ab dann ging es erst richtig los. Der Landwirt, der gemeinsam mit seinem Sohn auf 300 ha Druschfrüchte anbaut und auf 30 ha Grünland vor allem Heu für umliegende Pferdehöfe erzeugt, war einer der ersten des Flächenpools, der von den Planern angesprochen wurde.

„Die haben mit uns gespielt“

Heute ist er froh darüber, dass ihnen jetzt ein externer Berater für Windenergie zur Seite steht. Die Eigentümersituation in der Gemarkung sei sehr heterogen und es habe ihn viel Zeit und Kraft gekostet, alles zu koordinieren und jeden immer gleich gut am Informationsfluss teilhaben zu lassen. „Basisdemokratisch das Ganze zehn Jahre lang am Laufen zu halten, war schon ein Kraftakt“, blickt der Landwirt zurück. Zudem hätten auch sie gemerkt, dass sie mit den Planern nicht auf Augenhöhe verhandeln können. „Wir hatten nicht das Hintergrundwissen zur Windenergie“, so der 65-Jährige. „Die haben mit uns gespielt.“

Windrad­standorte nach technischen Ansprüchen und nicht nach Flurstücken vergeben

Den Pool hatten die Flächeneigentümer auf Anraten des damaligen Planers Prokon selbst ins Leben gerufen, denn im frühen Projektstadium einzelnen Eigentümern einen Windradstandort zu versprechen, ist unseriös. Ein Windpark lässt sich ertraglich nur optimieren, wenn die Windrad­standorte nach den technischen Ansprüchen und nicht nach Flurstücken „vergeben werden“. Max Wendt kam als fachliche Unterstützung 2016 zu dem Projekt dazu.

Heute haben die Blumberger ein gerechtes Pool-Modell, mit dem jeder einverstanden ist. „Und das, obwohl uns immer wieder alle möglichen Firmen die tollsten Angebote unter die Nase gehalten haben“, gibt Eigentümer Gathow zu bedenken. „Vielen wird mit hohen Pachtangeboten regelrecht der Kopf verdreht.“

Transparenz und juristischer Beistand wichtig

Der 68-jährige Blumberger hat einen Teil seines Grundstücks seiner Tochter vermacht und auf deren Fläche dreht sich jetzt die stattliche Windmühle. Ihr Erlös wird gesplittet: 20 % erhält die Standort­inhaberin und 80 % werden unter den Eigentümern der Flächen des vertraglich gebundenen Regionalplangebietes gerecht aufgeteilt. „So ein Konstrukt ist von Natur aus instabil“, erklärt Max Wendt, „deshalb ist das, was die Blumberger geschafft haben, schon etwas Besonders und kann durchaus als eine Errungenschaft angesehen werden.“

Immer zehn unterschiedlichen Interessen gerecht zu werden, erfordere vor allem Transparenz. Wenn nötig, könnten sie sich aber auch juristischen Beistand ins Boot holen. Die Kosten dafür trägt – dank des Beraters – der Windenergieplaner. „Das hat uns die Unsicherheit genommen“, bestätigt auch die einzige Frau in unserer Runde. „Je mehr Geld im Spiel ist, umso schwerer fallen einem ja die Entscheidungen.“ 

Aktuell sind jetzt acht neue Windräder in Planung. Für vier davon läuft noch das Verfahren für die Änderungsgenehmigung. Im September dieses Jahres erhoffen sie sich dann ein Zuschlag für sie im nächsten Ausschreibungsverfahren. Für die anderen vier Windmühlen soll ebenfalls auch noch 2020 der Ausschreibungszuschlag erfolgen, so hoffen sie. Im kommenden Jahr sollen dann die nächsten Windräder aufgestellt werden. Dabei achten die Blumberger bereits jetzt auf mindestens 1.000 m Abstand zur Wohnbebauung. 

Ausgleichsmaßnahmen stehen im Grundbuch

Der Protest der Anwohner gegen die Windenergie hätte sich bislang in Grenzen gehalten, berichtet Benjamin Zinsler-Ebel. Auch sie würden eine feste Summe regelmäßig als Spende in die Vereinskasse des Ortes zahlen. „Zudem haben wir schon mehrere Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für die rund viereinhalb Hektar versiegelte Fläche vorgenommen.“

Der 32-jährige Landwirt, der zusammen mit seinem Vater für deren Umsetzung sorgt, berichtet von neu angelegten Streuobstwiesen und Extensivierungsmaßnahmen im Randbereich von Gewässern. Zudem sind Heckenpflanzungen und die Anlage von artenreichen Waldrandstreifen geplant. „Jede dieser Maßnahmen wird grundbuchamtlich gesichert bei der Unteren Naturschutzbehörde eingereicht.“

Abschließend gibt der Berater Wendt noch zu bedenken: „Bei einer Windenergieanlage handelt es sich immer auch um ein Mehrgenerationen-Projekt. Dieser Aspekt muss ebenfalls in die Ausgestaltung des Vertrages einfließen.“ Das Blumberger Beispiel zeigt, dass auch das gut gelingen kann.



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