Wird nun das Aus für zwei Drittel der Biogasanlagen eingeläutet? (c) Sabine Rübensaat

Biogas: Droht vielen Anlagen nun der Rückbau?

Biogasanlagen, die zwischen 2004 und 2006 in Betrieb gingen, stehen jetzt unter Zeitdruck: Sie brauchen möglichst schnell einen Zuschlag bei der Biomasse-Ausschreibung, sonst gehen bei ihnen bald die Lichter aus. Aber die Vorzeichen für solchen einen Zuschlag stehen denkbar schlecht.

Von Christoph Feyer

Die erste Biomasseausschreibung 2024 war – alles andere als unerwartet – wieder stark überzeichnet. Am 1. April hatten dafür 788 Biogasanlagenbetreiber Gebote abgegeben, aber nur 263 erhielten einen Zuschlag. Das bedeutet, von 742 MWel. wurden nur knapp 242 MW berücksichtigt, über 500 MW und 525 Anlagenbetreiber gingen leer aus. Von zwei Dritteln der Anlagenbetreiber, die mitgeboten haben, ist damit die Zukunft weiter ungewiss. Jetzt äußerte sich Energieexperte und Rechtsanwalt Dr. Helmut Loibl aus Regensburg dazu: „Das Tragische daran ist, dass die höchsten, gerade noch bezuschlagten Gebote im Süden bei 18,48 Cent pro Kilowattstunde, aber im Norden nur bei 17,8 Cent lagen. Alle Gebote, die höher waren, wurden nicht berücksichtigt.“ Zulässig wären bei Bestandsanlagen bis 19,83 ct/kWh gewesen. Anschließend erklärte er, warum die Betreiber nicht einfach weniger bieten würden, um einen Zuschlag zu erhalten und nennt zwei Gründe:

  1. Ein geringeres Gebot erhöhe zwar die Chancen auf einen Zuschlag, führe aber nicht dazu, dass mehr Leistung oder mehr Anlagen bezuschlagt würden.
  2. Egal, ob die Erschließung von Wärmesenken, eine hochflexible Stromproduktion, die dezentrale Strom- und Wärmeversorgung vor Ort oder andere Dinge, die für den Weiterbetrieb angestrebt werden, all diese Maßnahmen seien mit einem Höchstgebotswert von maximal 17,8  ct/kWh wirtschaftlich schlicht nicht umsetzbar!

Biogasanlagen: Es geht Ums nackte Überleben

Laut Dr. Loibl gehe es den Anlagenbetreibern schon lange nicht mehr um eine „Gewinnmaximierung“, sondern ums nackte Überleben. Nach seinen Erfahrungen liegen die Kosten pro Kilowattstunde Biogasstrom in der Regel zwischen 17 und 18 ct. „Dass eine Biogasanlage mit einem Zuschlag von maximal 17,8 ct/kWh dann wirtschaftlich häufig keine Zukunft mehr hat, liegt da auf der Hand“, so der Jurist.


Deshalb fordert er den Gesetzgeber auf, das Ausschreibungsvolumen für die Biomasseausschreibung massiv zu erhöhen. Die Erfahrungen der letzten Jahre hätten gezeigt, dass gut zwei Drittel der Gebote nicht berücksichtigt wurden. Nur ein Ausschreibungsvolumen von mindestens 1.500 MW pro Kalenderjahr würde die Situation erheblich verbessern. Nur dann könnten viele der Betreiber, die mit zukunftsfähigen Konzepten Gebote abgegeben haben, auch mit den für sie wirtschaftlichen Gebotshöhen einen Zuschlag bekommen.

Fachmann rät: Jetzt schnell handeln

Zwar habe der Gesetzgeber für 2025 die Gebotsmenge der nicht bezuschlagten Biomethanausschreibung teilweise der Biogasausschreibung zugeschlagen, dieses überschaubare Zusatzvolumen reiche laut Dr. Loibl aber nicht ansatzweise aus, um den in den nächsten Jahren auslaufenden Biogasanlagen eine Perspektive zu bieten.

Biogas: Was bei der EEG-Vergütung beachtet werden muss

Der Fachanwalt für Verwaltungsrecht, der auch Lehrbeauftragter für Umwelt- und Energierecht ist, fordert daher ein schnelles Handeln vom Gesetzgeber: „Viele Biogasanlagen laufen Ende 2024 aus ihrer EEG-Vergütung, für sie ist ab 1. Januar 2025 ein wirtschaftlicher Betrieb ausgeschlossen. Zwar kann eine solche Anlage – sofern sie wirtschaftlich überlebt – auch noch 2025 an der Ausschreibung teilnehmen. Eine spätere Teilnahme ist aber ruinös: Jede Bestandsanlage erhält maximal den Durchschnitt der EEG-Vergütung der drei Kalenderjahre vor der Ausschreibung. Nimmt eine 2004er-Anlage also erst 2026 teil, zählt das Jahr 2025 mit null EEG-Vergütung bereits mit. Ein wirtschaftlicher Betrieb ist damit nicht mehr möglich.“

Gesetzgeber muss Entscheidung treffen

Er nahm auch kein Blatt vor den Mund, was passiert, wenn der Gesetzgeber jetzt nicht handelt: „Dann werden in den nächsten Jahren bei vielen Biogasanlagen die Lichter ausgehen“, so der Jurist. In diesen Anlagen werde dann kein grüner Strom mehr produziert und auch die angeschlossenen Wärmenetze blieben kalt. „Der Gesetzgeber muss sich deshalb jetzt entscheiden: Will er tatsächlich zwei Drittel der Biogasbranche, also Tausende von Biogasanlagen, die dem Stand der Technik entsprechen, voll funk­tionsfähig sind und zudem tragfähige Konzepte für die Zukunft entwickelt haben, durch seine Untätigkeit faktisch abschalten?“

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