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Biostimulanzien: Phillip Krainbrings Erfahrungen mit alternativer Saatgutbehandlung

Phillip Krainbring experimentiert als Betriebsleiter auf einem Betrieb in der Magdeburger Börde seit Jahren mit Biostimulanzien. Dank alternativer Saatgutbehandlung wie der Elektronenbeize kann er im Mais bereits fast komplett auf chemische Beize verzichten. Im Interview erzählt er von seinen Erfahrungen und gibt Tipps für Praktiker.

Das Interview führte Erik Pilgermann

Phillip, wann bist du auf die Idee gekommen, Biostimulanzien einzusetzen?
Ich arbeite seit dem Studium mit dem Thema. Schon während des Studiums hab ich ein Praktikum bei einem landwirtschaftlichen Berater gemacht. Da bin ich auf eine Firma aufmerksam geworden, mit der ich heute noch zusammenarbeite. Das war die französische Firma Sobac, die Mikroorganismen einsetzt. Damals hab ich Effekte gesehen, die laut meiner Ausbildung eigentlich nicht möglich sein sollten.

Als ich dann im Sommer 2016 hier auf diesen Betrieb gekommen bin, hab ich mir Gedanken gemacht und festgestellt, dass wir schon vom Start der Pflanze etwas machen sollten, um sie zu stärken. Ich hab relativ simpel begonnen, mit einem Betonmischer Präparate mit Mikroorganismen ans Korn zu beizen. Und dann beschäftigst du dich immer weiter mit dem Thema und lernst Leute kennen und so entwickelt es sich dann.


INFORMATIVES WHITEPAPER zum Thema Biostimulanzien


Für den Betrieb hier war das Thema Biostimulanzien aber komplett neu? Du hast es quasi mitgebracht, als du hier Betriebsleiter geworden bist?
Genau so war das.

Musstest du viel Überzeugungsarbeit leisten?
Nicht unnötig viel. Etwas Skepsis war wohl da, aber meine Chefin hat gesagt, „Leg Versuche an, und dann gucken wir uns das an.“

Hast Du mit Deinen Versuchen zu den Biostimulanzien eher klein angefangen oder ging es gleich in die Vollen?
Ich durfte damals gleich mit gut zwanzig Hektar in die Versuche einsteigen. Das war insofern sinnvoll, weil ich dadurch mehr als nur einen Streifen hatte, um die Wirkungen beurteilen zu können.

Dass die Mikroorganismen funktionieren, wusste ich bereits. Das musste ich hier nur präsentieren. Im nächsten Schritt hab ich mit Versuchen zur Saatgutbehandlung angefangen, auch jeweils mit Zehn-Hektar-Varianten.

Wir trafen Phillip und die SeedForward zum Praxis-Check: Pflanzen, die mit alternativer Saatgutbehandlung behandelt wurden und die Kontrollgruppe im Vergleich. (c) SeedForward

Mit welcher Kultur hast du angefangen?
Das war Weizen. Dort hab ich zuerst Mikroorganismen eingesetzt. Dann kamen unterschiedliche Varianten der Saatgutbehandlung hinzu. Angefangen hab ich mit Panoramix von Koppert, dass ich einfach auf chemisch gebeiztes Saatgut aufgebracht hab.

Ich kam aber zu dem Schluss, dass das noch nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann. Ich wollte, dass das Saatgut vor dem Beizen mit Biostimulanzien physikalisch behandelt wird. Das war der Moment, wo die Elektronenbeize ins Spiel kam. Die Kombination aus physikalischer und alternativer Saatgutbehandlung fand ich superspannend. In Skandinavien wird zum Beispiel auch viel mit Wasserdampf gearbeitet.

Die Kombination soll die Lücken der Elektronenbeizung schließen?
Ganz genau. Die Brände werden nämlich von dieser Beizmethode nicht erfasst. Zusätzlich soll durch die Biostimulanzien auch ein besseres Milieu für das Saatkorn geschaffen werden. Die Phytopathogene sollen kräftig Konkurrenz bekommen an der Startlinie in die Vegetation. Die Guten verdrängen die Schlechten. Da es damals deutlich einfacher war elektronengebeiztes Maissaatgut zu bekommen, hab ich mit der Kombination tatsächlich im Mais angefangen.

Auch meine Beiztechnik habe ich weiterentwickelt. Statt des Betonmischers nehme ich heute Ikea-Tüten, aber unbedingt die mit Reißverschluss. So lässt sich eine Einheit Saatgut super mit einem alternativen Produkt behandeln.

Gibt es denn Produkte im Bereich Biostimulanzien, die sich aus deiner Sicht überhaupt nicht bewährt haben? Hast du da schon einmal was von deiner Liste gestrichen?
Nein, das nicht. Wenn es überhaupt ein Problem gibt, dann ist es der Punkt, überhaupt die gewünschte Ware zu bekommen. Elektronenbehandeltes Getreidesaatgut zu bekommen, war zum Beispiel so gut wie unmöglich, als ich damit angefangen hab. Da spreche ich noch nicht mal von der Wunschsorte. Das war immer die größte Herausforderung. Von den Produkten selbst kann ich keines benennen, was überhaupt nicht funktioniert hat. Die Frage heißt immer, welche Saatware bekomme ich in welchem Zustand.


Biostimulanzien, Phillip
Phillip Krainbring blickt auf den Acker und in den Boden. (c) Erik Pilgermann

Phillips Tipps für den Einstieg

  1. Die Größe des Betriebes ist egal. Jeder kann anfangen mit dem Ausprobieren.
  2. Man sollte sich zwei homogene Flächen raussuchen, die man bewusst teilen und eigene Versuche anlegen kann. Die eigenen Erfahrungen sind immer noch die besten.
  3. Man sollte sich Kulturen suchen, wo man selbst die Hand drauf hat. Kulturen, die mit hohem Anteil von Lohnarbeit angebaut werden, eignen sich aus meiner Erfahrung eher schlecht, da die Fehlerquellen zu vielfältig sind. Da, wo du selbst säst und erntest, sollten auch Deine Versuche liegen.
  4. Wenn man was startet, sollte man sich intensiv mit dem Produkt und der Firma dahinter auseinandersetzen und ruhig auch das machen, was die sagen. Gerade zum Anfang sollte man deren Empfehlungen eins zu eins umsetzen und sich darauf verlassen.
  5. Egal, was man macht, sollte man das drei, vier Jahre durchziehen, um in unterschiedlichen Jahren unterschiedliche Effekte sehen zu können. Ein Jahr ist kein Jahr.

Hast du inzwischen Stammvarianten für Mais und Weizen entwickelt oder probierst du weiter aus?
Ich hab den Punkt erreicht, wo ich einen Strich ziehen muss, um nicht in meinen Versuchen unterzugehen. Im Mais bin ich aber soweit zu sagen, dass ich nahezu komplett von der chemischen Beize weg bin. Einzig Versuchssaatgut oder das einer neuen Sorte kommt noch chemisch gebeizt in den Boden. Das aber nur, weil es in kleinen Partien anders nicht zu haben ist.
Ansonsten bin ich bei der Variante elektronenbehandeltes Saatgut plus Maisguard von SeedForward oder Smartseed M von der HG-Nord. Immer im Spiel sind Biostimulanzien und Mehrnährstoffkombinationen. Genauere Angaben sind von den Herstellern nur schwierig zu bekommen.

Beim Weizen hab ich mich nach und nach gesteigert. Da hab ich auch noch viel ausprobiert, weil ich sehen wollte, wie die Effekte sind. Also chemisch gebeizt neben elektronengebeizt neben elektronengebeizt plus alternativer Saatgutbehandlung. Inzwischen bin ich hier auch bei vierzig bis fünfzig Prozent der Weizenfläche, die mit elektronengebeiztem Saatgut plus alternativer Saatgutbehandlung bestellt werden.

Wie willst du zukünftig verfahren? Soll es eher in Richtung hundert Prozent der Weizenfläche gehen oder soll es weiterhin Vergleichsflächen geben, um den Effekt der Biostimulanzien deutlich zu machen?
Diese Saison warten wir noch ab. Fest steht aber, dass der Anteil stetig weiterwachsen wird. Aber auch ein paar Versuche wird es immer geben müssen. Insgesamt bin ich aber an dem Punkt, dass ich überzeugt bin, dass die chemische Beize ersetzbar ist. Vor allem wenn man schaut, was gerade an Biostimulanzien und alternativen Saatgutbehandlungsprodukten alles neu auf den Markt kommt. Da kann es gut sein, dass ich auch noch mal ein neues Produkt mit in meine Palette aufnehme.

Fragen sehe ich noch beim Stoppelweizen. Ob es hier gänzlich ohne chemische Beize geht, muss man sehen. Da müssen Züchter und Hersteller der Alternativen an einen Tisch. Ich werde meine Versuche in der Art reduzieren, dass ich das alternativ behandelte Saatgut auf die Flächen packe, die ich auch mit Mikroorganismen behandelt habe. Ich will sehen, ob es da signifikante Synergieeffekte gibt. Ich will Varianten, die für mich funktionieren, miteinander kombinieren.

Was können Biostimulanzien aus deiner Sicht leisten? Sind sie eher Ergänzung oder echter Ersatz chemischer Varianten?
Im Mais ist es nach meinen Erfahrungen der letzten Jahre ein Ersatz. Für mich hat es keinen Sinn, diese Präparate auf eine chemische Variante draufzusetzen. Etwas anders sieht es mit den Mikroorganismen von Sobac aus, die ich ausstreue. Das sehe ich eher als Ergänzung zum konventionellen System. Je nach Präparat und je nach Produkt kann es Ergänzung oder echter Ersatz sein.

Hast du auch Grenzen für den Einsatz von Biostimulanzien ausgemacht?
So eine Grenze habe ich bisher noch nicht erkennen können. Wir hatten natürlich in den letzten Jahren meist auch einen sehr geringen Krankheitsdruck durch die Trockenheit. Hier wurde aber deutlich, dass die alternativen Produkte stark geholfen haben, den Trockenstress der Pflanzen zu reduzieren.

Ich sage mir immer, dass ich mir keine Grenze setze, sondern es lieber situativ entscheide. Nichts ersetzt den Gang über den Acker und durch den Bestand und meine Überlegungen, welches der nächste Schritt ist. Mit Sicherheit haben Biostimulanzien ihre Grenzen, aber auch eine chemische Beize hat diese Grenzen. Worin ich mir sicher bin, ist, dass mit alternativen Methoden der Saatgutbehandlung und mit Biostimulanzien die Flexibilität größer ist.

Ich glaube, wir sind insgesamt mit unserem bisherigen System der Produktion an eine Grenze geraten. Seit Jahren stagnieren die Erträge oder gehen sogar zurück. Wir haben Akzeptanzprobleme in der Bevölkerung. Die Wirksamkeit von Wirkstoffen lässt nach. Wir haben außerdem immer weniger Wirkstoffe. Wir sind sozusagen getrieben von Politik und Gesellschaft, aber auch von natürlichen Abläufen, uns weiterzuentwickeln. Da müssen wir hin. Am besten kommen wahrscheinlich die voran, die Lust auf Veränderung und Spaß an neuen Herangehensweisen haben.

Mein Antrieb ist, dass ich endlich der Politik mindestens einen Schritt voraus sein möchte. Wenn sie mir etwas verbieten wollen, will ich schon an dem Punkt sein, dass es mir egal sein kann. Vor allem aber will ich was gegen die Trockenheit und die „Langeweile“ des Bodenlebens tun. Aus bestimmten Fruchtfolgen kommen wir nämlich so einfach nicht raus. Und genau da sehe ich das große Plus von Biostimulanzien.