Feldtag in Zempow

Nutzhanf: Berauschende Aussichten?

Jan Paki, Christian Richter, und Andreas Bergmann vom Landschaftspflegeverband mit Gastgeber Schäkel (Mitte, rechts) im Hanf. Fotos (c) Sabine Rübensaat
Ackerbau
Artikel teilen

Der Anbau von Nutzhanf wird attraktiver, braucht aber in Deutschland Rechtssicherheit und faire Bedingungen. Auf dem Feldtag Hanf in Zempow ging es nicht nur ums richtige Ackern.

Von Heike Mildner

Wer hierzulande Hanf anbaut, gehört auch knapp 25 Jahre nach Legalisierung des Nutzhanfanbaus in Deutschland im Februar 1996 zu einer überschaubaren Familie gleichgesinnter Haupterwerbslandwirte. In Deutschland wächst Nutzhanf streng reglementiert auf 3.114 ha (2018), das sind 0,002 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche Deutschlands (2018). Prignitz-Ruppiner Land und Müritzregion sind mit 800 ha und zwölf Anbauern dabei. Einer von ihnen ist Dr. Wilhelm Schäkel, auf dessen Bioranch in Zempow am 19. Juni der Feldtag Hanf stattfand.

Marijn Roersch van der Hoogte referiert zum Nutzhanfmarkt.

Organisiert hatte ihn der Landschaftspflegeverband Prignitz- Ruppiner Land (LPV), der sich seit zwei Jahren um Förderung und Vernetzung des Hanfanbaus in der Region bemüht und gerade dabei ist, ein Kompetenznetzwerk Hanf aufzubauen. Zum Zempower Feldtag begrüßte LPV-Vorsitzender Andreas Bergmann rund 30 Interessierte – unter ihnen die Bundestagsabgeordnete Dr. Kirsten Tackmann (Die Linke).

Handlungsspielräume

Dass die Politik auf dem Feldtag vertreten ist, kommt nicht von ungefähr. Denn deutlich wurde in Vorträgen und Gesprächen in Zempow vor allem eines: Das Interesse am Hanf steigt, der Weltmarkt ist in Bewegung, und ob Landwirte in Deutschland an der Entwicklung teilhaben können, liegt vor allem an politischen Entscheidungen. Diese müssen einerseits für Rechtssicherheit sorgen und sollten andererseits dem deutschen Landwirt einen ähnlichen Handlungsspielraum zugestehen wie seinen Kollegen in Europa und Übersee, ist man sich in Zempow einig.

https://www.facebook.com/bauernzeitungonline/videos/2719633944936314
Video (c) Heike Mildner

Es geht dabei nicht um die Legalisierung von Hanf als psychoaktive Droge, sondern um die Grenze des tolerierten Anteils von Tetrahydrocannabinol (THC) in Hanferzeugnissen aus Nutzhanf wie Tee, Hanföl oder Hanfsamen. In Deutschland liegt dieser Wert derzeit bei 0,2 %, in Kanada bei 0,3 %, in Italien bei 0,5 % und in der Schweiz bei 1,0 %. Wird in o. g. Hanfprodukten ein zu hoher Wert gemessen, kann es Ärger wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz geben.

Boom dank Cannabidiol

Seinen Ausführungen zufolge lag der Hanfanbau in Europa mit 50.081 ha im Jahr 2018 immerhin 70 % über dem vorangegangenen Fünfjahresdurchschnitt (2012 bis 2017) und stieg auch 2019 weiter an. Grund für den Boom: Die weiblichen Blüten des Nutzhanfs enthalten Cannabidiol (CBD). Dieser Schwesterwirkstoff des THC ist nicht psychoaktiv und fällt daher nicht unter das Betäubungsmittelgesetz. Seit 2017 dürfen Ärzte CBD- und auch THC haltige Mittel verschreiben. Die positiven Eigenschaften, die dem CBD von seinen Befürwortern zugesprochen werden, sind enorm, wenn auch wissenschaftlich noch nicht hinreichend belegt.

Dennoch wurden CBD-haltige Lebensmittel der Renner unter den Lifestileprodukten. Zwar dürfen Produzenten nicht mit gesundheitsfördernden Eigenschaften werben, aber so etwas spricht sich herum. Gesundheitsbewusste Zeitgenossen wissen zudem um das optimale Verhältnis ungesättigter Fettsäuren im Hanföl, das aus den Hanfsamen gewonnen wird. Selbst im Presskuchen, der zu Hanfmehl oder Tierfutter verarbeitet wird, steckt noch viel Gutes. CBD kann aus Nutzhanf mit geringem THC-Anteil gewonnen werden. Mit dem CBD-Boom stand nicht mehr so sehr die Hanffaser, als viel mehr die Blüte im Fokus von Anbau und Ernte.

Gepflügt oder pfluglos, gehackt und gestriegelt – Dr. Wilhelm Schäkel (l.) erläutert die Unterschiede.

In den USA sei der Nutzhanfanbau vor zwei Jahren legalisiert worden, der Anbau in China wachse enorm, referiert Roersch van der Hoogte. Auch in Europa habe die Anbaufläche von Nutzhanf zugelegt: 2018 bauten neben Frankreich, dem Mutterland des Nutzhanfs in Europa mit 17.000 ha, Estland (3.800 ha), Italien (4.000 ha), Rumänien (3.400 ha) die Niederlande (3.800 ha) und Deutschland besonders viel Nutzhanf an. Mittlerweile sei der Markt für CBD-Produkte gesättigt, so Roersch van der Hoogte, dennoch habe Nutzhanf riesiges Potenzial.

Nutzhanf: Vorteilhafte CO2-Bilanz

Hanfwurzeln lockern den Boden. Die Pflanze hat eine vorteilhafte, also negative CO2-Bilanz.

Schon jetzt nutzen Autohersteller Hanffasern wegen der vorteilhaften CO2-Bilanz als Dämmmaterial beispielsweise in Autotüren. Derzeit würden 30 % Hanffasern mit Polyethylen gemischt, sagt der Hanfexperte, das sei noch nicht das Ziel, aber biobasierte Polymere seien schon mal ein guter Anfang. Im Zuge der CO2-Steuer könne das negative CO2-Potenzial des Hanf an Bedeutung gewinnen.

Wenn nicht mehr nur die Energie- sondern auch die Rohstoff- wende ernsthaft in Angriff genommen werde, sei Hanf eine wohnbiologisch attraktive Alternative: Wandaufbau, Dämmung, Putzen – dies alles sei mit Hanf möglich, auch ohne Zusatz von Polymeren. Bei Dämmung mit Hanf könne man sogar auf die Dampfsperre auf Folienbasis verzichten, Handwerker, die mit Hanfbaustoffen arbeiten, seien begeistert, schwärmt Roersch van der Hoogte. Und LPV-Vorsitzender Andreas Bergmann kündigt für den 15. November ein Hanfbauseminar an.

Zudem: Alle paar Wochen komme ein Land hinzu, das Einwegplastik verbietet. Fünf Tage nach dem Feldtag wird die Aussage des Referenten durch den Kabinettsbeschluss zur Umsetzung des EU- Plastikverbots (ab Juli 2021) in Deutschland bestätigt. Es gebe Alternativen aus Nutzhanffasern, preislich können sie aber mit erdölbasierten Kunststoffen nicht mithalten. Ein riesiger Markt tue sich auf, wenn die Konkurrenz verboten werde, sagt Roersch van der Hoogte. Ähnliches gelte für Textilien und Papiere aus Hanf.

Wächst der Markt, haben steigende Anbauzahlen wiederum Einfluss auf die Verfügbarkeit von Maschinen. Seit in den USA Nutzhanfanbau legal ist, sind Anbauer auch hierzulande nicht mehr auf Uralttechnik oder eigene Tüfteleien angewiesen. New Holland habe den Prototyp einer Vollerntemaschine vorgestellt, John Deere angefragt, ob sie mit der neuen Presse den Hanf pressen dürfen, um zu zeigen, dass die Presse alles kann, plaudert Roersch van der Hoogte aus dem Nähkästchen und resümiert: Der Hanf kommt langsam in der Landwirtschaft an.

Anbau von Nutzhanf: AM besten klein Anfangen

Einsteigern in den Nutzhanfanbau empfiehlt er, sich erstmal auf ein, zwei Hektar mit der Materie anzufreunden. Die Ernte der Blüten schaffe man so zur Not mit Freunden aus dem Dorf. Für die Ernte der mitunter über 3 m hohen Pflanzen brauche man die richtige Technik und Erfahrung, Seit zwei Jahren sei in Deutschland auch der Anbau von Winterhanf möglich: interessant für Hanf als Zwischenfrucht.

Bleibt die Frage: Wohin mit dem Hanfstroh? Die Aufnahme der Hanffabrik in der Uckermark, 1996 von Rainer Nowotny gegründet und seit 2013 von der Hanf-Genossenschaft übernommen, ist begrenzt. Roersch van der Hoogte rät, gehäckseltes Hanfstroh an Rinder zu verfüttern. Die können es zwar nicht verwerten, das Hanfstroh wirke aber als Magenstimulator. Und natürlich sei es möglich, das Stroh unterzupflügen, wenn die Samen geerntet sind.

Vielseitige Rohstoffe aus Hanf

Fasern, Samen und Blätter – die Hanfpflanze ist fast vollständig verwertbar.

Gastgeber Dr. Wilhelm Schäkel baut Hanf vor allem im Vertragsanbau an und vertreibt Tees, Samen und Hanföl zudem unter der Hausmarke „Bioranch Zempow“ im Hofladen. Es geht also vor allem um die Ernte von Blüten und Samen. Die Frage, was mit dem Hanfstroh geschehen soll, hat Schäkel auf eigene Weise beantwortet: Er verkauft es an Selbstabholer als naturbelassenen Dämmstoff, der weitaus größere Teil kommt in ganzer Länge zusammen mit Hackschnitzeln aus dem hofeigenen Kiefernwald als Einstreu in den Bullenstall. Heraus kommt ein schwarzer Kompost. Der Kreislauf ist geschlossen.

Als zweiter Referent des Feldtages berichtet Heinrich Wieker, Elektroingenieur und Erfinder aus Burgdorf bei Hannover, über die Entwicklung eines Frontladeranbaugeräts zur Ernte von Hanfblüten und -stängeln. Ein spannender Prozess, der jüngst mit dem Gewinn des „EIHA Hemp Product of the Year 2020“ gekrönt wurde. EIHA ist die European Industrial Hemp Association, die Europäische Industriehanfvereinigung. „Henry‘s Hemp Harvester“ (HHH) streift in einem Arbeitsgang die Blüten der Pflanze sanft ab und schneidet die Hanfstängel, die auf dem Feld zum sogenannten Rösten liegenbleiben. Der HHH geht gerade in die Serienfertigung, die Nachfrage ist international. Goldgräberstimmung, Aufbruch, Zukunft – Nutzhanf kann das, wenn man ihn lässt.