Luftbild vom Acker. (c) Agrar GmbH Pfiffelbach

Extrembefall mit Feldmäusen

In Mitteldeutschland richten in dieser Saison Schadnager wieder großflächig Schäden an. Chemische Bekämpfungshilfen stehen Landwirten im Grunde keine zur Verfügung.

Von Frank Hartmann

Schlechte Nachrichten für die von massivem Befall mit Feldmäusen geplagten Landwirte in Mitteldeutschland: In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ist von einem weiteren Anstieg der Nagerpopulation auszugehen. „Mit einem natürlichen Rückgang vor dem Ende der Reproduktionsperiode im Herbst ist in diesen Bundesländern nicht zu rechnen“, sagte Dr. Jens Jacob vom Julius- Kühn-Institut (JKI) der Bauernzeitung. Laut dem Feldmausexperten könnte es auch im Westen der Republik gegen Ende des Jahres zum Anwachsen der dort momentan bereits vorhandenen Grundpopulation kommen.

Feldmäuse mit Hohen Vermehrungsraten

Jacob zufolge sind in Norddeutschland die vorjährigen, extrem hohen Feldmausdichten weitgehend zusammengebrochen. „Im Gegensatz dazu stiegen die Populationsgrößen in Mittel- und Ostdeutschland im Frühjahr und Frühsommer 2020 sehr stark an, sodass dort nun große Gebiete von Massenbefall betroffen sind.“ In Sachsen, so berichtet das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG), war die Situation bis Ende März eher entspannt. Nur in mehrjährigen Feldfutterkulturen, in Gräservermehrungen und im Grünland wurde örtlich starker Befall festgestellt.

Nester der Feldmaus auf einem Acker in Pfiffelbach. (c) Agrar GmbH Pfiffelbach

In Sachsen-Anhalt entwickelte sich bereits im Verlaufe des Vegetationsjahres 2019 eine stärkere Feldmauspopulation. Schäden in einjährigen Kulturen wie Wintergetreide und Winterraps blieben hier noch aus. Nachdem im Winterhalbjahr keine Dezimierung eintrat, stieg die Aktivität auf dem Kulturland bis Ende Mai allmählich an. „Anfang Juni setzte die Gradation regional ein und der Befall nimmt hier nun rasant zu. Nach unseren Erfahrungen ist in den nächsten Wochen, gegebenenfalls bis in den Herbst hinein, mit hohen Vermehrungsraten zu rechnen“, erklärte Christian Wolff von der Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau Sachsen-Anhalt (LLG), der in der JKI- Ländergruppe zur Feldmausproblematik mitarbeitet.

Massive Schäden würden derzeit vor allem im Süden des Landes, etwa im Burgenlandkreis, Mansfeld-Südharz und Saalekreis, auftreten. Auch auf Schlägen im westlichen Teil des Bördekreises und in Anhalt-Bitterfeld seien bereits deutliche Ertragsverluste zu verzeichnen. Auf Einzelschlägen im Burgenlandkreis fehlten binnen kürzester Zeit mehr als 80 % der Halme. In Sommergetreide, Erbsen und Zuckerrüben sowie im Raps würden die Mäuse ihre Spuren hinterlassen. „Eine vorsichtige Schätzung Anfang Juli ergab, dass auf etwa 50.000 Hektar starker bis sehr starker Befall vorliegt“, so Wolff. Erwartet werde, dass die Schäden bis zur Ernte noch deutlich steigen.

Feldmäuse: Befall Bis zum Totalschaden

Auch in Thüringen, wo im Spätherbst 2019 schon erste Schäden im Raps hingenommen werden mussten, nahm der Befall ab März zu. Zumal in vielen Regionen das Ausbringen von Rodentiziden nicht mehr möglich war, wie Katrin Weidemann vom Thüringer Landesamt für Landwirtschaft und Ländlichen Raum (TLLLR) schilderte. Seit Ende Mai würden „die Befallsstellen in den Schlägen immer größer. In der Folge ist eine deutliche Ausdünnung der Bestände bis hin zu Totalschaden von einzelnen Flächenbereichen festzustellen.“ Der Starkbefall von Ackerflächen verläuft in Thüringen in einem Streifen nördlich der Autobahn A4 in den Landkreisen Altenburger Land, Saale-Holzland, Greiz, Saale-Orla, Weimarer Land, Sömmerda, Kyffhäuser, Gotha sowie Unstrut-Hainich, Nordhausen und Eichsfeld. 40 % der Ackerfutterflächen, 15 bis 20 % der Wintergetreideschläge und 12 bis 15 % der Winterrapssaaten seien stark betroffen.

Dr. Lars Fliege, Geschäftsführer der Agrargesellschaft Pfiffelbach mbH im Kreis Weimarer Land, sieht sich an das Extremjahr 2012 erinnert, „nur mit dem Unterschied, dass wir jetzt noch weniger dagegen tun können“. So wurde etwa eine betroffene Ackergrasfläche bereits nach zwei Schnitten, und damit viel zu früh, trotz Trockenheit gegrubbert und gepflügt, um die Fläche „schwarz zu machen“. Denn hier soll Winterraps gedrillt werden. „Wenn wir die Mäuse nicht vertreiben können, sind die 50 Rapskörner pro Quadratmeter nichts als Mäusefutter.“


Aus unserem Archiv

In den vergangenen Jahren war die Feldmaus immer wieder Thema in der Bauernzeitung. Eine Auswahl an Kommentaren, Fachartikeln und Reportagen dazu, finden Sie hier zum kostenfreien Download.

2012 – Brennpunkt zum Feldmausbefall in Ostdeutschland


2016 – Reportage zum „Wumaki“

Wichtiger Hinweis: Der Einsatz sogenannter Wühlmauspflüge zum verdeckten Ausbringen von Giftködern ist derzeit generell nicht mehr zulässig. Etwa 20 dieser Geräte waren in Ostdeutschland bis zum Verbot im Einsatz.


2019 – Feldmausbefall über’s Jahr im Blick


Extrem geschädigter Rapsschlag des TLPVG Buttelstedt Herbst 2019. (c) Frank Hartmann

Sein Sachsen-Anhalter Kollege Dr. Björn Küstermann, Geschäftsführer der Landgut Krosigk GmbH, spricht ebenso von einer schlimmen Situation. „Im Getreide finden sich große Kahlstellen, auf denen die Mäuse die Halme gefällt haben.“ Der Betrieb im Saalekreis hat daher die Bodenbearbeitung intensiviert. Stark befallene Schläge werden nach dem Drusch tief gegrubbert, die Feldränder zu den Refugien der Nager sogar zweimal.

Der Ackerhygiene gilt besonderes Augenmerk. „Wir brauchen vor allem für die Hotspots aber auch die Möglichkeit der Bekämpfung mit Zinkphosphid-Präparaten mittels Legeflinte. Sonst wird es eine Katastrophe in den Neusaaten.“ Wie Fliege hält Küstermann eine zeitlich befristete Ausnahmegenehmigung für nötig: „Aber jetzt und nicht irgendwann im Herbst. Dann ist es zu spät.“

Generell seien tiefgründiges Grubbern und die Anwendung von Rodentiziden wichtige und effektive Bausteine beim Management von Feldmauspopulationen, sagt JKI-Experte Jacob. Auch das Kurzhalten der Vegetation am Ackerrand und „Feldhygiene“ wie etwa das zügige Entfernen von Stoppeln und Stroh könnten dazu beitragen, das Populationswachstum zu bremsen.

GEGEN FELDMÄUSE: GREIFVÖGEL ZU SCHWACH

Dass Fressfeinde Nagerpopulationen regulieren oder durch die Wirkung von Fressfeinden Schäden an Kulturpflanzen hinreichend verhindert werden, sei hingegen nicht belegt, stellt Jacob klar. Fallen und physische Hindernisse wie Zäune und Gräben seien nur für kleinräumige Kulturen im Obst- oder Gemüsebau denkbar, aber für den Ackerbau nicht praktikabel. Jacob weist darauf hin, dass die tiefgründige Bodenbearbeitung und Schwarzbrache im Widerspruch zu Bestrebungen stünden, Bodenerosion zu mindern und die Biodiversität in Agro-Ökosystemen zu fördern.

PSM-Zäsur 2012
Eine Zäsur erlebten Landwirte bei der Feldmausbekämpfung im Extremjahr 2012. Da stand ihnen erstmals kein Pflanzenschutzmittel mehr zur oberflächlichen Streuanwendung zur Verfügung. Im März 2007 hatten chlorphacinonhaltige Pflanzenschutzmittel ihre Zulassung verloren. Seither haben sich die Auflagen stetig verschärft. Aktuell darf nicht einmal mehr der „Mäusepflug“ zum geschützten Ausbringen von Ködern eingesetzt werden.

Eine Übersicht der aktuell noch zugelassenen Rodentizide/Auflagen gibt es hier.

Pflügen gegen die Feldmaus. Ob das nachhaltig ist, wird sich nach der Aussaat zeigen. (c) Agrar GmbH Pfiffelbach

LLG-Pflanzenschutzfachmann Wolff mahnt, auf betroffenen Flächen das Stroh unverzüglich zu bergen und rasch für den Stoppelumbruch zu sorgen. Eine tiefgründige, möglichst mehrmalige Bovdenbearbeitung störe die Populationen empfindlich. „Dabei bringt tiefes Grubbern ähnliche Effekte wie der Pflug.“ Eine tiefe Pflugfurche am Schlagrand wirke als Barriere und dämme die Einwanderung der Mäuse aus den Refugien deutlich ein. Sollten die auflaufenden Winterungen erneut besiedelt werden, „ist der Einsatz der verfügbaren Rodentizide mit der Legeflinte sehr wirksam. Problematisch ist hier, dass deren Anwendung in weiten Teilen Sachsen- Anhalts infolge neuer Anwendungsbestimmungen zum Schutz des Naturhaushalts großräumig beziehungsweise über lange Zeiträume nicht zulässig ist“. Denn die Präparate dürften in den meisten Gebieten erst ab dem 1. November eingesetzt werden. „Für Winterraps und früh bestelltes Wintergetreide ist es dann unter Umständen zu spät.“

Verzicht auf Wintersaat

TLLLR-Fachfrau Katrin Weidemann sieht die intensive Bodenbearbeitung problematisch, weil viele Befallsregionen in Thüringen ein großes Niederschlagsdefizit aufweisen. Unabhängig davon gebe es vor Winterraps und Wintergerste nur ein kleines, kaum zu realisierendes Zeitfenster. Empfohlen wird weiterhin das Aufstellen von Sitzstangen für Greifvögel als Teil des Feldmausmanagements „zur Bekämpfungsunterstützung“. Falls keine chemische Bekämpfung bei extremem Feldmausbefall möglich ist, bleibe als letztes Mittel „der Verzicht auf den Anbau von Wintersaaten“.