Kontrovers diskutierten die Teilnehmenden im agrarpolitischem Forum auf der agra 2024 - mit dabei Lorenz Eskildsen. © Sabine Rübensaat

Kontroverse Diskussion: Wer bezahlt die Zukunft der Landwirtschaft?

Nicht nur Aussteller präsentieren sich auf der agra 2024 in Leipzig, sondern es gibt auch viele Foren und Diskussionsveranstaltungen. Im Agrarpolitischen Forum wurde über die Zukunft der Landwirtschaft kontrovers diskutiert.

Von Claudia Duda

Moderne Technik und innovative, nachhaltige Produkte – so präsentiert sich die Landwirtschaft aus Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt auf der agra in Leipzig. Doch auf dem Agrarpolitischen Forum am Donnerstag (11.4.) wurde deutlich, was vielen Landwirtinnen und Landwirten Sorgen bereitet. Steigende Preise, hohe Energiekosten und unsichere Erträge lassen viele Bauern unsicher in die Zukunft blicken.

Diskussion: Tierhaltung wandert ins Ausland ab

„Ich habe Sorge, dass wir im internationalen Wettbewerb nicht mehr bestehen“, erklärte Lorenz Eskildsen. Der Landwirt aus Sachsen hat im vergangenen Jahr den Ceres Award als bester Geflügelhalter Deutschlands gewonnen. Er befürchtet, dass die Tierhaltung ins Ausland abwandert, weil die Wettbewerbsbedingungen in Deutschland nicht mehr gegeben sind. Sein Wunsch an die Politik: dass von politischer Seite auch das umgesetzt wird, was versprochen wird.

Die Vorgaben der EU und die Kriterien der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) standen im Fokus der Diskussion. „Die Bedeutung der gemeinsamen Agrarpolitik steigt, auch weil unklar ist, wie sich die Preise auf dem Weltmarkt weiterentwickeln“, sagte Stefan Meitinger vom Deutschen Bauernverband. Der Referent für europäische und internationale Agrarpolitik unterstrich, dass damit die Abhängigkeit die Abhängigkeit von der EU wachse.

Diskussion: Bürokratie darf nicht wachsen

Volker Rost vom Landwirtschaftsministerium Sachsen-Anhalt betonte allerdings: „Wir dürfen die Bürokratie nicht noch weiter ausdehnen! Das haben die Bauernproteste auch gezeigt. Wir müssen zusehen, dass es insbesondere auf europäischer Ebene vergleichbare Kriterien gibt, aber die Überprüfung mit weniger bürokratischem Aufwand erfolgt.“

Stefan Meitinger auf der agra 2024
Zu Gast beim agrarpolitischen Forum: Volker Rost (v.l.), Stefan Meitinger, Lorenz Eskildsen, Wolfram Günther, Wiebke Merbeth und Torsten Krawczyk. © Sabine Rübensaat

Auch Sachsens Landwirtschaftsminister Wolfram Günther (Grüne) machte deutlich, dass die Politik sich durchaus bewusst sei, dass  die Landwirtschaft sich dem Wettbewerb auf den globalen Märkten stellen muss:  „Wir produzieren hier zu sehr hohen Standards,  deshalb kann man hier Produkte mit gutem Gewissen kaufen“, sagte der Minister. Aber es müsse auch überprüfbar sein, wie die Bestimmungen eingehalten werden. Das sei ein Dilemma.

Krawczyk: Branche immer mehr in der Abhängigkeit

Der Präsident des Sächsischen Bauernverbandes, Torsten Krawczyk hielt dagegen: „Die Standards dürfen nicht noch mehr überhöht werden“, sagte er. Die Branche würde immer mehr in die Abhängigkeit geführt. „Dabei haben wir nicht den Wunsch nach einem starken Vater Staat – im Gegenteil – wir wollen so wenig Staat, wie möglich“,  betonte Krawczyk nachdrücklich.

Kontroverse Diskussion um Nachhaltigkeit

Kontrovers wurde die Diskussion vor allem, als Wiebke Merbeth forderte, dass die Landwirtschaft sich selbst mehr nachhaltige Ziele setzen solle. Merbeth ist Partnerin bei Deloitte – einer Strategieberatung. Sie berät die Bundesregierung in Fragen des Sustainable Finance – der nachhaltigen Finanzierung.

Die einzige Frau in der Diskussionsrunde forderte von den Landwirtinnen und Landwirten Veränderungsbereitschaft und Akzeptanz. „Wir sind global an einem Kipp-Punkt“, sagte Merbeth. „Ist das ein sächsisches Thema? Nicht direkt – aber wir leben auf Kosten anderer“, erklärte sie nachdrücklich. Die Digitalisierung sei eine große Chance, um die Regeln, derer es dringend bedürfe, auch zu kontrollieren. Landesbauernpräsident Torsten Krawczyk entgegnete: „Wir dürfen nicht alle erziehen und belehren wollen!“

Emotionale Wortmeldung des LsV Sachsen

Ein Vertreter von Land schafft Verbindung spricht beim agrarpolitischen Forum auf der agra 2024
Marco Birnstengel (Land schafft Verbindung) übergibt auf der agra 2024 eine Resolution. © Sandra Marquardt

Emotional wurde die Diskussion auch, als sich Marco Birnstengel aus dem Publikum zu Wort meldete. Der Landwirt engagiert sich bei Land schafft Verbindung (LsV) Sachsen. „Es gibt nur einen Dummen im System: der Landwirt!“, rief er. „Wir haben einen Güterzug voll Auflagen.“ Er kritisierte die „Blümchen-Suche-Apps für Erwachsene“ mit denen die Landwirte „den ganzen Tag Nachweisführung betreiben“. Birnstengel sprach von ruinösen Marktverhältnissen. „Es macht keinen Spaß mehr!“, erklärte er und forderte alle auf, sie der Resolution des LsV anzuschließen.

Landesredakteur der Bauernzeitung für Sachsen Karsten Bär moderiert das agrarpolitische Forum auf der agra in Leipzig
Landesredakteur der Bauernzeitung für Sachsen Karsten Bär moderiert das agrarpolitische Forum auf der agra in Leipzig. © Sabine Rübensaat

„Und wer bezahlt nun die Zukunft der Landwirtschaft?“, fragte abschließend Moderator Karsten Bär von der Bauernzeitung. „Wir alle – an der Lebensmitteltheke“, antwortete spontan Volker Rost. „Wir müssen Maß halten und uns weiterentwickeln, um Geld zu verdienen. Torsten Krawczyk erklärte, zuerst müsse es erwirtschaftet werden, bevor es bezahlt werden könne. „Wir müssen an die nächste Generation glauben – nicht an die letzte Generation!“

Video: Lorenz Eskildson nach dem Agrarpolitischen Forum

Der Ceres Award Gewinner 2023 stellte sich den Fragen der Bauernzeitung nach der Diskussionsrunde im Agrarpolitischen Forum in Leipzig. Es ging um die Bauernproteste und die Frage: Wer bezahlt die Landwirtschaft?

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Lorenz Eskildsen ist der Ceres-Award Gewinner 2023 in der Kategorie bester Geflügelhalter. Wir haben den Gänsezüchter im sächsischen Wermsdorf besucht. (c) Sabine Rübensaat

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