Räumungsklage

Nach KTG-Pleite: Landwirt verliert nach jahrzehntelangem Streit sein Zuhause

Die letzten Tage in Hornow: Rainer Noack vor dem Haus, das jetzt der DAH gehört. © Heike Mildner

Eigentlich hätte Landwirt Rainer Noack aus Hornow bei Spremberg in Brandenburg dieser Tage sein 30. Betriebsjubiläum gefeiert. Stattdessen musste er zum 31. Juli sein Haus räumen. Wie es dazu gekommen ist, hat er uns erzählt.

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Rainer Noack sitzt auf seinem Sofa in einem ansonsten leeren Raum. Auch das Zimmer daneben ist ausgeräumt: keine Möbel, kahle Wände, keine Gardinen. In zwei Wochen, am 31. Juli, werden auch er und seine Frau ausgezogen sein aus dem Einfamilienhaus, das einmal ihres war. Vor der Wende hatten sie es begonnen zu bauen, in der Wende wurde es fertig, sie zogen ihre drei Söhne hier auf, die inzwischen erwachsen sind, und nun, nach jahrzehntelangem Rechtsstreit, greift die Räumungsklage.

Schaut man zur Hofseite aus dem Fenster, fällt der Blick auf einen Bauzaun. Dahinter ein gemauerter Grill, vertrocknete Blumenrabatten und der Kirschbaum, der so gut getragen hat. Ernten durften Noacks die Kirschen nicht mehr. Ein Wachschutz unterstreicht die Autorität des Bauzauns, der am 24. Juni aufgestellt wurde. Seitdem bleibt auch das Wasser kalt, weil die Befeuerung im Gebäude hinter dem Bauzaun liegt. Der neue Eigentümer hat sich durchgesetzt. Es ist die Deutsche Agrar Holding (DAH).

Blick aus dem Fenster auf den Hof. Seit Ende Juni waren die Noacks durch die Bauzäune in ihrem Bewegungsradius sichtlich eingeschränkt. Die Nebengebäude waren passé, eine Kamera (r.) überwachte das Geschehen. © Heike Mildner
Blick aus dem Fenster auf den Hof. Seit Ende Juni waren die Noacks durch die Bauzäune in ihrem Bewegungsradius sichtlich eingeschränkt. Die Nebengebäude waren passé, eine Kamera (r.) überwachte das Geschehen. © Heike Mildner

Folgenschwere Verträge: So geriet ein Landwirt in die Insolvenz-Spirale

Vor der Wende arbeitete Rainer Noack als Schlosser beim Agrochemischen Zentrum in Spremberg. Landwirtschaft sei schon immer sein Ding gewesen, sagt er und machte nach der Wende in der Abendschule den Abschluss als Landwirt, gründete am 1. Juli 1995 seinen eigenen Betrieb: Knapp 500 ha Acker- und Grünland, je zur Hälfte Pacht und Eigentum, dazu Trecker, Drille, Grubber, Pflug samt Optimismus und Tatkraft standen auf der Habenseite, auf der Sollseite rund 350.000 D-Mark Schulden bei der Bank. Für den Kredit bürgte Noack auch mit seinem Wohnhaus.

Als es nach dem ersten Erneuerbare-Energien-Gesetz mit den Biogasanlagen losging, schaute auch er sich auf Messen um, wollte an der neuen Möglichkeit, Geld zu verdienen, teilhaben. Er erfuhr: Eine 350-kW-Anlage wäre passend, um neben Mais für die Anlage auch noch Marktfrüchte anbauen zu können. Noack schloss mit dem Generalbauunternehmen Verträge über Rohstofflieferung, Betriebsführung und Erbpacht ab und dachte, er habe in ihm einen langfristigen Partner. Darin hatte er sich getäuscht. Als die Biogasanlage fertig war, wollte der Generalbauunternehmer sie an Noack verkaufen. Der fand auch Geldgeber, die aber wieder absprangen, weil der Bau in Ortsrandlage umstritten war. Am Ende verkaufte der Generalbauunternehmer die fertige 700-kW-Anlage an die KTG Energie. Die Verträge liefen weiter: Noack würde sich um den Betrieb der Anlage kümmern und Material und Arbeit der KTG in Rechnung stellen.

Blick aus dem Fenster auf den Hof. Seit Ende Juni waren die Noacks durch die Bauzäune in ihrem Bewegungsradius sichtlich eingeschränkt. Die Nebengebäude waren passé, eine Kamera (r.) überwachte das Geschehen. © Heike Mildner
Blick aus dem Fenster auf den Hof. Seit Ende Juni waren die Noacks durch die Bauzäune in ihrem Bewegungsradius sichtlich eingeschränkt.
© Heike Mildner

KTG Energie: Unbezahlte Rechnungen führen zur Insolvenz

Ende 2010 ging die Anlage in Betrieb. Sie sei gut gelaufen, sagt Noack, doch nachdem er die ersten Rechnungen gestellt hatte, wurden diese nur teilweise bezahlt. Er habe das Gefühl gehabt, man wolle ihn am langen Arm verhungern lassen, damit er die Lust verliert und seinen Grund und Boden an die KTG verkauft. Und obwohl er sie immer pfleglich behandelt habe, sei der Betrieb der Anlage von KTG-Seite immer wieder kritisiert worden, so Noack.

Zweimal, 2014 und 2015, kam es zu Vergleichen wegen der unbezahlten Rechnungen. Er sei mit weniger als der Hälfte der ursprünglich veranschlagten Rechnungssummen abgespeist worden, berichtet Noack. Nach dem zweiten Vergleich habe er seinen Anwalt beauftragt, die Verträge mit der KTG Energie zu kündigen. Die Kündigung der Verträge zeigte er beim Landesamt für Umwelt und beim Landkreis an. Das war im November 2015. Im Folgejahr wurde dem Betreiber die Betriebserlaubnis entzogen. Seitdem steht die Anlage mit schlaffen Fermentern in der Landschaft.

Schlepper unter Wert verkauft: Vorwürfe gegen Insolvenzverwalter

Das jedoch war sicher nicht die Ursache für den Zusammenbruch des KTG-Imperiums: Der Insolvenz der KTG Agrar im Juli 2016 folgte die Insolvenz der KTG Energie. Die Gustav Zech Stiftung übernahm die meisten Anteile und sanierte das Unternehmen. Seit dem 30. Juni 2017 heißt es Deutsche Agrar Holding (DAH) Energie GmbH. Ihr gehört seit Januar 2021 Noacks Anwesen samt Einfamilienhaus.
Von den fünf Jahren am langen Arm der KTG konnte sich Noacks Betrieb kaum erholen. Hinzu kam ein folgenschwerer Arbeitsunfall seines ältesten Sohnes. Im Frühjahr 2019 meldete Noack selbst Insolvenz an.

Statt den Insolvenzverwalter zu nehmen, den das Gericht vorschlug, folgte Noack der Empfehlung eines Kollegen und beauftragte eine Insolvenzverwaltung in Frankfurt (Oder). In der Chronik der Ereignisse ist als Insolvenzverwalter André Müller angegeben. Zu tun habe er aber mit einer Frau Müller gehabt, so Noack. Zuerst habe alles gut geklungen, das Haus sei sicher. Von den Landmaschinen wurde dann allerdings zuerst der Schlepper veräußert – „weit unter Wert“, wirft Noack dem Insolvenzverwalter vor, der doch auch in seinem Sinne hätte agieren müssen. Eine Anfrage dieser Zeitung an den Insolvenzverwalter blieb bis zum Redaktionsschluss unbeantwortet.

Laufendes Verfahren

Fakt ist: Noacks Haus und Hof wurden an die DAH verkauft, die laut Noack nicht zu seinen Gläubigern gehört habe. Mittlerweile klagt die DAH von Noack Miete für die vergangenen viereinhalb Jahre ein. Nach Noacks Auffassung gab es beim Verkauf der Grundstücke zahlreiche Ungereimtheiten, die aufgeklärt werden müssten. Sein Ziel ist es, den Verkauf seines Hauses rückgängig zu machen. Das Amtsgericht in Cottbus wollte sich der Bauernzeitung gegenüber mit Hinweis auf das laufende Verfahren nicht äußern.

Die DAH weist darauf hin, „dass der Erwerb des Grundstücks einer gerichtlichen Überprüfung standgehalten hat“. Sie beabsichtigt „aufgrund der erheblichen Investitionen in die Biogasanlage“ eine sinnvolle Anschlussnutzung. Zeitpunkt und Umstände seien von den Entscheidungen der zuständigen Genehmigungsbehörden abhängig, antwortete Jens Jegelski, Leiter Recht der DAH Service GmbH, auf die Anfrage dieser Zeitung. Die weitere Nutzung des Wohnhauses hänge vom künftigen Konzept ab.

Ob, wie und wann die DAH die Biogasanlage in Hornow wieder in Betrieb nehmen kann, ist unklar. Aufgrund der erheblichen Investitionen beabsichtigt die DAH eine sinnvolle Anschlussnutzung.
Ob, wie und wann die DAH die Biogasanlage in Hornow wieder in Betrieb nehmen kann, ist unklar. Aufgrund der erheblichen Investitionen beabsichtigt die DAH eine sinnvolle Anschlussnutzung. © Heike Mildner

Räumungsklage: Umzug nach Rechtsstreit

Einen Zusammenhang zwischen den unbeglichenen Rechnungen der KTG und Noacks Insolvenz sieht die DAH nicht. „Über das Vermögen der KTG Energie ist in 2016 ein Insolvenzverfahren eröffnet worden. Soweit berechtigte Forderungen von Herrn Noack bestanden haben, wird der zuständige Insolvenzverwalter diese anerkannt und zumindest entsprechend bei der Ausschüttung berücksichtigt haben“, antwortet Jegelski auf die Frage, ob diese Umstände bekannt seien.

Seit 2021 konnte Noack eine Räumungsklage immer wieder juristisch vereiteln. Nach dem Urteil vom 24. Juni war klar: Er muss raus. Die neuen Besitzer ließen einen Bauzaun aufstellen, ein Sicherheitsdienst wurde mit dem Objektschutz beauftragt, Kameras aufgestellt. Man habe befürchtet, „dass durch die Familie Noack Maßnahmen am Eigentum der Biogas Produktion Hornow GmbH erfolgen könnten“, teilt Jegelski mit. Nur der Umstand, dass Noacks Frau nicht im Grundbuch steht, hat ihnen noch einen Monat Aufschub verschafft. Mittlerweile sind die Noacks ausgezogen, der Bauzaun umschließt nun auch das Wohnhaus samt Briefkasten.

Landtechnik-Einsatz: Trotz Insolvenz weiter aktiv

Um die vorhandene Landtechnik noch einsetzen zu können, meldete Noack im September 2019 ein Dienstleistungsgewerbe an. Ein Agrar-Lkw mit Anhänger und ein Düngerstreuer, ein Grubber und ein Mulcher stehen ihm dafür weiter zur Verfügung. Immer noch gehe viel Geld für den Anwalt drauf, sagt Noack, habe ihm der Insolvenzverwalter doch auch die Versicherungen inklusive Rechtsschutzversicherung gekündigt.

Weiteren Kummer macht dem Landwirt die „R. Noack Agrar GmbH Hornow“: Er sei an ihr nur zu zehn Prozent beteiligt, doch würden unter seinem Namen Landkäufe oder Pachten eingefädelt, und er könne nichts dagegen unternehmen, solange die Insolvenz noch laufe, sagt er.

Warnung an Kollegen: Die Lehren aus dem Fall Noack

Inzwischen haben Rainer Noack und seine Frau einen Ort gefunden, an dem sie das, was von der Insolvenz verschont blieb, unterbringen konnten und an dem sie sich vielleicht einmal zu Hause fühlen werden. Die drei Söhne, die in dem Einfamilienhaus in Hornow aufgewachsen sind, haben längst eigene Familien, und sie helfen, wo sie können. Aber sie sind Handwerker und Landwirte, keine Juristen. Rainer Noack weiß, dass er einige falsche Entscheidungen getroffen hat, dass er blauäugig war, dass er den falschen Leuten vertraut hat. Jetzt möchte er wenigstens andere warnen. Und dann ist da noch immer die Hoffnung, dass ein tüchtiger Anwalt die ganze Sache noch einmal aufrollt …

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