Bürokratie: Ernüchternde Bilanz und digitale Hoffnung
Über Bürokratie und deren Abbau in der Landwirtschaft, das Thüringer Agrarportal PORTIA sowie das Lehr-, Prüf- und Versuchsgut Buttelstedt sprach die Bauernzeitung mit Peter Ritschel, dem Präsidenten des Thüringer Landesamtes für Landwirtschaft und Ländlichen Raum.
Der mit den Protesten der Landwirte auf die politische Agenda gehobene Bürokratieabbau in der Landwirtschaft ist bis heute ohne große Wirkung geblieben. „Änderungen, die es bei GLÖZ 8 und GLÖZ 6 gegeben hat, die Kontrollfreiheit für Betriebe mit weniger als zehn Hektar Fläche oder Änderungen bei Aufzeichnungspflichten entlasten nicht nachhaltig“, sagt Peter Ritschel, Präsident des Thüringer Landesamtes für Landwirtschaft und Ländlichen Raum (TLLLR), im Gespräch mit der Bauernzeitung. Den Arbeitsaufwand der Agrarverwaltung hätten diese kleinen Schritte jedenfalls nicht verringert. Das Düngesetz wurde noch nicht geändert.

Bürokratieabbau in der Landwirtschaft: Keine nachhaltige Entlastung
Ob der gewünschte Wegfall der Stoffstrombilanzierung und das geplante Monitoring der Düngeverordnung weniger oder mehr Aufwand bedeuten, wisse man erst, wenn es so weit ist. „Wir müssen uns im Klaren sein, dass das Fach- und das Förderrecht derart komplex und detailliert sind, dass kleine Änderungen wenig bewirken.“ Dass sich der Frust von Landwirten auch an der Verwaltung entlädt, sei verständlich. „Ich würde nie behaupten, dass wir im Landesamt nicht mehr besser werden können. Dennoch sind der Adressat die EU- und die Bundespolitik. Verwaltung setzt um, was politisch gewollt und gesetzlich geregelt wurde.“
Digitalisierung: PORTIA als Schlüssel zur Effizienz?
Zu den landespolitischen Entscheidungen gehört etwa, früher als andere Länder digitale Wege zu gehen und ein zentrales, webbasiertes Agrarportal zu etablieren. Ritschel wird nicht müde, zu betonen, dass man aus den oben genannten Erwägungen heraus dem Fach- und Förderrecht nur noch mit digitalen Instrumenten Herr wird. „Die Einführung von PORTIA hat Landwirten und unseren Mitarbeitern einiges abverlangt, was sich aber zukünftig auszahlen wird.“ Abgesehen von Problemen mit der Netzabdeckung („Hier besteht Handlungsbedarf.“), schätzt der TLLLR-Präsident ein, dass PORTIA und FAN-App „stark verbessert wurden, stabil laufen und übersichtlicher sind: Beispielsweise hat die Zahl der Kontrollfragen in der FAN-App deutlich abgenommen, Kulturarten werden sicherer erkannt und freie Nachweise sind speicherbar.“
Viele Schulungen zur Digitalisierung
Auf vielen Schulungen zur diesjährigen digitalen Antragstellung sei es ruhiger und gelassener als in den Vorjahren gelaufen. „Die Landwirte haben sich sehr gut eingearbeitet, was ich respektabel finde.“ Ausgebaut habe man u. a. die Surfer-Kapazitäten, was sich beim Verarbeiten der mittlerweile eine Million Kennarten-Fotos bemerkbar mache: „Trotzdem arbeiten wir weiter an der Optimierung.“ Die Satellitenprobleme sollten sich erledigt haben: Seit dem 5. Dezember 2024 seien beide wieder voll funktionstüchtig.
Im PORTIA startet in diesem Jahr webBESyD: „Düngeplanung, Dokumentation und Kontrolle gehen hier Hand in Hand. Wir hoffen natürlich, dass Landwirte und wir als Verwaltung bei dem kommenden Monitoring der Düngeverordnung weitgehend darauf zurückgreifen können.“ Mit dem Bund liefen derzeit Absprachen, damit ab 2026 ein nächster Service im PORTIA geboten werden kann. „Mit der entsprechenden Vernetzung wollen wir Registerdaten einsehbar machen.“
Anhaltende Kritik am geplanten Flächenregister im PORTIA
Die anhaltende Kritik des Berufsstandes am Flächenregister hält Ritschel für verständlich. „Die ist ja auch angekommen, deshalb war die Nutzung im vorigen Jahr und auch in diesem Jahr freiwillig. Die kritisierte fehlende Schnittstelle ist mit einer Software-Anpassung von unserer Seite hergestellt. Ich weiß natürlich nicht, wann die Software-Anbieter für Ackerschlagkarteien, die von der Praxis genutzt werden, ihrerseits die Schnittstellen programmieren.“

Neuer Milchviehstall und Ausbau des Fachschulcampus
Mit Blick auf das TLPVG sei es sein Wunsch, dass 2027 die Bauplanungen für den neuen Ausbildungs-Milchviehstall in Buttelstedt abgeschlossen sind. Der Baubedarf, der die Wirtschaftsgebäude, Ställe und die Melktechnik komplett einschließen soll, sei vom Finanzministerium „im Grunde bereits anerkannt“. In der mittelfristigen Finanzplanung sei der Ausbildungs- und Lehrstall vorgesehen. Mit der Landgesellschaft wird eine Machbarkeitsstudie erstellt, die die zu erwartenden Kosten ermittelt. „Wir planen den Umbau im laufenden Betrieb für 190 Kuhplätze zuzüglich Nachzuchten und drei Melksystemen, davon ein automatisches.“
Die Jungrinderaufzucht soll wieder im TLPVG stattfinden. „Die Bedingungen im Milchviehstall in Buttelstedt sind aktuell eine große Herausforderung. Dass es Nadine Bauer und ihrem Team dennoch gelingt, hervorragende Leistungen und eine gute Herdengesundheit zu realisieren sowie die überbetriebliche Ausbildung zu stemmen, ist bewundernswert“, lobt Ritschel.
Integrierte Ausbildung am Fachschulcampus Stadtroda
Am Fachschulcampus in Stadtroda ist im Juli Baubeginn für die Cafeteria und ein neues Fachkabinett. Ritschel rechnet mit einer Bauzeit von 18 Monaten. Stärker als in der Vergangenheit soll an der Fachschule das Konzept der integrierten Ausbildung verfolgt werden: „Nach dem Vorbild der Fachschule für Gartenbau in Erfurt wird der Unterricht der Fach- und Meisterschüler noch stärker von Fachreferenten des Landesamtes gestaltet. Das garantiert, dass aktuelle Entwicklungen oder Versuchsergebnisse in den Unterricht einfließen können.“
Generationswechsel im TLLLR: Stellen besetzt
Ritschel erinnert daran, dass in jüngerer Vergangenheit bei Stellenbesetzungen für Fachreferenten des TLLLR die Lehrtätigkeit dazu gehört. Nicht ohne Stolz fügt er an, dass seit 2021 mit einem großen Kraftakt der Generationswechsel gelungen sei: „In fünf Jahren haben wir 380 Stellen wiederbesetzen müssen und können. Bei einer Behörde mit rund 800 Mitarbeitern ist das enorm.“
Beschwerden von Bürgern nehmen zu
Abschließend weist Ritschel auf die stetige Zunahme von Bürgerbeschwerden hin: „Sie wenden sich an die Behörden, etwa wenn man glaubt, da würde nicht korrekt mit Düngern oder Pflanzenschutzmitteln umgegangen. Dem gehen wir konsequent nach.“ In Einzelfällen würden so Landwirte festgestellt, die fahrlässig oder fehlerhaft handeln. „In den meisten Fällen können wir aber sagen: Die Landwirte machen das korrekt, man hält sich an Gesetze und Regeln.“ Insofern verstehe sich die Agrarverwaltung als Partner der Landwirte und für alle Bürger im ländlichen Raum.
TLLLR: Forschung und Versuche
Jenseits seiner Verwaltungsaufgaben ist das TLLLR weiterhin im angewandten Forschungs- und Versuchswesen aktiv. Aktuell würden 25 Projekte laufen. „Daneben betreuen wir derzeit 300 Feldversuche in der Landwirtschaft und gut 50 im Gartenbau“, so TLLLR-Präsident Peter Rischel.
Zu den praxisorientierten Projekten zählen etwa die PSM-Reduktion, die Weidelgras-Bekämpfung, Agroforst oder ein Stickstoffdüngeprojekt in Winterweizen mit der LLG Sachsen-Anhalt. Beteiligen will sich das TLLLR an einem Mehrländerprojekt zu konservierender Bodenbearbeitung und Pflanzenschutz. Im Schweinebereich befasst sich ein Vorhaben mit Nabelbrüchen, ein anderes mit der Mineralstoffversorgung von Sauen. Angeschafft wurden modernste Emissionsmessgeräte, um im Zuge der TA-Luft im Legehennen- und Schweinebereich ab diesem Jahr Minderungsmaßnahmen entwickeln zu können. Die Praxiszentren Feldhamsterschutz und Ökologischer Landbau arbeiten mit neuen Mitarbeitern im TLPVG.
„Unser wöchentlicher, kostenloser Newsletter, der unter anderem zu den Warndiensten verlinkt, zählt jetzt 850 Abonnenten. Wer ihn noch nicht hat, sollte sich anmelden, denn er kündigt nebenher auch Veröffentlichungen, Fachveranstaltungen oder die Feldtage an, die in Kürze starten“, wirbt Rischel.

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