Investoren in der Landwirtschaft mit Geld auf dem Acker (c) IMAGO/Ralph Peters

Stoppt die Investoren?

Politik und Medien beklagen den Ausverkauf der Landwirtschaft an branchenfremde Investoren. Gesetze sollen Bodenspekulation verhindern, Subventionen nicht in Konzerne fließen. Wider besseres Wissen wird so ein falsches Bild gezeichnet, findet der langjährige Berater Arno Reis.

Der Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2019 klagt im Abschnitt „Nachhaltige Agrarstruktur“ erneut über „überregionale, teilweise branchenfremde Investoren“. Unpräzise ist von Integration in Konzerne die Rede. Weiter wird über „anlage­orientierte Spekulationskäufe“ und „Stärkung der regionalen Wertschöpfung durch ortsansässige landwirtschaftliche Einzelunternehmen“ geschrieben. 

Ähnliches kann man in den Medien lesen. Zum Beispiel meldet die Fachzeitschrift agrarheute „Landgrabbing in Ostdeutschland nimmt zu“ und „Holdings breiten sich in der Landwirtschaft aus – nicht nur im Osten“. Die Tageszeitung taz fordert:  „Landgrabbing in Deutschland: Den Ausverkauf stoppen“, und schreibt: „Landgrabbing in Deutschland: Aldi-Erben greifen nach Agrarland“. Und immer wieder werden vermeintlich fette Direktzahlungen als Anreiz genannt. Nachfolgend werden diese Behauptungen untersucht. 

Vorweg: Der Begriff Landgrabbing ist reißerisch, aber missverständlich. Nach der Onlineenzyklopädie Wikipedia versteht man darunter die (teilweise illegitime oder illegale) Aneignung von Land, insbesondere Agrarfläche oder agrarisch nutzbaren Flächen, oft durch wirtschaftlich oder politisch durchsetzungsstarke Akteure besonders in Entwicklungs- oder Schwellenländern.

Wer ist der „branchen­fremde Investor“?

Nebulös, wenn nicht diskriminierend, ist der Begriff „branchenfremde Investoren“. Man könnte dahinter eine Blut-und-Boden-Ideologie vermuten. Darf nur ein Maurer einen Baubetrieb kaufen? Nur ein Informatiker ein IT-Unternehmen? Das verstieße gegen das Grundgesetz. Der familiäre Hintergrund der Investoren ist ein wichtiger, aber leider bewusst übersehener Aspekt. Nach meinen Erfahrungen haben fast alle sogenannten Großinvestoren in der Familientradition einen landwirtschaftlichen Hintergrund, der aus vielerlei Gründen abgebrochen war.  Das können bereits landwirtschaftlich engagierte Unternehmerfamilien sein, das können in der Bodenreform vertriebene adlige und nichtadlige Gutsherren beziehungsweise deren Nachfahren sein. Das können aber auch Personen sein, deren Vorfahren den Hof nicht übernehmen konnten, weil es ältere Geschwister gab. 

Die Investition des ganzen oder eines Teils des Vermögens bedeutet also für viele eine Rückkehr zu den landwirtschaftlichen Wurzeln. Selten findet man dagegen Parvenüs, die sich mal eben ein Land-
gut mit schickem Schlössschen oder Gutshaus gönnen. Diese vermeintlich branchenfremden Investoren bringen sich oft stärker in ihr Umfeld ein als lokale Betriebe, die ums Überleben kämpfen: Kirchen, Friedhöfe werden saniert und wieder geöffnet, Immobilien und öffentliche Einrichtungen – historische oder andere – werden saniert, man nimmt aktiv an der lokalen Politik teil. Überhaupt vollzieht sich gerade durch diese Investoren derzeit ein Wandel im Unternehmensverständnis. Ziel jeder Landwirtschaft war bisher die Versorgung der Bürger mit erschwinglichen, hochwertigen Agrarprodukten. Nie mehr hungern wie nach 1945 – dieses Credo war lange wichtiger Maßstab. Inzwischen jammern wir auf hohem Niveau – insbesondere die landfernen Großstädter, die ein Idyll der Landwirtschaft vor Augen haben und zu Supermarktpreisen ihre Lebensmittel kaufen. 

Umdenken bei den Investoren

Niemand hat bisher bewiesen, dass kleine Familienbetriebe effizienter und umweltgerechter produzieren als große. Sie stehen aufgrund ihrer geringen Produktivität unter einem größeren Kostendruck als Großbetriebe, haben weniger Spielraum für Umweltstandards oberhalb der gesetzlichen Auflagen. Die Deckungsbeitragsrechnung ohne kalkulatorische Kosten verschleiert, wie sehr das familiäre Idyll von der Ausbeutung der unbezahlten Familienmitglieder und der vorhandenen Substanzen lebt.

Es findet, gerade bei den gescholtenen Investoren, ein Umdenken statt: weg vom Prinzip der alleinigen Gewinnmaximierung hin zu den Interessen anderer Gruppen wie Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Gemeinden, in denen man tätig ist, hin zum bewussten Umgang mit der Umwelt. Themen wie faire Entlohnung und Zusatzleistungen sind aktuell. Dieser unternehmerische Verständniswandel bleibt übrigens im Jahresbericht der Regierung unerwähnt.


Arno Reis Agrarbericht

Zur Person

Arno Reis, Diplom-Volkswirt, Inhaber der „DenkFabrik“ in Elmenhorst bei Rostock, ist seit der Wende als Berater in den ostdeutschen Ländern tätig.

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Ein Beispiel dafür, wie sich dieses Engement über die reinen wirtschaftlichen Interessen hinaus im ländlichen Raum auswirkt, zeigt die Internetseite der quasi landeseigenen LGE Mecklenburg-Vorpommern GmbH. Dort liest man im Zusammenhang mit der Sanierung der Stadt Sternberg über das Engagement einer Unternehmerfamilie, die einen historischen landwirtschaftlichen Hintergrund hat: „Überraschend unterbreitete ein regionaler Unternehmer den Vorschlag, eine öffentlich-private Partnerschaft einzugehen. Im Jahr 2003 gründete die Stadt Sternberg mit  …  die Sternberger Immobiliengesellschaft. Ziel war es, die ungenutzten kommunalen Häuser zu sanieren und zu vermieten. Die Stadt Sternberg brachte in die Gesellschaft 16 Grundstücke als Sacheinlage ein und  …  eine Bareinlage in Höhe von 500.000 Euro.“

Holdings anstelle bäuerlicher Strukturen?

Die politisch ungeliebten Investoren bringen noch mehr ein: Management-Know-how, qualifizierte Führungskräfte, Finanzmanagement, Unternehmenssanierung und Unternehmenswachstum, Diversifizierung. Insgesamt: Beschäftigungsstabilität in der Region, gegen die niemand etwas einwenden würde. Gerade jungen Hochschulabsolventen, von denen es im Fachbereich Landwirtschaft zu viele gibt, bieten die Unternehmen dieser Investoren Karrierechancen. Auf dem regionalen Markt werden die Investoren unvermeidlich zu Wettbewerbern der weniger professionell geführten Betriebe. In jeder Hinsicht, also auch wenn es um den Boden geht. Ist es aber verwerflich, dass der Boden zum besten und nicht zum schlechtesten Wirt geht?

Das historische Mecklenburg war immer ein Güterland. Im Sozialismus der DDR hießen die Güter LPG und VEG und wurden noch größer als sie bei den Enteigneten einst waren. Und auch heute ist Mecklenburg-Vorpommern wieder ein Güterland, wenn man die Genossenschaften und Agrargesellschaften dazuzählen will. Was aber ist gegen leistungsfähige Strukturen einzuwenden?

Wohin fließen Gewinne und Steuern?

Zunächst einmal: Viele Betriebe erwirtschaften in den letzten Jahren keine oder keine nennenswerte Gewinne. Trotzdem wird oft unterstellt, die Gewinne würden von den Investoren aus den Betrieben abgezogen und verblieben nicht in der Region. Diese Behauptung wurde bisher nicht belegt, obwohl die Bilanzen der Unternehmen offenzulegen sind. Nach meinen Erfahrungen investieren diese Investoren in die Betriebe und das Umfeld, werden Gewinne eher reinvestiert als ausgeschüttet, um eventuell mit weiteren Betriebszweigen zu expandieren und Arbeitsplätze zu sichern. 

Und wo kauft man die Betriebsmittel? Doch nicht in fernen Regionen, sondern von den Händlern und Lieferanten vor Ort. Wo zahlt man Steuern? Beim nächsten Finanzamt. Wo werden die Mitarbeiter entlohnt? Vor Ort. Aber das wird verkannt, stattdessen populistisch Panik gemacht. 

Hohe Renditen dank Agrarsubventionen?

„Für die Reichen sind Agrarbetriebe vor allem wegen der Landwirtschaftssubventionen attraktiv“, liest man in der taz. Die 25 Empfänger der höchsten Zahlungen waren 2018 aber Behörden, öffentliche Institutionen und große Erzeugergemeinschaften – kein einziger Landwirtschaftsbetrieb befindet sich unter den Top-25.

Denn Tatsache ist, dass diese Zahlungen wie bei allen anderen Betrieben nicht in den Bilanzen hängen bleiben. Sonst müsste der ausgewiesene Gewinn schließlich mindestens so hoch wie die Direktzahlungen, sprich: Subventionen sein. Vielmehr werden die Zahlungen abgesogen von überhöhen Landpreisen (Pacht und Kauf, wobei die staatliche BVVG als Preistreiber agiert) sowie niedrigen Abgabepreisen der Primärprodukte. Letztendlich sind und bleiben die EU-Direktzahlungen eine Konsumentensubvention mit der Gießkanne. Im Ergebnis besser sieht es bei geschickten Einkommenskombinationen aus: zum Beispiel Landwirtschaft plus alle Formen alternativer Energien plus alle Formen von Tourismus. Das geht aber nicht ohne vorher erwirtschaftete Gewinne, nicht ohne Kreditwürdigkeit.

Landkauf auf dem Weg des Share-Deals

Was meist übersehen wird: Der Erwerb von Agrarbetrieben mit einem hohen Anteil von Eigentumsflächen ist ein Verlustgeschäft, wenn man kaufmännisch rechnet. Beispiel: Jemand kauft einen Mischbetrieb mit 1.500  ha LN, davon 500  ha Eigentum, und bezahlt einschließlich Erwerbsnebenkosten 18  Mio. €. Möchte er für sein Investment eine Rendite von zwei Prozent – das entspricht der derzeit optimalen Pachtrendite – erwirtschaften, muss er jährlich einen Gewinn von 360.000 € erzielen. Mit Blick auf die letzten drei schlechten Jahre weiß man, dass die Gewinnerwartung Utopie ist. Das ist der Grund, warum sich der Unternehmenskauf derzeit von einem Verkäufer- zu einem Käufermarkt gedreht hat.

Zum Vergleich: Hätte ein Investor vor fünf Jahren sogenannte ETFs auf den Aktienindex des S&P 500 erworben, so hätte er bisher einen Gewinn von rund 53  % erzielt. Eine solchen Gewinn gibt es bei diesen Bodenpreisen, die derzeit rückläufig sind, nicht.

Warum Bauern keinen Betrieb kaufen können

Die 500  ha Eigentum im Rechenbeispiel waren im Laufe der Jahre mit thesaurierten Gewinnen zulasten der Gesellschafter beziehungsweise Genossen oder, soweit kreditfinanziert, zulasten des Gewinns und der möglichen Ausschüttung zum Nachteil der Mitglieder erworben worden. Durch den kontinuierlichen Landkauf sind viele Landwirtschaftsbetriebe aus der LPG-Nachfolge teuer geworden. Weder Führungskräfte im Betrieb noch externe Landwirte, auch nicht solche mit sogenannten 6b-Rücklagen, können die geforderten Preise bezahlen beziehungsweise finanzieren. Wer also bleibt als Käufer übrig? Nichtlandwirtschaftliche Investoren. Aber die wurden inzwischen wählerisch, deswegen die Wende zum Käufermarkt.

Übrigens hätte es intelligente Lösungen gegeben mit dem Ergebnis, dass die Mitglieder der Rechtsform etwas vom Vermögenszuwachs haben und die Betriebe im Falle der Veräußerung billiger sind. Und diese Gestaltungen gäbe es noch heute – wären die Leitungskräfte nicht beratungsresistent.

Wie es auch anders ginge

Besonders bei Agrargenossenschaften gibt es eine Gerechtigkeitslücke: Das Mitglied verlässt arm seine Genossenschaft, weil es nichts von ihrem Wertzuwachs hat. Wer zuletzt übrig bleibt, hat allen Reichtum. Also verkaufen manchmal alle rechtzeitig ihre Genossenschaft im Ganzen, was MVs Agrarminister Backhaus in einem konkreten Fall als „Manchesterkapitalismus in Reinkultur“ abkanzelt. 

Die Genossenschaftsverbände, die ja für die Mitglieder und nicht für die Vorstände da sein sollten, hätten die Pflicht gehabt, Strategien zu entwickeln, auf dass die von den Mitgliedern erwirtschafteten Gewinne nicht in riesigen Rücklagen versteckt und ihnen damit vorenthalten werden. Sie hätten dafür sorgen können, dass die Mitglieder zum Beispiel eigenes Landvermögen aufbauen und damit für die Rente vorsorgen. Nach Berechnung des Bauernverbands MV wurde bei der Sozialversicherung seit der Wende ein Rentenanrecht von im Schnitt 250–280  € erworben. Wenn Mitglieder dann eine zweite Rente haben wollen, ist das zu verstehen. Doch welcher Landwirt kann einen Betrieb kaufen, der sich mit Land vollgesogen hat?



Wenn Landwirtschaftsminister meinen, Strukturen steuern zu müssen, hätten sie kreativ Rahmenbedingungen dafür schaffen müssen, dass Betriebe, deren Mitglieder ohne Generationendenken sind, beim Verkauf bezahlbar für Leitungskräfte und Junglandwirte bleiben. Es sind juristische und steuerliche privatwirtschaftliche Rahmenbedingungen zu schaffen (also ohne Landgesellschaften), um Bodenbesitz und -nutzung trennen zu können, wo es sinnvoll und gewünscht ist.

Wer aus aktuellem Anlass das Grundstücksverkehrsgesetz ändern will, sollte es mit Verstand und mit Blick in die Zukunft tun – immerhin stammt das Gesetz im Wesentlichen aus dem sogenannten Dritten Reich. Zum Beispiel könnten leasing­ähnliche Komponenten einfließen. Warum keine Regelungen dafür, dass komplette Betriebe oder zumindest die landwirtschaftlichen Betriebsflächen im Besitz von Kapitalanlegern auf 50 oder 10 Jahre verpachtet werden, wobei der Pachtvertrag übertragbar sein sollte? Vielleicht mit einem späteren Ankaufrecht?

Ähnliches gibt es ja schon in einigen Bundesländern mit Landesdomänen. Oder bei Stiftungen. Den Wertzuwachs bei Besitz kann man versteuern, um Spekulationen zu bremsen. Geld wird dann mit der Nutzung verdient.

Fazit

Es wird wider besseres Wissen von Politikern, von bestimmten Nichtregierungsorganisationen und in der Presse Stimmung gemacht. Mit populistischen Schlagwörtern, die so einfach eingehen. Der Neidkomplex triumphiert. Ausgeblendet werden vorteilhafte Wirkungen der In­vestorentätigkeit und die wahren Ursachen für immer wieder beklagte Probleme. Es ist schade, dass die Betroffenen sich nicht wehren und die Unterstellungen sachlich widerlegen. Statt Verhinderung ist Zukunftsfähigkeit gefragt.