Wolf abgeschossen: Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Minister Backhaus
Wolfsabschuss vor Gericht: Muss Minister Backhaus sich verantworten? Fünf Jahre nach dem Abschuss einer Wölfin in Mecklenburg-Vorpommern, die sich mit einem Hund paarte, drohen dem Agrarminister juristische Konsequenzen. Erfahren Sie mehr über die brisanten Vorwürfe und die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts.
Viel Wirbel um den Abschuss einer Wölfin im Landkreis Rostock vor fünf Jahren, die sich damals mit einem Wachhund (Boxer-Mischling) gepaart haben soll. Während das Verwaltungsgericht Schwerin die Klage einer Umwelt- und Naturschutzvereinigung im Jahr 2023 zunächst abgewiesen hatte, bestätigte das Oberverwaltungsgericht Greifswald im Januar 2025, dass die Entnahme rechtswidrig gewesen sei.
Kommt Minister Backhaus wegen Abschusserlaubnis vor Gericht?
Die Tötung könnte für den zuständigen Agrar- und Umweltminister Dr. Till Backhaus (SPD) juristische Folgen haben. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft in Rostock beschloss der Rechtsausschuss des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern dem Parlament, die Immunitätsaufhebung für Minister Backhaus zu empfehlen. Erst nach Zustimmung im Plenum in der kommenden Woche könnten die Ermittlungen beginnen und in der Folge Anklage erhoben werden.
Anklage gegen Minister Backhaus: Vorwürfe auch gegen Mitarbeiter
Backhaus kann die Entscheidung der Staatsanwaltschaft vom 7. Mai 2025 bzgl. der Aufhebung seiner Immunität nicht nachvollziehen, so das Statement des Landwirtschaftsministers. Er sowie die von den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ebenfalls betroffenen Mitarbeitenden des Ministeriums haben sich laut Backhaus rechtmäßig verhalten und nicht strafbar gehandelt.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Minister und mehreren seiner Mitarbeitenden vor, dass diese rechtswidrig beim Landkreis darauf hingewirkt hätten, dass die Wölfin entnommen werden sollte, und hierdurch gegen das Bundesnaturschutzgesetz verstoßen hätten.
Umgang mit Wölfen: Bauernverband übt Kritik an fehlender Rechtssicherheit
Nach Bekanntwerden der Ermittlungen gegen Minister Backhaus, äußert sich der Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern besorgt über die rechtliche Unsicherheit im Umgang mit Wölfen:
„Der Fall um den Abschuss einer vermeintlich mit Hybriden trächtigen Wölfin zeigt in aller Deutlichkeit: Deutschland hat ein eklatantes Problem mit der Rechtssicherheit im Wolfsmanagement“, so Bauernpräsident Karsten Trunk. „Wenn Behörden nach sorgfältiger Prüfung und Abwägung eine Entscheidung treffen und Jahre später Gerichte diese in Frage stellen, droht ein gefährlicher Stillstand. Aus Angst vor strafrechtlichen Konsequenzen werden in Ämtern und Behörden notwendige Entscheidungen künftig womöglich gar nicht mehr getroffen – das können wir uns nicht leisten.“
Dass Gerichte fünf Jahre lang über einen einzigen Abschuss verhandeln und zu widersprüchlichen Urteilen kommen, belege, dass die aktuelle Rechtslage untauglich sei. „Es braucht endlich klare und praxistaugliche Regelungen, damit Behörden, Weidetierhalter und Jäger bei durch Wölfe verursachten Problemen schnell und rechtssicher handeln können. Der Schutz von Weidetieren und der Erhalt gesunder Wolfspopulationen dürfen nicht länger durch eine unpraktikable Rechtslage gefährdet werden.“
Vorfall mit Wolf liegt 5 Jahre zurück: Fotofalle gibt erste Beweise
Die Untere Naturschutzbehörde erhielt am 17. Februar 2020 vom Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt Mecklenburg-Vorpommern die Nachricht, dass sich seit dem 10. Februar 2020 jeden Abend eine Wölfin bei einem Bauernhof aufhalte und es außerhalb der Umzäunung zu mehreren Deckakten mit dem Hofhund (Boxer-Mischung) gekommen sei. Man habe den Hofbesitzer gebeten, seine dies erfassende Fotofalle weiter zu betreiben und seinen Hund so zu halten, dass es zu keinen weiteren Deckakten komme.
Die Wölfin sei wohl ein Jungtier, eine sogenannte Welpenfähe. Die Angelegenheit war vom Leiter einer ortsansässigen Jagdschule unter Beifügung von Fotos per E-Mail an das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie (LUNG) MV und von dort an das Ministerium gemeldet worden.
Laut einem Telefonvermerk vom 18. Februar 2020 bestätigte der Hofbesitzer und Hundehalter eine tatsächliche Paarung zwischen den Tieren. Daraufhin wurden weitere Kameras installiert. Auch sollte ein E-Zaun auf der Innenseite der Hofumzäunung errichtet werden. Denn die Fähe sei mit dem Hofhund schon derart vertraut sei, dass sie versuche, sich unter dem Zaun durchzugraben.
Was damals geschah:
Im Ministerium wurde das weitere Vorgehen geprüft, von einer Besenderung bis hin zur Tötung der Wölfin. Die Besenderung sei vorzuziehen, da von dem Tier keine Gefahr ausgehe. Die Fähe sei bei den Vorbereitungen für einen Wurf (Anlegen einer Höhle) zu beobachten. Es sei allerdings nicht auszuschließen, dass sie bereits von einem Wolfsrüden gedeckt worden sei. Die Untere Naturschutzbehörde regte daraufhin an, dass die Obere oder Oberste Naturschutzbehörde bei ihr einen Antrag auf Ausnahmeerteilung stelle.
Wölfin und Hund: Vor-Ort-Termin sollte Klarheit bringen
Am 19. Februar 2020 fand ein Ortstermin am Grundstück statt. Der Eigentümer teilte mit, seit Anfang Januar 2020 besuche die Fähe sein Grundstück. Der Wachhund, ein Boxer-Mischling, habe die Wölfin zunächst verbissen, verbellt und vertrieben, was auch Nachbarn belästigt habe.
Zur Ermittlung der Lärm-Ursachen habe er die Kamera aufgestellt. Diese habe ab Mitte Januar die Deckversuche dokumentiert. Die Wölfin sei auch aktuell abends vor Ort. Der Hund buddele sich immer zu ihr hinaus.
Sender für Wölfin beantragt
Man zog Dr. Norman Stier, Professor für Forstzoologie der Technischen Universität Dresden, Koordinator Wolfsmonitoring im Lande, hinzu, der bei der Unteren Naturschutzbehörde die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Einfangen und Besendern der Wölfin beantragte, die ihm am 21. Februar 2020 erteilt wurde.
Am 4. März 2020 teilte das Ministerium mit und bestätigte Dr. Norman Stier, dass die Fangversuche mit einer Falle bisher erfolglos gewesen seien und es dem Hund zweimal gelungen sei, das Grundstück zu verlassen, wobei es zu Verpaarungsversuchen gekommen sei.
Hunde-Halter duldet keine weiteren Maßnahmen
Der Hundehalter sei nicht bereit, weitere Maßnahmen zu dulden, weshalb man zwecks Besenderung die Wölfin mit einem Narkosegewehr betäuben wolle, zu bedienen von einem Tierpfleger eines Zoos. Mit Bescheid vom 5. März 2020 ließ die Behörde das Fangen der Wölfin mittels Narkosegewehres zu, wobei sich die Behörde für den Fall der Erfolglosigkeit die Anordnung der Tötung des Wolfs vorbehielt, da die zur Verfügung stehenden Mittel, die Wölfin ohne eine Tötung zu fangen, dann ausgeschöpft seien.
Am 9. März 2020 unterrichtete das Ministerium die Naturschutzbehörde, dass am 7. und 8. März 2020 jeweils ein vergeblicher Ansitz des Narkoseschützen auf die Wölfin erfolgt sei.
März 2020: Genehmigung für Abschuss wurde amtlich erteilt
Daraufhin beantragte das Ministerium am 11. März 2020 bei der Naturschutzbehörde die Erteilung einer artenschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung zur Entnahme der Wölfin zum Schutz der natürlich vorkommenden Tierwelt.
Denn es werde davon ausgegangen, dass eine Verpaarung mit dem Haushund stattgefunden habe, die wahrscheinlich zur Trächtigkeit und damit zu einer Hybridisierung führen werde.
Mit einer Geburt der Hybriden sei Ende April bis Anfang Mai zu rechnen. Nach Einschätzung von Forstzoologe Dr. Norman Stier würden bis dahin die Kontakte der Wölfin zum Hund wegen der Anlage der Wurfhöhle stetig abnehmen, so dass eine Entnahme nicht mehr aufgeschoben werden könne. Ein weiteres Abwarten komme daher nicht in Betracht, da der Standort der Wurfhöhle unbekannt sei.
Aktuell sei ein Abschuss noch zielgerichtet und ohne Verwechslungsgefahr möglich, da die Wölfin aufgrund der Anwesenheit des Hundes regelmäßig am Grundstück erscheine.
Am 13. März 2020 erließ die Untere Naturschutzbehörde den Bescheid, mit dem sie dem Ministerium als Adressaten die Tötung der Wolfsfähe unter Anordnung der sofortigen Vollziehung gestattete.
Nebenbestimmungen regelten u. a., dass der Abschuss nur durch vom Ministerium autorisierte und im Übrigen berechtigte und geeignete Personen, insbesondere drei benannte Jagdausübungsberechtigte im örtlichen gemeinschaftlichen Jagdbezirk, erfolgen dürfe, und zwar in einem Umkreis von 300 m um das Flurstück des Hofbesitzers.
Wölfin war misstrauisch
Am 18. März 2020 teilten die drei Jagdausübungsberechtigten mit, mangels verfügbarer Nachtsichttechnik die Genehmigung nicht umsetzen zu können. Da die misstrauische Wölfin sich dem Grundstück nicht hinreichend näherte, änderte die Behörde auf fernmündlichen Antrag des Ministeriums die Entfernung dahingehend, dass der Abschuss in einem Umkreis von 600 m um das betroffene Flurstück und damit auch von einem nahen Hochsitz aus durchgeführt werden dürfe.
Nach dem Abschuss: Untersuchung der Wölfin
Die Wölfin wurde in der Nacht vom 10. auf den 11. April 2020 erschossen. Anschließend wurde sie im Berliner Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung obduziert und genetisch untersucht.
Dabei ergab sich, dass es sich bei der Wölfin um ein registriertes Tier handelte, das im Oktober 2019 Nutztiere gerissen hatte. In ihrem Uterus befanden sich keine Föten. Noch vor der Untersuchung der toten Wölfin hatte das Ministerium am 11. April 2020 mit einer Pressemitteilung erstmals die Öffentlichkeit über den Abschuss informiert.
Widerspruch bei Verwlatungsgericht: Klage in erster Instanz abgewiesen
Eine laut Umwelt-Bundesamt im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes bundesweit anerkannte Umwelt- und Naturschutzvereinigung mit dem satzungsgemäßen Zweck u. a. des Schutzes der Wölfe in Deutschland erhielt am 19. August 2020 Kenntnis von der Entnahme der Wölfin und legte am 20. August 2020 gegen die Abschussgenehmigung und gegen die Änderung ihrer Nebenbestimmung Widerspruch beim Verwaltungsgericht Schwerin ein.
Sie begründete die Klage damit, dass es für den Erlass der Bescheide an einer gesetzlichen Grundlage fehle. Die Untere Naturschutzbehörde wies den Widerspruch am 12. Oktober 2020 als unbegründet zurück (Aktenzeichen: 7 A 2271/20 SN).
Die Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht Schwerin keinen Erfolg und wurde am 25. Januar 2023 abgewiesen.
Urteil Verwaltungsgericht Schwerin vom 25. Januar 2023
Daraufhin gingen die Kläger in die Berufung und damit vor das Oberverwaltungsgericht Greifswald.
OVG erklärte Abschuss in zweiter Instanz für rechtswidrig
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Mecklenburg-Vorpommern vom 19. Februar 2025 (Aktenzeichen: 1 LB 175/23 OVG) allerdings sieht die Rechtswidrigkeit der Erteilung einer Ausnahme vom Tötungsverbot von Wölfen als gegeben an.
Generell hat der Gesetzgeber im Bundesnaturschutzgesetz eine spezialgesetzliche Regelung getroffen, um der Gefahr für die streng geschützte Art Wolf (canis lupus), die mit der Vermischung von Haushund- und Wolfsgenen einhergeht, zu begegnen. Daher müssen Wolfshybriden, die aus einer Verpaarung stammen, erschossen werden.
Die strittige Entnahme der Wölfin betrifft allerdings nicht den Abschuss der Hybriden. Selbst bei einem Wurf von Wolfshybriden hätte das Muttertier laut OVG keine Gefahr für die Wolfsgenetik dargestellt und ein biologischer Nachweis der hybriden Mischlinge hätte nachgewiesen gehört, bevor man das Tier abgeschossen habe.
Das ausführliche Urteil des OVG Greifswald ist hier nachzulesen.
Eine Revision gegen die gerichtliche Entscheidung wird zugelassen und ist damit die letzte Möglichkeit, ein rechtsfehlerhaftes Urteil anzufechten.

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