Corona bremst die Kapazität der Schlachthöfe aus: Auf knapp 600.000 Mastschweine wird der Stau in den Ställen beziffert. ©Sabine Rübensaat

Schweinehalter in der Krise: Keine schnelle Hilfe

Die Bundesagrarministerin will prüfen lassen, ob die unter Druck stehenden Schweinehalter Coronahilfen erhalten können. Darüber tauschte sich Julia Klöckner heute mit ihren Länderkolleginnen und -kollegen aus.   

Weder war es als „Krisengipfel“ geplant noch sollten konkrete Verabredungen getroffen werden. In einer einstündigen Videokonferenz tauschten sich heute die Länder mit dem Bundesagrarministerium über die Lage der Schweinehalter und der Schlachtbranche aus. Wie das Thüringer Agrarministerium informierte, wollen Bund und Länder u.a. prüfen, inwieweit die für Coronaschäden vorgesehenen Novemberhilfen auch von Schweinehaltern genutzt werden können.

Schlachthöfe müssen wieder hochfahren 

Bundesministerin Julia Klöckner stellte fest, dass es infolge der Coronapandemie in der ganzen EU Einschränkungen der Schlachtkapazitäten gebe. In Deutschland habe mittlerweile ein weiteres Anwachsen des „Schlachtstaus“ gestoppt werden können. Nun brauche es flexible Regelungen sowohl zur Arbeitszeit als auch zum Schlachtbetrieb an Sonn- und Feiertagen. Als marktstabilisierende Maßnahme sei die private Lagerhaltung eine Option. Man wisse, dass damit kein Geld direkt an die Erzeuger fließe, so die CDU-Politikerin.

Indirekt von Corona betroffen

Weil die Coronahilfen des Bundes (Überbrückungshilfe II; Novemberhilfe) an staatliche Auflagen oder Schließungen infolge der Pandemie gebunden sind, könnten diese nicht einfach so auf die Situation der Schweinebranche übertragen werden. Denn hier handele es sich um „indirekte Marktauswirkungen“. Klöckner will das Bundeswirtschaftsministerium prüfen lassen, wie betroffene Schweinehalter in diese Coronahilfen dennoch einbezogen werden können.

Bestandsabbau staatlich fördern?

Mit Vorsicht begegnete Klöckner Ideen, den Ausstieg aus der Sauenhaltung oder Bestandsreduzierungen staatlich zu fördern. Zum einen liege der Selbstversorgungsgrad mit Ferkeln lediglich bei 75 %. Ein Bestandsabbau berge zudem die Gefahr von weiteren Betriebsaufgaben. Dies wiederum würde zu einer stärkeren Konzentration in der Tierhaltung und einer weiteren Abnahme des Selbstversorgungsgrades führen.

Hohe Erwartungen

Unterm Strich müssen sich die Schweinehalter also noch in Geduld üben, zumal der Ausgang völlig offen ist. Noch am Freitagmorgen hatte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, „dringend“ Maßnahmen eigefordert. Die Schweinehalter erlebten derzeit die größte Krise seit Jahrzehnten. „Wenn wir weiter Schweinefleisch aus Deutschland auf dem Tisch haben wollen, dann brauchen unsere Schweinehalter jetzt ein klares Signal, dass Schweinehaltung in Deutschland weiterhin gewünscht ist. Alleine können die Bauern diese Krise nicht schultern“, so Rukwied vor dem Treffen. Laut DBV stauten sich derzeit etwa 600.000 Tiere in den Ställen.

Schweinehalter in unverschuldeter Notlage

Der Geschäftsführer der Interessengemeinschaft der Schweinehalter in Deutschland (ISN), Dr. Torsten Staack, nannte als Hauptursache für die Krise die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Hinzu kam der Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP). Durch den dramatischen Verfall der Schweine- und Ferkelpreise sei den Tierhaltern bereits ein Schaden von ca. 1,3 Mrd. Euro entstanden. Die ISN forderte „für die unverschuldet in diese Notsituation geratenen Schweinehalter“ schnelle und unbürokratische Corona-Nothilfen analog zur Gastronomie. Vorschläge wie die Bezuschussung der privaten Lagerhaltung von Schweinefleisch bezeichnete Staack als nicht zielführend, „weil das Geld nicht bei den Bauern ankommt“.

Corona: Größter bayrischer Schlachthof dicht

Der Absatz von Schweinefleisch im Außer-Haus-Verzehr kam laut ISN infolge der Corona-Schutzmaßnahmen nahezu zum Erliegen. Dieser Absatzmarkt hätte vor Corona ein Drittel des innerdeutschen Schweinefleischabsatzes ausgemacht. Zudem bremsten Hygiene- und Quarantäneauflagen die Kapazitäten der Schlachthöfe. Erst Anfang dieser Woche stellte der Vion-Schlachthof in Vilshofen – nach Angaben des Fleischkonzerns der größte Schlachthof Bayerns – seine Produktion ein. Grund ist ein Corona-Ausbruch unter den 300 Mitarbeitern. 20.000 Schweine, so die Vion, würden pro Woche an dem Standort geschlachtet und zerlegt.

Aus für Werkverträge

Mit einem Gesetz, auf dessen Entwurf sich die Bundesregierung heute einigte, sollen ab Januar 2021 Werkverträge in der Fleischindustrie verboten werden. Zudem will man die Einhaltung des Arbeitsschutzes schärfer kontrollieren. Thüringens Agrarminister Benjamin-Immanuel Hoff erklärte, dass die Verbesserung von Arbeitsbedingungen in der Schlachthofbranche „seit Langem überfällig“ gewesen sei. Die Corona-Infektionen in der Branche führten „den Handlungsbedarf und die Missstände vor Augen“. Der Gesetzentwurf sei „ein Schritt in die richtige Richtung – aber mehr Mut wäre wünschenswert gewesen“, so der Linken-Politiker. red