Genießergenossenschaft: Der Kunde investiert in Tierwohl

In Umfragen erklären sich viele Verbraucher bereit, mehr Geld für Fleisch ausgeben zu wollen, würde die Haltung deutlich mehr das Tierwohl berücksichtigen. „Wir sagen den Verbrauchern: Wir bieten euch an, was ihr haben wollt,“ sagt Jan Gumpert, Vorstandsvorsitzender der Agraset Naundorf, „aber ihr müsst euch vorher dafür entscheiden!“

Entscheiden heißt in diesem Fall, Anteile an einer Genossenschaft, konkret: der Genießergenossenschaft Sachsen eG, zu zeichnen. Damit unterstützt der Verbraucher den Aufbau einer an hohen Tierwohlansprüchen orientierten Schweinefleischerzeugung und ist Miteigentümer der Produktionsmittel. Entstehen soll ein Maststall mit 1.495 Plätzen, in dem Schweine gehalten werden, „wie man es aus der privaten Haltung im kleinen Maßstab kennt“, veranschaulicht Jan Gumpert. Die Tiere stehen auf Stroh, haben mit 2,5 m2 Fläche deutlich mehr Platz als gesetzlich verlangt und werden langsamer – sechs statt nur drei Monate lang – gemästet. Um die längere Mastzeit realisieren zu können, soll dabei auf die Rasse Duroc zurückgegriffen werden. Die Agrarset Naundorf wird den Stall betreiben und auch die benötigten Ferkel und Läufer produzieren und bereitstellen.

Genießergenossenschaft verbindet mehrere Aspekte

Mehr Tierwohl ist jedoch nur ein Aspekt des Vorhabens. Ergänzt werden soll es durch einen weiteren Punkt, der ebenfalls im Verbraucherinteresse liegt. Es sei seit längerem bekannt, dass Monogastrier, zu denen sowohl Schwein als auch Mensch zählen, Fette aus der Nahrung auch in ihrem Körper anlegen, verdeutlicht Gumpert. Durch Leinschrot in den Rationen wird den Tieren deshalb gesundes Omega-3-Fett zugeführt. Dieses wiederum macht ihr Fleisch auch für die menschliche Ernährung wertvoll. „Das Verhältnis zwischen Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren ist enger und die Fettzusammensetzung damit besser“, sagt der Vorstandsvorsitzende. „Untersuchungen der Universität Leipzig an unseren Schweinen haben das bestätigt.“

Die Leinsaat will die Agrarset Naundorf künftig selbst erzeugen. Auf 100 ha soll die hierzulande kaum noch verbreitete Kultur angebaut werden, um neben dem Öl auch das Schrot für die Fütterung zu erzeugen. „Das macht auch die Fruchtfolge weiter“, freut sich der Landwirt. Kostenseitig sei Lein in eigener Produktion dennoch ein Faktor. „Aber wenn wir von regionalen Kreisläufen reden, dann müssen wir sie auch schaffen“, legt er sich fest.


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Höhere Haltungsansprüche, längere Mast und teureres Futter haben selbstverständlich Auswirkungen auf die Produktionskosten und damit auf den Verbrauchspreis. „Wir kalkulieren mit einem durchschnittlichen Endverbraucherpreis von 18 Euro je Kilo.“ Standard seien sonst etwa 12 Euro. Bei moderatem Fleischkonsum bedeute das am Ende keinen großen Unterschied für den Verbraucher , wie er meint. „Und dafür bekomme ich Top-Ware aus der Region.“ So regional wie möglich sollen auch Schlachtung und Verarbeitung sein. Einer möglichen neu entstehenden Schlachtstätte in Sachsen steht das Projekt Genießergenossenschaft aufgeschlossen gegenüber. Wobei sich der Landwirt, wie er am Rande betont, eine Lösung unter Beteiligung der Schweineerzeuger wünscht. Für die Verarbeitung wurden mit der Neuwürschnitzer Fleisch- und Wurstwaren AG und der Dürrröhrsdorfer Fleisch- und Wurstwaren GmbH zwei mittelständische Partner gefunden.

Jeder kann Anteile kaufen

Den Weg zum Verbraucher soll das Fleisch anschließend auf dem normalen Handelsweg finden. Überall da, wo Genossenschaftsmitglieder zu Hause sind, soll die Ware bei Handelspartnern ins Sortiment gebracht werden. Kaufen können soll die Produkte jedoch jeder, egal ob Mitglied oder nicht. Ist die Nachfrage größer als das Angebot, müsse die Genossenschaft Mechanismen schaffen, die den „Genießer-Genossen“ einen privilegierten Zugriff erlauben. Und natürlich sollen die Mitglieder der Genießergenossenschaft auch am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens teilhaben. Ob eine Dividende als Geldbetrag oder aber in Form von Fleisch- und Wurstwaren ausgeschüttet wird, müsse die Mitgliederversammlung entscheiden, schmunzelt Gumpert.

Ein Angebot an die Gesellschaft

Seit einigen Wochen können Interessierte Anteile an der Genießergenossenschaft Sachsen zeichnen. Ein Anteil kostet 1.000 Euro. Insgesamt gibt es 2.000 Anteile. Damit wären, wie der Agraset-Chef erklärt, der Stallneubau und der erste Mastdurchgang finanziert. „Eigentlich müssten wir schon jetzt ausverkauft sein“, meint Jan Gumpert mit Blick auf den Ruf der Gesellschaft nach mehr Tierwohl. Doch es gibt noch Reserven, wie er bedauert. Wobei es ihm bei dem Vorhaben Genießergenossenschaft nicht darum geht, eine alternative Finanzierung für den Stallbau zu erhalten. „Den Stall könnten wir als Agrargenossenschaft auch allein bauen“, betont er. Worum es ihm gehe sei, dass die Menschen, die Fleisch aus besserer Haltung fordern, auch dazu beitragen können, sich selbst dieses Angebot zu schaffen. „Und ich gehe davon aus, dass jemand, der Mitglied der Genossenschaft wird, später auch ´sein` Fleisch kaufen wird. Und nicht beim billigeren Konkurrenzprodukt im Regal daneben zugreift“, ist Jan Gumpert überzeugt.