Sind rote Gebiete rechtskonform?

Mehr als 200 Landwirte in Mecklenburg-Vorpommern hegen daran ernsthafte Zweifel. Vertreten durch zwei Anwaltskanzleien haben sie jetzt zwölf Normenkontrollanträge beim Oberverwaltungsgericht in Greifswald eingereicht.

Von Gerd Rinas

Der Streit um die Festlegung der roten Gebiete in Mecklenburg-Vorpommern wird nun vor Gericht ausgetragen. Die Anwaltskanzlei Geiersberger, Glas & Partner, Rostock, hat im Auftrag von ca. 200 Landwirtschaftsbetrieben elf Normenkontrollanträge gegen die Festlegung roter Gebiete an das Oberverwaltungsgericht Greifswald übersendet, teilte Rechtsanwalt Dr. Robert Krüger gegenüber der Bauernzeitung mit.

Ausweisung roter Gebiete „rechtlich und fachlich ungenügend“

Die Normenkontrollanträge umfassen elf nach Einschätzung der Landesbehörden nitratbelastete Grundwasserkörper. „Wir sind der Auffassung, dass die Ausweisung der roten Gebieten rechtswidrig ist. Anders als von der Landesregierung dargestellt, ist der chemische Zustand der in Frage stehenden Grundwasserkörper eigentlich gut“, sagte Krüger. Basis der Einstufung seien Daten über den chemischen Zustand der Grundwasserkörper von 2009 bis 2014. „Wir werden nachweisen, dass die Einstufung des chemischen Zustands und die Ausweisung als rote Gebiete sowohl nach den damaligen als auch nach neueren Daten falsch sind“, kündigte Krüger an.

(c) Gerd Rinas

Die Einstufung, auf die sich die Landesregierung beruft, sei „rechtlich und fachlich ungenügend“. Die Normenkontrollanträge stützen sich auf umfangreiche Prüfungen, Ausarbeitungen und Berechnungen eines hydrologischen Fachbüros. Die Experten haben in mehrmonatiger Arbeit Daten geprüft, die das Land verwendet hat, um den chemischen Zustand der Grundwasserkörper zu beurteilen. Sie haben die Validität der Messstellen ausgewertet und eigene Ermittlungen für die flächenhafte Ausdehnung der Nitratbelastung in Grundwasserkörpern angestellt.

Ziel des Antrags beim Gericht: Landesverordnung aufheben

Ziel des Verfahrens ist die Aufhebung der Düngelandesverordnung und der darin ausgewiesenen nitratbelasteten Gebiete. Es gehe den Antragstellern auch darum, so Krüger, dass das Land bei der Korrektur der Gebietskulisse die rechtlichen und fachlichen Hinweise für die korrekte Ausweisung der belasteten Gebiete berücksichtigt. „Kein Landwirt würde sich gegen die Beschränkung der Anwendung stickstoffhaltiger Düngemittel wenden, wenn die betreffenden Flächen korrekt ausgewiesen sind.“

Bei den rund 200 Antragstellern handelt es sich um Landwirte aus fünf von sechs Landkreisen. Sie bewirtschaften zusammen ca. 96.000 ha LF zum Teil oder vollständig in roten Gebieten. Nach Krügers Einschätzung habe es für die Mandanten keine Alternative zu den Normenkontrollanträgen gegeben. „Unsere Mandanten haben mit Beginn des Jahres 2019 immer wieder versucht, in der Diskussion mit dem Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt und dem Landesamt für Umwelt, Natur und Geologie (LUNG) auf eine Ausweisung der roten Gebiete hinzuwirken, die den rechtlichen und fachlichen Vorgaben genügt.“ Leider seien diese Bemühungen nicht erfolgreich gewesen.

Keine Rückmeldung zu Bedenken bei roten Gebieten

Zudem hätte die Anwaltskanzlei Geiersberger, Glas & Partner Ministerium und LUNG vor der Verabschiedung der Düngelandesverordnung im Juli 2019 im Auftrag ihrer Mandanten erhebliche Bedenken an der Ausweisung der roten Gebiete signalisiert und dem LUNG umfangreiches Material für die Korrektur dieser Gebiete übergeben. „Eine fachliche Rückmeldung dazu fehlt bis heute“, so Krüger. Auch deshalb hätten sich die Betriebe entschlossen, gerichtlichen Rechtsschutz zu suchen. Über die Dauer des Verfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht in Greifswald könne man im Vorhinein keine Angaben machen. Allerdings bestünde auch die Möglichkeit, dass Mandanten und Land sich vor einem Urteil verständigten. „Dazu müsste das Land aber initiativ werden.“

„Bloße Vermutung reicht nicht“

Bereits Ende voriger Woche haben die Agrar AG Gadebusch und die Agrargenossenschaft Köchelstorf, vertreten von Rechtsanwalt Dr. Reinhard Mecklenburg, BTR Rechtsanwaltsgemeinschaft, Berlin, beim Oberverwaltungsgericht Greifswald ebenfalls einen Normenkontrollantrag gegen das Land Mecklenburg-Vorpommern eingereicht. Der Normenkontrollantrag der beiden Landwirtschaftsbetriebe wird von weiteren 37 Agrarbetrieben aus Nordwestmecklenburg unterstützt (Bauernzeitung 3/2020 Nord, S. 11).

„Mit dem Antrag wenden sich meine Mandanten gegen die Düngelandesverordnung vom 23. Juli 2019“, erläuterte Rechtsanwalt Mecklenburg. Eine Verordnung, wie sie die Landesregierung erlassen habe, könne grundsätzlich notwendig sein, wenn sich Grundwasserkörper in schlechtem chemischem Zustand befänden. Vor der Ausweisung belasteter Gebiete müssten aber die genauen Ursachen für den schlechten chemischen Zustand ermittelt werden. „Allein die bloße Vermutung, dass dieser durch die Landwirtschaft erzeugt worden sein könnte, reicht nicht aus“, argumentierte Mecklenburg.

Eine Messstelle  – 120.000 Hektar rot

Rote Gebiete in Deutschland (Symbolbild) Repro (c) David Benzin

Im vorliegenden Fall gelte dies erst recht, weil lediglich eine, „dazu noch ungeeignete“ Messstelle als Begründung für die Ausweisung eines roten Gebietes von 120.000 ha LF herangezogen wurde. Das Land sei verpflichtet, vor Ausweisung der nitratbelasteten, roten Gebiete den tatsächlichen Zustand des Grundwasserkörpers festzustellen. „Dies kann nur durch ein repräsentatives Messnetz erfolgen, das hier nicht vorhanden ist.“

Das Land müsse außerdem die Ursachen für eine mögliche Verunreinigung des Grundwasserkörpers aufklären. „Aktionismus hilft nicht weiter“, betonte Mecklenburg. Nur wenn nachgewiesen worden sei, wo und wie der Grundwasserkörper chemisch über das zulässige Maß hinaus belastet sei und feststehe, dass die Ursache dafür in der Bewirtschaftung der Antragsteller liege, könnten landwirtschaftliche Nutzflächen als „belastete Gebiete“ mit den entsprechenden Beschränkungen ausgewiesen werden.

Binnendifferenzierung und repräsentatives Messstellennetz

Die Antragsteller fordern eine Binnendifferenzierung im Bereich des roten Grundwasserkörpers aufgrund eines repräsentativen Messstellennetzes. Alle ihre Flächen liegen im Bereich dieses Grundwasserkörpers. Beide Unternehmen sehen sich aufgrund der derzeit „willkürlichen“ und pauschalen Ausweisung des roten Gebietes und der hier geltenden Einschränkungen  in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht. „Deshalb sehen wir keine andere Möglichkeit, als diese Praxis vom Oberverwaltungsgericht in Greifswald überprüfen zu lassen“, sagte Jörg Haase, Vorstandsvorsitzender der Agrar AG Gadebusch und einer der beiden Antragsteller, gegenüber der Bauernzeitung.