Waldbesitzer unternehmen viel, um die Ökosystemleistungen des Waldes zu erhalten. Durch den Holzverkauf sind sie aber nur mit 15 % an diesen Leistungen beteiligt. (c) Sabine Rübensaat

Damit der Wald am Leben bleibt: Ökosystemleistungen entlohnen

Mecklenburg-Vorpommerns Forstminister Till Backhaus will die Ökosystemleistungen des Waldes mit Erlösen aus dem Emissionshandel abgelten.

Von Gerd Rinas

Der Landeswald in Mecklenburg-Vorpommern liefert jedes Jahr sogenannte Ökosystemleistungen im Wert von 90 Mio. € bzw. 465 €/ha. Zu diesem Ergebnis kommt eine von der Landesforstanstalt in Auftrag gegebene Studie von Prof. em. Dr. Ulrich Hampicke und Achim Schäfer vom Institut für Dauerhaft Umweltgerechte Entwicklung von Naturräumen der Erde (DUENE e.V.) an der Universität Greifswald. Die Studie beziffert erstmals in Deutschland Ökosystemleistungen des Waldes und eröffnet neue Ansätze für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung, sagte Mecklenburg-Vorpommerns Forstminister Till Backhaus bei der Vorstellung der Ergebnisse.

47 Ökosystemleistungen

Die Wissenschaftler bewerteten die wichtigsten der insgesamt 47 Ökosystemleistungen des Waldes, u. a. als Holzlieferant, Kohlenstoffspeicher, Sauerstoffproduzent, Luft- und Wasserfilter, Bodenschutz und Basis für Biotope. Auch die Funktion der Wälder als Erholungsraum und Trinkwasserspeicher wurde berücksichtigt. Nach Angaben von Prof. Hampicke entfallen zwei Drittel des Wertes der Ökosystemleistungen auf ihre Klimaschutzwirkung, je 16 % auf den Erholungswert und den Naturschutz. Um den Wert der Leistungen zu ermitteln, legten die Wissenschaftler auf der Grundlage des CO2-Zertifikate-Handels einen Preis von 50 €/t CO2 zugrunde und blieben damit am unteren Ende der derzeit gehandelten Tarife.

„Wert der ÖkosystemLeistungen wird steigen“

Hampicke räumte ein, dass die auf dieser Basis ermittelten Werte von Ökosystemleistungen hinter dem tatsächlichen Wert zurückblieben, weil sich z. B. die Naturschutzfunktion kaum in Geld messen lasse und auch der Wert als Trinkwasserspeicher nur „krass untertrieben“ dargestellt werden konnte. Gleichzeitig sei davon auszugehen, dass der Wert dieser Ökosystemleistung sogar noch steigen wird: „Der Wald liefert sauberes Grundwasser, auch für die Urlauber an der Küste. Bei sehr schlechten und flachen Grundwasserleitern in Vorpommern und immer mehr Urlaubern komme „viel auf den Wald zu“.

im gesamten Wald: 450 Euro pro Hektar

Für den gesamten Wald in MV gab er den Wert der Ökosystemleistungen mit durchschnittlich 450 €/ha an. Dieser Wert sei hochgerechnet aus der Bewertung des Landeswaldes, erläuterte Hampicke. Die Bewertung der Ökosystemleistungen dort sei mit 465 €/ha etwas höher ausgefallen, weil der Landeswald mehr strukturiert und schon etwas besser auf die Klimaveränderungen vorbereitet sei.

Nach der Studie fallen die bisher nicht vergüteten Ökosystemleistungen mehr als doppelt so hoch aus wie die Erlöse aus dem Holzverkauf. Durch die vom Klimawandel hervorgerufenen Waldschäden sind die Erlöse aus dem Holzverkauf aber in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen. Minister Backhaus sprach von durchschnittlich 217 €/ ha. Prof. Hampicke sagte, es wäre „einseitig“, allein das Holz zu bezahlen, alle anderen Ökosystemleistungen aber „zu verschenken“. Er sprach sich dafür aus, die Ökosystemleistungen des Waldes zunächst mit 150 €/ha in Wert zusetzen.

Erlöse aus dem Holzverkauf im Keller

Lob für die Studie kam vom Waldbesitzerverband Mecklenburg-Vorpommern. Sie sei breiter und tiefer angelegt als vorherige, sagte Vorsitzender Dr. Ivo von Trotha. Ökosystemleistungen des Waldes in Wert zu setzen, sei auch deshalb notwendig, weil sich die Erlöse aus der Holzvermarktung wegen der Kalamitäten und des Überangebots in den letzten Jahren weiter verringert hätten. „Zieht man Abgaben, Kosten und Steuern ab, bleiben 90 Euro pro Hektar übrig, also nur 15 Prozent des Wertes der in der Studie ermittelten Ökosystemleistungen. Dieses Finanzierungsmodell für den Wald trägt nicht mehr“, sagte von Trotha.

Keine Kassenhäuschen am Waldrand

Diese Einschätzung teilte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Kommunalwald Jörg Harmuth. „Die Einwohner von Rostock zahlen durchschnittlich 5,70 Euro im Jahr für den Wald. Dafür kann man in Warnemünde keine zwei Stunden parken. Mehr Geld für den Wald ist wegen der knappen Mittel in öffentlichen Kassen aber nicht drin“, so Harmuth. Unterdessen sieht Minister Backhaus Chancen, die Ökosystemleistungen zu honorieren, ohne „am Waldrand Kassenhäuschen aufzustellen“ oder eine Steuer einzuführen. Der 2011 eingerichtete Energie- und Klimafonds (EKF) der Bundesregierung biete dazu die Möglichkeit. Der EKF finanziert sich außer mit Bundeszuschüssen aus den Erlösen des europäischen Emissionsrechtehandels. Die Energiewirtschaft und ein Teil der Industrie müssen für den Ausstoß von CO2 Zertifikate erwerben, die vom Staat versteigert werden. Ab 2021 soll ergänzend die CO2-Bepreisung durch nationalen Emissionshandel eingeführt werden. Auch diese Einnahmen sollen in den Energie- und Klimafonds fließen.

„Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“

Backhaus will bei den kommenden Agrarminister- und Umweltministerkonferenzen die Entlohnung der Ökosystemleistungen des Waldes auf die Tagesordnung setzen. „Ich sehe sie künftig als zentrales Element der Förderung nach dem Grundsatz öffentliches Geld für öffentliche Leistungen. Ohne sie werden die Wälder nicht gesunden können“, warnte der Minister.