Mecklenburg-Vorpommern

Kippt die Düngelandesverordnung?

In Mecklenburg-Vorpommern summieren sich die roten Gebiete auf 181.000 ha bzw. 13 % der LN. Grafik: Agrar- und Umweltministerium MV
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Corona hat die erste Verhandlung eines Normenkontrollantrags zur Düngelandesverordnung in MV vor dem Oberverwaltungsgericht Greifswald verhindert. Hinter den Kulissen herrscht aber rege Betriebsamkeit, erfuhren wir von Rechtsanwalt Dr. Robert Krüger.

Das Interview führte Gerd Rinas

Herr Doktor Krüger, im Auftrag von Landwirten hat die Rechtsanwaltskanzlei Geiersberger, Glass & Partner beim Oberverwaltungsgericht in Greifswald Normenkontrollanträge zur Düngelandesverordnung von 2019 gestellt. Wie ist der Stand der Dinge?
Wir haben zwölf Normenkontrollanträge im Auftrag von 191 Landwirten aus mehreren Landkreisen beim Oberverwaltungsgericht Greifswald gestellt, um die Düngelandesverordnung zur Gebietskulisse von 2019 für unwirksam erklären zu lassen. Am 16. Dezember 2020 sollte zu einem Normenkontrollantrag, der eine Grundwassermessstelle auf der Insel Rügen betrifft, verhandelt werden. Wenige Tage vorher sagte das Gericht den Termin coronabedingt ab. Seitdem ist in der Sache nichts passiert.

Seit Jahresbeginn gilt eine neue Düngelandesverordnung. Machen die Anträge gegen die nicht mehr gültige Verordnung von 2019 überhaupt Sinn?
In der Tat sind einige Landwirte, deren Flächen nach der alten Gebietskulisse in nitratbelasteten Gebieten lagen, nun aufgrund der veränderten Gebietskulisse nicht mehr betroffen. Für diese Landwirte hat sich der Normenkontrollantrag erledigt. Wir prüfen das gerade. Wenn wir Klarheit haben, werden wir entsprechende Erklärungen bei Gericht einreichen. Die große Mehrzahl unserer Mandanten hat aber auch in den neufestgelegten nitratbelasteten Gebieten Flächen. Über die genauen Zahlen verschaffen wir uns derzeit einen Überblick. Für die weiterhin betroffenen Betriebe werden wir die Verfahren fortsetzen. Zu bedenken ist, dass durch die Neufestsetzung der roten Gebiete, viele Landwirte hinzugekommen sind. Bisher haben sich 156 weitere Landwirtschaftsbetriebe bei uns gemeldet. Sie wollen die Neuausweisung der roten Gebiete überprüfen lassen und gegebenenfalls dagegen Rechtsmittel einlegen.

Dr. Robert Krüger ist Rechtsanwalt und Partner in der Kanzlei Geiersberger, Glas & Partner, Rostock. © GEIERSBERGER, GLAS
Dr. Robert Krüger ist Rechtsanwalt und Partner in der Kanzlei Geiersberger, Glas & Partner, Rostock. © GEIERSBERGER, GLAS

Was kann unterm Strich dabei herauskommen?
Das Gericht könnte die Düngelandesverordnung für unwirksam erklären. Die Antragsteller würden dann nicht mehr in nitratbelasteten Gebieten wirtschaften. Das Land müsste in diesem Fall schnellstens eine neue Gebietskulisse ausweisen und die Kritik des Gerichts beachten. Verschwinden werden die roten Gebiete per Gerichtsbeschluss aber nicht.

Ein Fachgutachten, das der Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern in Auftrag gegeben hat, hält 56 von 103 untersuchten Grundwassermessstellen für hydrologisch nicht repräsentativ. Welchen Einfluss hat dieses Gutachten auf die Normenkontrollverfahren?
Für die Ausweisung der nitratbelasteten Gebiete ist die vom Bund erlassene Allgemeine Verwaltungsvorschrift (AVV GeA) maßgeblich. Diese fordert an keiner Stelle, dass Grundwassermessstellen hydrologisch repräsentativ sein müssen, um als Messstelle für die Nitratbelastung im ersten Grundwasserleiter genutzt zu werden. Teilaspekte des Fachgutachtens des Bauernverbandes sind aber durchaus für die Prüfung durch das Gericht relevant.

Zum Beispiel?
Die Frage, ob die Messstellen tatsächlich den sogenannten Hauptgrundwasserleiter verfiltern, ist aus meiner Sicht von großer Bedeutung. Diese Vorgabe ist in der AVV eindeutig.

Haben Sie Zweifel, dass alle Messstellen diesem Kriterium entsprechen?
Wir wollen überprüfen lassen, ob die Gebietsausweisung nach der Düngelandesverordnung den Ansprüchen der AVV genügt. Dafür ist auch zu klären, ob der Ausbau der verwendeten Messstellen den anerkannten Regeln der Technik entspricht und die Anforderungen an die Probenahme erfüllt werden.

Wenn zum Beispiel ein Filter nicht im Hauptgrundwasserleiter misst, sondern trockengefallen ist, Sauerstoff zutritt und die gemessenen Werte beeinflusst, ist das ein Grund, die Düngelandesverordnung für unwirksam zu erklären?
Laut AVV muss die Messstelle im Hauptgrundwasserleiter verfiltert sein. Ist sie das nicht, kann die Messstelle nach unserem Verständnis nicht für die Ausweisung eines roten Gebietes herangezogen werden. Sämtliche Flächen, die wegen Messwerten aus dieser fehlerhaften Messstelle einem roten Gebiet zugeordnet sind, müssen in Folge der gerichtlichen Auseinandersetzung nach unserer Auffassung aus dem Gebiet gestrichen werden.

Die Kanzlei Geiersberger, Glass hat im vorigen Herbst vor dem Oberverwaltungsgericht Schleswig fünf Normenkontrollanträge von etwa 80 Landwirten aus Schleswig-Holstein anwaltlich vertreten, hatte aber keinen Erfolg. Woran lag es?
Das Gericht machte geltend, dass die Landesbehörden in Schleswig-Holstein bei der Festlegung der roten Gebiete erheblichen Spielraum haben. Trotz berechtigter fachlicher Kritik kam es bei den weiten Auslegungsmöglichkeiten der Rechtsnormen zu dem Ergebnis, dass die Ausweisung nicht zu beanstanden ist.

Hat diese Entscheidung Auswirkungen auf die Verfahren in Greifswald?
Sehr wahrscheinlich nicht. Das Oberverwaltungsgericht Schleswig hat sich nicht mit den rechtlichen Vorgaben befasst, die für die seit Januar geltende Düngelandesverordnung und die neu ausgewiesenen Gebietskulisse maßgebend sind. Zudem haben sich die Verfahren in Schleswig-Holstein erledigt, weil die angegriffene Landesdüngeverordnung nicht mehr gilt. Anders als Mecklenburg-Vorpommern, hat Schleswig-Holstein seine Landesdüngeverordnung nicht geändert, sondern eine neue Verordnung in Kraft gesetzt.

Wie ist nun der Fortgang des Verfahrens in Greifswald?
Wir werden kurzfristig bei Gericht anzeigen, welche Betriebe weiterhin und welche neu an den Verfahren teilnehmen. Weil die rechtlichen Grundlagen für die Ausweisung der nitratbelasteten Gebiete und die Gebietskulisse selbst sich drastisch verändert haben, werden wir die Anträge neu begründen müssen. Trotz dieser neuen Situation und der coronabedingten Verzögerung gehen wir davon aus, dass die 2020 beantragten Verfahren noch in diesem Jahr abgeschlossen werden. Diese Prognose gilt allerdings nicht für die Anträge, die nach der Neuausweisung der roten Gebiete eingegangen sind. Diese Verfahren müssen erst einmal auf den Weg gebracht werden.