Die Zahl der Feldhasen in Mecklenburg-Vorpommern steigt wieder an.© IMAGO / Imagebroker Friedhelm Adam

Frühjahrszählung: Wieder mehr Feldhasen

Der gerade abgeschlossenen Zählung zufolge steigt die Zahl der Feldhasen wieder an. Durchschnittlich sieben Tiere auf 100 Hektar sind zwei mehr als 2019. Bundesweit wurden allerdings doppelt so viele gezählt.

Von Jürgen Drewes

Gut hören kann er. Und schnell ist er auch. Doch selbst seine Spitzengeschwindigkeit von 70 km/h reicht mitunter nicht aus, um sich erfolgreich vor Feinden aus dem Staub zu machen. Und das sind nicht wenige: Fuchs, Marderhund, Dachs, Waschbär. Weitere kommen aus der Luft. Andere mit dem Gewehr. Doch das bleibt seit Jahren im Schrank. Glück gehabt!? „Ich meine ja. Wir tun vieles, damit es dem Hasen gut geht“, sagt Rainer Pirzkall. Der langjährige Niederwildexperte des Landesjagdverbandes Mecklenburg-Vorpommern hat zwar gerade eine neue berufliche Herausforderung gestartet, gleichwohl liegt dem Weidmann das Wohl der Langohren nach wie vor am Herzen. Wachstum in der Feldhasenpopulation ist angesagt. Ob alles klappt wie gewünscht, wird zweimal im Jahr aufwendig überprüft.

Feldhasen im Schweinwerferlicht

„Im Frühjahr und Herbst verschaffen wir uns einen Überblick über die Wildtierpopulation. Hasen inklusive“, sagt Verbandssprecherin Julia Blau. Während der sogenannten Scheinwerfertaxation sind Jäger mit freiwilligen Helfern landauf, landab unterwegs, um bei Dunkelheit im Scheinwerferlicht ihrer Fahrzeuge nach Hasen Ausschau zu halten. Deren Augen reflektieren das Licht eindeutig. Eine Verwechslung mit anderen nachtaktiven Tieren wie streunende Katzen, Mardern, Füchsen, ist ausgeschlossen.

Ein Revier, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, ist ohnehin noch nicht gefunden. Wo Meister Reineke durch die Landschaft streicht, gilt für jeden Feldhasen höchste Alarmstufe. „Ich halte den Fuchsbestand in meinem Revier gering. Ganz will ich auf ihn nicht verzichten. Er gehört zum biologischen Gleichgewicht. Und das ist mir wichtig“, sagt Detlev Göllner und zeigt auf zahlreiche kleine Löcher in einem zuletzt brach liegenden Feld bei Fienstorf, unweit von Rostock.

Einige Füchse dürfen bleiben

Die milden Winter und trockenen Sommer der vergangenen Jahre haben dafür gesorgt, dass sich die Mäuse im Land sprunghaft vermehrt haben. Kleine Nager, die für große Schäden in der Landwirtschaft sorgen. Auch im Raps, der demnächst zu blühen beginnt, machen sich Mäuse an den Wurzeln zu schaffen. So wird nicht nur die Blüte, sondern die gesamte Pflanze gelb. Ertragsausfälle sind programmiert, mitunter droht sogar Totalverlust. „Den Mäusebestand im großen Stil zu dezimieren, ist praktisch unmöglich. Da können nur natürliche Feinde helfen. Deshalb lasse ich auch den einen oder anderen Fuchs laufen. Meine Feldhasenpopulation verträgt das“, erzählt Weidmann Göllner. Und verweist nach gerade abgeschlossener Frühjahrszählung auf 28 Tiere je 100 ha in seinem Revier. Das sind etwa viermal so viele wie im Landesdurchschnitt.

140.000 Feldhasen im Land

Letzterer steigt erfreulicherweise. „Wir gehen von sieben Tieren je 100 Hektar aus. Das sind ein bis zwei mehr als noch vor zwei Jahren. Insgesamt sind es etwa 140.000 Hasen“, bilanziert Verbandssprecherin Julia Blau. Und spricht dennoch von einem nach wie vor vergleichsweise niedrigen Niveau. Während auf Rügen und in Teilen Nordwestmecklenburgs zuletzt überdurchschnittlich viele Hasen gezählt wurden, war es in Teilen der Müritzregion wiederholt nur einer. In West- und Süddeutschland sind es hingegen doppelt so viele wie in MV. Bundesweit wurden 14 je 100 ha gezählt, Tendenz steigend.

Hecken bieten Schutz und Nahrung

„In den vergangenen Jahren hat das Wetter gut mitgespielt. Die Winter waren bis auf wenige Tage vergleichsweise mild. Auch der Regen hielt sich in Grenzen, im Frühjahr war es wiederholt trockenwarm. So gab es kaum Verluste. „Auch der Mensch kann natürlich helfen, dass es dem Hasen wieder besser geht als noch vor einigen Jahren“, deutet Detlev Göllner auf einen frisch gepflanzten Heckenstreifen an einem Feldrand. Hier hat der engagierte Jäger mit zahlreichen Helfern über 500 Sträucher höchst unterschiedlicher Arten gepflanzt. Sie bieten den Hasen Schutz vor natürlichen Feinden und liefern ihnen zugleich Nahrung.

Detlev Göllner vor einer frisch gepflanzten Feldhecke. © Jürgen Drewes

Feldhasen mit Bis zu sechs Würfen im Jahr

„Auch wenn der eine oder andere Beerenstrauch gerade angefressen wurde. Egal, das gehört dazu“, deutet Göllner auf einen Hasen, der vor ihm aufspringt und sich in großen, bis zu drei Meter weiten Sätzen davonmacht. In unmittelbarer Nähe wird ein „Osternest“ im noch lückenhaften Gebüsch sichtbar. Die Mulde erinnert ein wenig an einen Platz, an dem Eier abgelegt wurden, wenngleich Hasen natürlich lebend geboren werden. Bis zu sechs Würfe mit fünf bis sechs Tieren können es übers Jahr sein.

Große hasenjagden sind tabu

„Bei mir bekommen alle eine Überlebenschance. Große Hasenjagden, wie sie einst üblich waren, sind tabu. Dafür sind es immer noch viel zu wenige, auch wenn es in diesem Jahr mit dem Nachwuchs erneut sehr gut zu laufen scheint“, bilanziert Detlev Göllner. Bereits Anfang März hatte er bei Meister Lampe, obwohl der ein Meister der Tarnung ist, die ersten Jungtiere des Jahres gesichtet. Jetzt, vor Ostern, wurde erneut Nachwuchs gesetzt.

Landwirte schaffen Lebensraum

Und auch gesundheitlich geht es dem Hasen gut. Tierseuchen beim Feldhasen und Wildkaninchen wurden in den letzten Jahren kaum verzeichnet, heißt es aus dem Schweriner Landwirtschaftsministerium. „Wir haben vieles selbst in der Hand, damit es dem Feldhasen Schritt für Schritt wieder besser geht“, sagt Detlev Göllner. Die Landwirte in seinem Revier seien gute Partner. Wenn sie die Felder umweltgerecht nur mit so viel Dünger und Pflanzenschutzmitteln bewirtschaften wie ackerbaulich nötig, schaffen sie dem Hasen optimalen Lebensraum. Der Weidmann verweist zudem auf enge Zusammenarbeit mit der Kommune. Eine Aufgabe ist es, die Landschaft nicht weiter zu zerschneiden. Sonst würde es den Hasen immer schwerer fallen, standorttreu zu bleiben. Manch einer, der zu Ostern gern nach Eiern sucht, würde dann womöglich keine mehr finden.