Zukunft der Landwirtschaft: Wie kann Deutschland den Strukturwandel meistern?
Die deutsche Agrarpolitik steht am Scheideweg: Sie kann die Weichen für eine zukunftsfähige Landwirtschaft stellen oder dem Wandel weiter nur hinterherlaufen. Vor diesem Hintergrund fand der Agrarpolitische Tag auf der Insel Poel (Mecklenburg-Vorpommern) statt.
Die Landwirtschaft in Deutschland unterliegt einem kontinuierlichen Strukturwandel. Angetrieben von Faktoren wie beispielsweise dem technologischen Fortschritt und den wachsenden Umwelt- und Klimaschutzanforderungen. Diese Entwicklungen werfen grundlegende Fragen nach der Rolle der Landwirtschaft auf: Wer trägt die Verantwortung, wie dieser Wandel abläuft? Welche Rolle spielen dabei die Agrarpolitik und die globalen Veränderungen? Welche unternehmerischen Strategien können für die Landwirtinnen und Landwirte zukünftig am effektivsten sein?
Auf dem 32. Agrarpolitischen Tag des Kreisbauernverbandes Nordwestmecklenburg und der Norddeutschen Pflanzenzucht Hans-Georg Lembke KG in Malchow auf der Insel Poel wurden diese relevanten Fragen zur Zukunft der Landwirtschaft aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet und mit den mehr als 150 anwesenden Landwirtinnen und Landwirten diskutiert.
Agrarpolitik im Wandel: DBV fordert Planungssicherheit für Betriebe
Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), betonte in seiner Rede, dass für die größte landwirtschaftliche Berufsvertretung in Deutschland die Richtung der neuen Bundesregierung in vielerlei Hinsicht stimme und dass es Perspektiven und Zuversicht in der Branche gebe. „Die Landwirtschaft und damit die Ernährungssicherheit sind wichtige Grundpfeiler für eine stabile Gesellschaft und Demokratie. Die Herausforderungen sind enorm, aber ebenso groß sind die Chancen, innerhalb der vorhandenen politischen Spielräume gezielt zu lenken, um die Landwirtschaft langfristig resilient zu gestalten“, so Rukwied.

Aufgrund der ständig wechselnden Rahmenbedingungen auf den globalen Märkten sei es für die Branche enorm wichtig, nicht nur die Rolle des Zuschauers, sondern die des Mitgestalters zu übernehmen.
Dafür müsse die Agrarpolitik den Landwirtschaftsbetrieben langfristige Planungssicherheit und mehr unternehmerische Freiheiten gewähren und die Weichen richtig setzen. Dazu gehöre auch eine starke europäische Agrarpolitik.
Generationenwechsel und Hofnachfolge
Anhand volkswirtschaftlicher Untersuchungen erläuterte Dr. Sebastian Lakner, Leiter der Professur für Agrarökonomie der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät der Universität Rostock, dass die Agrarpolitik kaum Einfluss auf den Strukturwandel habe und ihn nicht stoppen könne. Das sei bei einer stark eingreifenden und unterstützenden Agrarpolitik wie beispielsweise in Norwegen und der Schweiz genauso zu beobachten wie in Ländern, deren Agrarpolitik weniger in die Märkte eingreife.
Dazu werde auch der demografische Wandel in Deutschland die Landwirtschaft tiefgreifend verändern. In der vornehmlich durch Familienbetriebe gekennzeichneten Landwirtschaft sei der Generationenwechsel ein wesentlicher Taktgeber für den Strukturwandel. Die Gewinnung des Berufsnachwuchses für die Landwirtschaft sei ein entscheidender Faktor. So werden in den nächsten 10 bis 15 Jahren 37 % der Arbeitnehmer in Rente gehen. Bei den Betriebsleitern seien es sogar 47 %. Ein spezieller Fokus müsse im Bereich Hofnachfolge und Existenzgründung liegen. „Trotzdem werden nicht alle Betriebe bestehen bleiben“, ist sich Lakner sicher. Deshalb sei es wichtig, progressive Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Junglandwirte z. B. bei ihren zukunftsgerichteten und nachhaltigen Produktionsmethoden zu stärken. Denn innovative Ideen seien kein Selbstläufer, so Lakner.
Minister Backhaus: Politik muss Wandel aktiv gestalten und Tierhalter stärken
Agrarpolitik dürfe nie Zuschauer sein. Sie müsse aktiv gestalten, so Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus (SPD) in seiner Rede. Er betonte, dass der Strukturwandel in der Landwirtschaft kein neues Phänomen in Deutschland ist, sondern seit Jahrhunderten Begleiter der Branche. Doch die Geschwindigkeit und die Richtung, in der sich der Wandel vollzieht, bereiten ihm Sorgen. Die politische Verantwortung liege darin, den landwirtschaftlichen Betrieben wieder eine Perspektive zu geben, besonders den tierhaltenden. „Sie brauchen Förderprogramme, die auf flächengebundene, tiergerechte Haltungssysteme setzen. Sie brauchen Investitionssicherheit, keine ständigen Wechsel bei Auflagen oder Förderkriterien. Wir müssen wieder deutlicher sagen, dass Landwirtschaft systemrelevant ist – nicht nur in der Krise.“
Der Strukturwandel in der Landwirtschaft ist laut Backhaus kein Naturgesetz – er ist das Ergebnis politischer und gesellschaftlicher Entscheidungen in Deutschland: „Wenn wir nur zusehen, wird sich der Wandel gegen unsere Interessen vollziehen. Wenn wir gestalten, können wir ihn nutzen, um mehr Nachhaltigkeit, Qualität und eine zukunftsfähige Landwirtschaft zu schaffen.“
Augenmaß beim Umbau der Landwirtschaft gefordert
Für Karsten Trunk, Präsident des Bauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern, muss der Strukturwandel in der Landwirtschaft in Deutschland mit Augenmaß stattfinden. Vor diesem Hintergrund komme dem neuen Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) eine zentrale Rolle zu. Er stehe vor der Aufgabe, die unterschiedlichen Interessen – von Umweltschutz über wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit bis hin zur sozialen Absicherung der Landwirte – in Einklang zu bringen. Der Koalitionsvertrag lasse allerdings an manchen Stellen noch konkrete Umsetzungsstrategien vermissen. Der notwendige Umbau der Landwirtschaft erfordere Weitsicht und politische Entschlossenheit.

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