Mecklenburg-Vorpommern

Insektenschutz: „Nicht durchregieren – miteinander reden!“

Blühfläche mit Insekt. © Sabine Rübensaat
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Auf dem 28. Agrarpolitischen Tag des Kreisbauernverbandes Nordwestmecklenburg und der Norddeutschen Pflanzenzucht KG in Malchow (Insel Poel) stellte sich Bundes-Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth den kritischen Fragen der Landwirte – und gab sich erstaunlich einsichtig.

Von Gerd Rinas

Im Streit um die Auswirkungen des Aktionsprogramms Insektenschutz zwischen Landwirten und Bundesumweltministerium stehen die Zeichen jetzt offenbar auf konstruktiven Dialog. Nach harten Auseinandersetzungen um einschneidende Insektenschutzmaßnahmen – aus Sicht der Landwirte mit fatalen Folgen –, nach bundesweiten Demonstrationen, Traktoren-Sternfahrten, Kundgebungen und Blockaden, zeigte sich Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesumweltministerium, auf dem als Videokonferenz durchgeführten 28. Agrarpolitischen Tag des Kreisbauernverbandes Nordwestmecklenburg und der Norddeutschen Pflanzenzucht KG (NPZ) in Malchow (Insel Poel) gesprächs- und kompromissbereit.

Flasbarth: Insekten brauchen Schutz

„Nur die, die nicht miteinander reden, können Feindbilder aufrechterhalten. Nicht durchregieren, miteinander reden!“, sagte Flasbarth nach offenbar ergiebigen Gesprächen mit Landwirten, darunter Detlef Kurreck, Präsident des Bauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern.

In der Sache der Insekten ließ er aber keinen Zweifel aufkommen. Maßnahmen zu deren Schutz seien überfällig: „42 Prozent der Arten sind gefährdet. Nach der Menge sind es sogar 80 Prozent.“ Daran sei die Landwirtschaft nicht allein schuld. Ursachen wie die Lichtverschmutzung seien viel zu lange ausgeblendet worden.
Auch durch den Städtebau seien Lebensräume für Insekten verloren gegangen. Zudem reflektierten Landwirte mit ihrer Arbeit Rahmenbedingungen: „Die setzt die Politik“.

Insektenschutz: Ertrag und Belastungen abwägen

Flasbarth räumte ein, dass Ausnahmeregelungen in der Pflanzenschutzmittel-Anwendungsverordnung für den Einsatz von Herbiziden und bestimmten Insektiziden in FFH-Gebieten, etwa für die Saatgutzucht und -vermehrung, nicht von Anfang an vorgesehen waren. „Wo der Ertrag für den Insektenschutz in keinem Verhältnis zu den Belastungen für die Landwirtschaft steht, sind diese Ausnahmen richtig“, betonte der Umweltstaatssekretär.

Das gelte auch für die Herausnahme der Vogelschutzgebiete aus der Gebietskulisse, in der Pflanzenschutzmittel eingeschränkt werden sollen. „Sie sind im Vergleich zu den FFH-Gebieten sehr groß“, so Flasbarth.

Mit Insektenschutz Geld verdienen

Als 2015 die FFH-Gebiete eingeführt wurden, hätten Politiker den Landwirten versprochen, sie könnten weiterwirtschaften wie bisher. Das sei aber nicht möglich.

Wie der Umweltstaatssekretär zu dem falschen Versprechen stehe, wollte Moderator Daniel Bohl, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Nordwestmecklenburg, wissen. Das sei so gewesen, räumte Flasbarth unumwunden ein. Sein Wunsch: „Ich möchte, dass man mit Insekten- und Wasserschutz Geld verdienen kann.“ EU-Kommissions-Vizepräsident Timmermans habe zugesagt, dies zu prüfen.

„Veränderungen brauchen Zeit“

Der Vertreter aus dem Bundesumweltministerium versuchte auf der Konferenz, den Befürchtungen der Landwirte beim Aktionsprogramm Insektenschutz entgegenzutreten.

Es sei nicht vorgesehen, die freiwilligen Vereinbarungen zum Vertragsnaturschutz auf 90 Prozent FFH-Flächen schon nach drei Jahren zu überprüfen – und bei ausbleibenden positiven Veränderungen Ordnungsrecht einzuführen. „Veränderungen brauchen Zeit“, so Flasbarth. Zehn Prozent der FFH-Flächen seien außerdem aus regionalen Gründen weiterhin für Pflanzenschutzmittel zugelassen.

nachhaltigkeitsleistungen verlässlich honorieren

Landwirtin Christa-Maria Wendig aus Rehberg erläuterte am Beispiel ihres Betriebes, welche Auswirkungen die neuen Regelungen ohne Pflanzenschutz auf den Zuckerrübenanbau auf ihren Flächen im FFH-Gebiet haben.

Um negative Folgen verstärkter Umweltorientierung abzuwenden, bewirtschaftet der Betrieb sein Grünland nun mit einer Öko-Tochter-GmbH. „Nachhaltigkeitsleistungen der Landwirte für Ressourcenschutz und Tierwohl müssen verlässlich honoriert werden“, forderte Detlef Kurreck. Kooperationen in Tier- und Landschaftsschutz müssten Vorfahrt bekommen, ohne das Grundeigentum infrage gestellt werde. „Dringend geboten ist, die Folgen politischer Entscheidungen abzuschätzen.“

Landwirtschaft sei ein komplexes System, in dem jeder Eingriff Auswirkungen habe. „Verbote und Restriktionen passen nicht in Partnerschaften für Insektenschutz, Artenvielfalt und sauberes Wasser“, betonte Kurreck.


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Weniger Hektare von Einschränkungen betroffen

Mecklenburg-Vorpommerns Agrar- und Umweltminister Till Backhaus warb bei den bis zu 140 Teilnehmern der Konferenz ebenfalls für den Insektenschutz und versuchte, das spürbare Misstrauen der Landwirte nach ihren Erfahrungen mit unerfüllten Versprechen aus der Politik zu zerstreuen. Sein stärkstes Argument: Tatsächlich sind in Mecklenburg-Vorpommern bisher 2.300 ha LF von Einschränkungen durch Insektenschutzmaßnahmen betroffen und nicht mehrere hunderttausend Hektar, wie zunächst erwartet.

Auch beim Insektenschutz sieht Backhaus den Nordosten „an der Spitze der Bewegung“: Auf 350.000 ha werden Agrarumweltmaßnahmen durchgeführt, allein in den vergangenen zwölf Monaten sind 130.000 ha hinzugekommen. Dafür zahlt das Land in diesem Jahr 60 Mio. Euro, mehr als andere Bundesländer, bilanzierte Backhaus.

Vielfältige Fruchtfolge braucht mehr Leguminosen

Aber auch in Mecklenburg-Vorpommern wachsen die Bäume nicht in den Himmel: 20.000 ha Körnererbsen und 8.000 ha Ackerbohnen seien mehr als in anderen Bundesländern; aber für Vielfalt in der Fruchtfolge landesweit reiche das nicht aus, zeigte Dietmar Brauer, geschäftsführender Gesellschafter der Norddeutschen Pflanzenzucht Hans-Georg Lembke KG, auf der Konferenz Handlungsbedarf bei den politischen Rahmenbedingungen für den steigenden Einsatz heimischer Eiweißpflanzen auf.

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