Molkereifachleute überwachen die Produktion in den Käsefertigern im BMI-Werk in Jessen. (c) Sabine Rübensaat

BMI-Werk Jessen: Cheddar aus der Hightech-Käserei

Die Bayerische Milchindustrie eG (BMI) baut ihren Produktionsstandort Jessen im Osten Sachsen-Anhalts mit einer Großinvestition für die Zukunft aus. Wir haben uns in der Käserei umgeschaut.

Bis zu 60 Milchsammelwagen steuern täglich Jessen an. Ihr Ziel in der Stadt an der Schwarzen Elster ist die Käserei der Bayerische Milchindustrie eG (BMI). Der Verarbeitungsstandort im Landkreis Wittenberg ist der einzige der Zentralgenossenschaft in den ostdeutschen Bundesländern. Zugleich ist das Werk im östlichen Teil Sachsen-Anhalts das derzeit modernste der BMI.

Im Jahr 2010 übernahm das Unternehmen mit Sitz im niederbayerischen Landshut vollständig die Standortverantwortung in Jessen. Die BMI investierte hier allein von 2017 bis 2019 rund 110 Mio. €. Zuletzt entstand bei laufender Produktion im Bestand eine neue, hochtechnisierte Hartkäserei. Diese ging im Februar 2019 in Betrieb. Die Produktion wurde seither kontinuierlich hochgefahren.

BMI-Käserei geht in dritte Ausbaustufe

Außenansicht des Werks BMI.
Das BMI-Werk an der Rehainer Straße in Jessen verarbeitet derzeit 440 Millionen Kilogramm Rohmilch pro Jahr. (c) Sabine Rübensaat

„In diesem Jahr gehen wir in die dritte Ausbaustufe“, sagte BMI-Vorstandsvorsitzender Dr. Thomas Obersojer unlängst vor Ort gegenüber der Bauernzeitung. Aktuell veredelt die Käserei täglich 1,3–1,4 Mio. kg Rohmilch. Angestrebt werden 1,5 Mio. kg pro Tag.

Jährlich sind das derzeit rund 440 Mio. kg. Künftig sollen es 500 Mio. kg werden. Bei voller Auslastung produziert Jessen dann immerhin 70 % des BMI-Käses. Gut die Hälfte des gesamten Rohmilchaufkommens der BMI wird künftig hier verarbeitet.

Etwa 95 % der in Jessen angelieferten Rohmilch erzeugen Landwirtschaftsbetriebe im Umkreis bis 120 km. 80 % bündeln Erzeugergemeinschaften (EZG), die an der Zentralgenossenschaft beteiligt sind. Über ihre Vertreter haben die EZG auch Stimmrecht im Erzeugerbeirat und im Aufsichtsrat der BMI.

Drei EZG sind Hauptmilchlieferanten

Hauptlieferanten der Jessener Käserei sind drei Erzeugergemeinschaften (EZG): die Elsterland Milchliefergenossenschaft eG, die EZG Qualitätsmilch Elbe-Saale w. V. und die Milcherzeugerorganisation Sachsen-MEG. Auf Basis mehrjähriger Verträge mit der BMI sorgen allein diese drei EZG seit Jahresbeginn für 370 Mio. kg Verarbeitungsrohstoff, rechnete Daniel Elsner vor. Er ist Mitglied der Betriebsleitung in Jessen. Die Elsterland eG ist mit aktuell 255 Mio. kg die milchstärkste EZG in der BMI und darüber hinaus auch deren größter Gesellschafter.

Die Käserei in Jessen ist ein reiner Produktionsstandort. Für die ländlich geprägte Region ist das Werk ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und bedeutender Arbeitgeber. Laut Elsner umfasst die Belegschaft umgerechnet 220 bis 230 Vollzeitstellen, einschließlich Leiharbeit. Das BMI-Werk ist darüber hinaus Ausbildungsbetrieb für die Berufe Milchtechnologe/in und Milchwirtschaftliche/r Laborant/in.

Milchlieferant bei Milchannahmestelle
Die Rohmilch für die Käseherstellung im BMI-Werk in Jessen kommt von Landwirtschaftsbetrieben aus der Region. (c) Sabine Rübensaat

Verschiedene Sorten Käse von BMI

Die Milch- bzw. Molkeverarbeitung findet in einem schier unüberschaubaren Geflecht von Rohren und Kesseln aus Edelstahl im Inneren des Werkes statt. Dessen Herzstück ist die Käserei mit neun Käsefertigern für Hartkäse und weiteren sieben für Mozzarella. Die bei der Käseherstellung anfallende Molke wird an Ort und Stelle weiter veredelt. Daraus werden Trockenprodukte hergestellt. „Sämtliche Produktionsanlagen sind maßgeschneidert. Hier ist nichts von der Stange“, betonte Daniel Elsner.

Mit der leistungsfähigen technischen Ausstattung und den motivierten Mitarbeitern wurden im Jahr 2019 fast 45.000 t Käse in Jessen hergestellt. Dieser findet in Form von BMI-Eigenmarken, aber auch als Handelsmarken Absatz. Zum Produktionssortiment gehören Mozzarella, Cagliata, Reibe- und Schnittkäse sowie Cheddar, ein Hartkäse. Letzterer stammt ursprünglich aus dem Südwesten Englands. Wegen seiner unterschiedlichen Reifegrade bietet er eine große Geschmacksvielfalt.

Die unterschiedlichen Käsesorten reifen im neuen, vollautomatisierten Hochregallager in verschiedenen Temperaturzonen. Das Lager bietet 16.000 Paletten-Stellplätze für Käse, Molkepulver und Material. Die beladenen Paletten aus der Produktion werden über ein fahrerloses Transportsystem an ihre Zielorte im Lager gebracht. Einzig dort, wo Lkw mit den Erzeugnissen der Käserei beladen werden, arbeiten Mitarbeiter mit speziellen Staplern.

Probleme beim Umbau der Käserei

Der Umbau des Standortes bei laufender Verarbeitung sollte allerdings für die BMI und ihre Milchlieferanten zur besonderen Herausforderung werden. Die Kosten erhöhten sich um immerhin 35 Mio. € auf 110 Mio. €. Gründe waren u. a. unliebsame Überraschungen, die sich in der Altbausubstanz auftaten. In der Folge verzögerten sich die Inbetriebnahme der neuen Hartkäserei und des neuen Hochregallagers. Auch lief die Käsefertigung im Werk in den ersten Monaten nicht störungsfrei.

Kostenexplosion und Anlaufschwierigkeiten in Jessen waren für die BMI umso problematischer, weil sich auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für den Milchverarbeiter im zweiten Halbjahr 2019 verschlechterten. Diese negativen Entwicklungen blieben für die Genossenschaft und ihre Milcherzeuger nicht ohne Folgen: Die Landwirte mussten 2019 über vier Monate einen Milchgeldabschlag von 2 ct/kg hinnehmen. Weil die BMI einen einheitlichen Auszahlungspreis hat, traf dies die Betriebe in Ost und West gleichermaßen. Etliche Erzeuger in Bayern kündigten daraufhin ihre Lieferverträge.

Die Jessener Milchlieferanten hielten 2019 trotzdem zur Stange. Im Jahr 2020 konnte die BMI vor Ort sogar einen deutlichen Zuwachs an Milchliefermengen verzeichnen. Trotz der Preisdelle durch die Investition habe man 2019/2020 im Schnitt in etwa auf dem mittleren Milchpreisniveau der neuen Bundesländer und umliegender Molkereien gelegen, sagte Obersojer. Aktuell liege die BMI preislich sogar „einen Tick“ über dem ostdeutschen Durchschnitt.

BMI-Standort ist fit für die Zukunft

Cheddar-Blöcke auf dem Band.
20-Kilo-Blöcke des Hartkäses Cheddar auf dem Transportband hinter dem Vakuumierer. (c) Sabine Rübensaat

Dabei treffen auch die Auswirkungen der Corona-Pandemie die BMI relativ stark. Etwa weil der Absatz im Großverbraucherbereich eingebrochen ist, ebenso der Käseexport. „Insofern ist der zweite Lockdown bitter für uns“, erklärte der Vorstandschef. Molkereien, die nur den Lebensmitteleinzelhandel beliefern, seien da im Vorteil.

Für die Zukunft sieht der BMI-Vorstandsvorsitzende die Käserei in Jessen trotz der derzeitigen Unwägbarkeiten dennoch gut aufgestellt. „Wir haben hier einen hochmodernen Produktionsbetrieb, auf den wir stolz sein können“, sagte Thomas Obersojer. Auch liege das Werk in einer Milchregion mit leistungsfähigen Erzeugerbetrieben. Die BMI verfolge das Ziel, Jessen zu einem führenden Käsestandort nicht nur innerhalb des Unternehmens, sondern im europäischen Markt zu machen.

Die ausführliche Reportage über die Käserei Jessen mit einem Abriss zur Historie des Standortes, Zahlen und Fakten zur BMI sowie zwei Kurzinterviews mit Vertretern der Milchliefergemeinschaften Elsterland und Elbe-Saale, aber auch Fachbeiträge mit weiteren Analysen zur Milchproduktion in Ostdeutschland finden Sie in Ausgabe 2/2021 der Bauernzeitung.

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Lesen Sie die Reportage in voller Länge in der Ausgabe 2/2021 der Bauernzeitung.

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