Im Gespräch: „Bauer Willi“ gegen Greenpeace

Ein Streitgespräch unter diesem Titel führte der Agrarblogger Willi Kremer-Schillings mit dem Landwirtschaftsexperten der Umweltorganisation, Martin Hofstetter. Lesen Sie, wie es ausging.

Mitten in Südoldenburg, in der deutschen Tierhalterhochburg, forderte Martin Hofstetter ein milliardenschweres Umbauprogramm für die Nutztierhaltung. Dafür sei „frisches Geld“ nötig, „die paar Milliarden aus den Direktzahlungen“ würden dafür nicht reichen, sagte der Agrarexperte der Umweltorganisation Greenpeace am Mittwochabend (6.11.) während eines Streitgespräches mit dem Agrarblogger „Bauer Willi“ (Dr. Willi Kremer-Schillings) in Bersenbrück, Landkreis Osnabrück (Niedersachsen) . Das Geld könnte aus einer zusätzlichen Abgabe auf Fleisch kommen. „Da geht es um 20 bis 30 Cent pro Kilo an der Ladenkasse, das tut den Verbrauchern nicht weh“, sagte Hofstetter.

Trotzdem erwartet Greenpeace aber, dass auch deutlich mehr Mittel aus der Ersten in die Zweite Säule umgeschichtet werden, um diesen Umbau der Tierhaltung zu finanzieren. „Man kann niemandem mehr erklären, warum Landwirte heute noch Geld aus Brüssel als Ausgleich erhalten, weil vor 30 Jahren die Interventionspreise gesenkt wurden“, sagte der gelernte Agraringenieur, der im Berliner Büro der Umweltorganisation tätig ist. Die Betriebe bräuchten das Geld, aber es dürften nur noch gesellschaftlich gewünschte Leistungen damit vergütet werden. Die Bereitstellung von hochwertigen und unbedenklichen Nahrungsmitteln gehört für ihn ausdrücklich nicht dazu.

„Dieser Spagat überfordert uns“

„Bauer Willi“ machte vor den rund 260 Zuhörern des Bersenbrücker Landwirtschaftsforums das „Dilemma der Essensmacher“ deutlich: „Betriebsleiter stehen heute vor immer neuen Anforderungen, die aus allen Richtungen auf sie einprasseln. Und vieles widerspricht sich dabei. Dieser Spagat überfordert uns.“ Willi Kremer-Schillings kritisierte vor allem die Rolle des Lebensmittelhandels und warf Greenpeace vor, an dieser Schraube mitzudrehen, weil dies dem Geschäftsmodell von NGOs entspreche. „Das ist Marketing, das Euch auf unsere Kosten Spendengelder einbringt“, warf er Hofstetter vor.

„Das stimmt nicht. Ich will Veränderung, Spenden sind für mich höchstens ein netter Nebeneffekt“, verteidigte sich der Greenpeace-Vertreter und deutete damit an, dass die Fachleute in der Organisation durchaus andere Ziele verfolgen als die Finanzverantwortlichen. Auch er sehe den Einzelhandel als entscheidend für ein Umsteuern an. „Deshalb haben wir ihn auch schon mit Aktionen unter Druck gesetzt. Für mehr Weidemilch in den Regalen oder gegen Soja aus Regenwaldrodungen. Die Landwirtschaft hätte sich gemeinsam mit uns viel stärker gegen den LEH positionieren können, hat es aber nicht getan.“

Bauern als bezahlte Landschaftspfleger?

„Wir tun gern mehr für den Feldhamster oder den Kiebitz, aber das muss uns dann auch genauso vergütet werden wie die Produktion von Nahrungsmitteln“, schnitt „Bauer Willi“ ein weiteres brennendes Thema an. Wenn nicht, könne man die deutsche Landwirtschaft auch komplett abwickeln, das Essen importieren und alle Bauern zu staatlich bezahlten Landschaftspflegern umschulen, formulierte er provokant. „Wir brauchen die Landwirtschaft in Deutschland“, konterte Hofstetter. Ziel von Greenpeace sei „eine bessere Landwirtschaft“, nicht unbedingt bio, aber deutlich anders als bisher.

Kremer-Schillings setzte nach: „Mit allem, was derzeit politisch beschlossen wird, erreicht man genau das Gegenteil von dem, was man uns und der Gesellschaft immer wieder verspricht, nämlich den bäuerlichen Familienbetrieb zu erhalten. Lasst uns endlich einmal ein, zwei Jahre Pause! Dann ist auch genügend Zeit, so etwas wie eine politische Strategie zu erarbeiten.“

Frust und Kritik

Hofstetter pflichtete Kremer-Schillings bei, dass ein abgestimmter Plan für das Regierungshandeln nicht erkennbar ist. Er stimmte teilweise sogar dessen Ansicht zu, das Agrarpaket der Bundesregierung sei „über die Köpfe der Bauern hinweg und ohne ihren fachlichen Rat beschlossen“ kritisiert hatte. „Wir hätten da schon Ideen, wie man die gewünschten Ziele besser erreichen könnte“, erklärte „Bauer Willi“. Der größte Fehler besteht aus seiner Sicht darin, Ordnungsrecht vor Kooperation zu setzen. Ordnungsrecht müsse dann aber strenger als bisher umgesetzt werden, warf Hofstetter hier ein.



Zwar wisse er um den Frust unter den Bauern, sagte der Greenpeace-Vertreter, der bei der Begrüßung ein grünes Armband angenommen hatte, das er den ganzen Abend trug. „Aber glauben Sie mir, der Frust ist bei den Umwelt- und Tierschützern genauso groß, weil es so unendlich langsam vorangeht.“ Hofstetter nannte als Beispiele die verlängerte Ausnahmegenehmigung für die Ferkelkastration ohne Betäubung und die ausstehende Reaktion der Politik auf das Magdeburger Kastenstandurteil. „Und dass die Artenvielfalt abnimmt, habe ich schon während meines Landwirtschaftstudiums gelernt“, setzte der Endfünfziger nach.

Dialog und Verständnis

Wenn es auf allen Seiten nur Frustrierte gebe, sollte man sich dringend zusammensetzen und reden, regte der Moderator des Streitgespräches, Bauernzeitung-Chefredakteur Ralf Stephan, an. Leider sei der Gesprächsfaden mit dem Bauernverband, den man mit dem damaligen Präsidenten Sonnleitner regelmäßig aufgenommen hatte, seit einigen Jahren völlig abgerissen, bedauerte Hofstetter. „Wir verstehen nicht, warum.“

„Ich bin immer dafür, in den Dialog zu treten und gemeinsam nach Lösungen zu suchen“, sagte „Bauer Willi“. In dem zweistündigen, stets sehr sachlichen Meinungsaustausch entstand zeitweise tatsächlich der für viele überraschende Eindruck, dass manche Positionen gar nicht so weit auseiander lagen. Gegen eine „bessere Landwirtschaft“ wandte auch keiner der Diskussionsteilnehmer aus dem Publikum etwas ein. Dennoch werde es unterschiedliche Auffassungen darüber, was damit gemeint ist, zwischen Bauern und NGOs immer geben. „Dafür“, schloss „Bauer Willi“, „sind unsere Geschäftsmodelle einfach zu verschieden.“ rs

(Das Landwirtschaftsforum war eine Veranstaltung der Kreissparkasse Bersenbrück für ihre landwirtschaftlichen Kunden und geladene Ehrengäste aus der Region.)