Aldi setzt Molkereien unter Druck

Einem Bericht der „Lebensmittelzeitung“ zufolge will der Discounter bei frischen Milchprodukten die Preise drücken. Unter den Bauern regt sich Widerstand – und Aldi fühlt sich schlecht behandelt. (mehrfach aktualisiert)

Von Gerd Rinas

Der Lebensmittelhändler Aldi hat die Verhandlungen für die Halbjahres-Kontrakte bei frischen Milchbasisprodukten ab dem 1. Mai um mehrere Wochen vorgezogen. Erstmals verhandelt Aldi – vertreten durch die Aldi Global Sourcing – den Einkauf von frischen Milchbasisprodukten  für Aldi Nord und Süd gemeinsam. Bis zum Vorjahr hatten die beiden Aldi-Töchter noch getrennt verhandelt.

Nach Informationen der Lebensmittelzeitung (LZ) hat Aldi-Chefeinkäufer Nicholas Bond deutlich gemacht, dass er keine langen Verhandlungsrunden akzeptieren will und die neuen Preise bis Mitte März stehen – sie sollen aber sinken. Bond habe indirekt mit dem durch das Corona-Virus geschwächten Weltmarkt argumentiert, so die LZ. 

Die Milchbranche sei über die Forderung nach niedrigeren Preisen verärgert. Dafür gebe es keinen Anlass, hieß es, zumal bei Käse mit einer Verteuerung zu rechnen sei. Niedrigere Preise passten zudem nicht in die Zeit, wo alle Welt von auskömmlichen Preisen für die Landwirte rede und Bundeskanzlerin Merkel den Handel erst kürzlich zum Gespräch über unfaire Handelspraktiken einbestellt hatte. 

Bauernproteste am Aldi-Zentrallager

Nach einem Bericht des Internetportals Nord 24 fuhren am 5. März etwa 50 Landwirte mit ihren Traktoren nach der Demonstration in Hamburg vor das Aldi-Zentrallager in Beverstedt. Dort übergaben Landwirte am Freitagvormittag dem Leiter des Lagers einen Brief, in dem sie Aldi auffordern, sich bis Mai an die vereinbarten Kontrakte zu halten. 

In den WhatsApp-Gruppen von „Land schafft Verbindung“ wird über das Thema heftig diskutiert. Offenkundig werden für den Sonntag organisierte Proteste an mehreren Standorten vorbereitet. Die Bauernzeitung hält Sie auf dem Laufendem.

DMK: Verständnis für den Unmut der Bauern

Update der Redaktion (6. März, 19.45 Uhr): Dem Vernehmen nach gehört das Deutsche Milch-Kontor (DMK) zu den Molkereien, die von der neuen Aldi-Einkaufsorganisation unter Preis- und Zeitdruck gesetzt werden. Auf Anfrage der Bauernzeitung erklärte das Unternehmen, sich nicht zu aktuellen Verhandlungen äußern zu wollen. Grundsätzlich könne die DMK-Gruppe, eine Genossenschaft von rund 6.000 Landwirten, den Unmut der Landwirte gut nachvollziehen. „Wir sind ein Unternehmen der Landwirte – entsprechend positionieren wir uns auch in Gesprächen mit dem Handel und erklären dort die Situation auf den Höfen und verhalten uns auch so in Preisverhandlungen“, sagte ein Unternehmenssprecher.

Wenn Landwirte Investitionen in die aktuell gesellschaftspolitisch laufenden Themen wie Nachhaltigkeit, Klimaschutz oder Tierwohl tätigen wollen, könne das nur funktionieren, wenn die gesamte Wertschöpfungskette auch gemeinschaftlich dafür Sorge trage, dass dafür benötigtes Geld auf die Höfe kommt, so der DMK-Sprecher gegenüber der Bauernzeitung.

Für Aldi zählen Weltmarktpreise

Update der Redaktion (7. März, 11.40 Uhr): Sowohl die Nord- und die Süd-Gruppe des Discounters sehen sich dagegen völlig zu Unrecht kritisiert. In einer gemeinsamen Pressemitteilung räumen die Aldis zwar ein, dass die Verhandlungen um vier Wochen vorgezogen wurden. Der Vorwurf „einiger Molkereien“, dafür gebe es verhandlungstaktische Gründe, sei aber falsch. Grund seien „interne, administrative Abläufe“.

Sehr wohl beobachte man „eine zunehmende Eskalation auf verschiedenen Ebenen“. Als „Zeichen einer Deeskalation“ verlängere man nun den Angebotszeitraum mit potenziellen Lieferanten. Außerdem suche man den aktiven Dialog mit Landwirten und Erzeugern. Dazu habe es unter anderem ein Treffen „Land schafft Verbindung Deutschland“ gegeben.

Sehr offen kommuniziert der Handelskonzern, woran er seine Preisvorgaben misst. Die zurzeit in Deutschland intensiv diskutierten hohen Erwartungen an eine nachhaltige Milcherzeugung werden in der Pressemitteilung mit keinem Wort erwähnt. „Für die Verhandlung unserer Einkaufspreise orientieren wir uns an Weltmarktpreisen“, heißt es in der Mitteilung. Auf den Weltmärkten, auf denen bekanntlich zu anderen Standards produziert wird als in deutschen Milchviehställen und Molkereien, gebe es „aktuell keine Anzeichen für einen Anstieg“ der Preise.

Discounter sieht konstruktive Gespräche gefährdet

Abschließend verurteilt der Konzern „vereinzelte Anfeindungen aus Landwirtschaftskreisen, in denen unter anderem zu Straf- und Gewalttaten gegen unsere Filialen und Mitarbeiter aufgerufen wird, auf das Schärfste“. Verbunden wird diese Aussage mit der Feststellung, dass „eine derart aggressive Stimmungsmache“ garantiert keine Basis für konstruktive Gespräche und Verhandlungen sei.

Update der Redaktion (9. März, 16 Uhr): Bundesweit protestierten am Wochenende Landwirte an zahlreichen Auslieferungslagern des Discounters gegen die angekündigten Preissenkungen. Auf Achse waren dabei nicht nur Milchbauern, denn überall zeigten sich Berufskollegen mit ihnen solidarisch. In Sachsen war das Aldi-Großlager bei Wilsdruff westlich von Dresden in der Nacht zum Montag Ziel einer spontanen Protestaktion. Etwa 50 Bauern aus der Oberlausitz und dem Erzgebirge waren vor Ort. Um dem Handelskonzern keinen Anlass für den Abbruch der Gespräche zu geben, traf man sich an Grill und Feuerschale, um – wie es hieß – den Internationalen Frauentag zu feiern. Traktoren wurden so vor die Einfahrt gestellt, dass ein- und ausfahrende Transporter rangieren mussten, um durchzukommen. Blockiert wurde die Zufahrt jedoch nicht. 

Kartellamt: Kein Anlass für eine Prüfung

Dass die beiden Aldi-Gruppen ihren Einkauf jetzt in einer gemeinsamen Tochtergesellschaft konzentrieren, ist für das Bundeskartellamt kein Grund für eine kartellrechtliche Prüfung. Aufgrund seiner Historie und der gemeinsamen Unternehmensstrategie betrachtet die Behörde den Gesamtkonzern als sogenannten faktischen Gleichordnungskonzern, teilte ein Sprecher auf Anfrage der Bauernzeitung mit. Wettbewerblich gelten die beiden Gruppen somit als eine Einheit. Dies sei 2018 noch einmal intensiv geprüft worden, führte jedoch nicht zu einer abweichenden Bewertung. „Da es sich demzufolge bei gemeinsamen Einkaufsaktivitäten auch nicht um die Zusammenarbeit von Konkurrenten/Wettbewerbern handelt, ist in diesem Zusammenhang keine kartellrechtliche Prüfung erfolgt“, heißt es in der Antwort abschließend.